Dieses Resultat weicht das Vorurteil vom engstirnigen Fundamentalisten auf, das namentlich US-Evangelikalen von diesseits des Atlantiks regelmässig übergestülpt wird. Die USA sind insgesamt viel religiöser als die Alte Welt, mit einer Dreiviertelmehrheit von grossenteils praktizierenden Christen. Aber die meisten Gläubigen gestehen den Mitbürgern zu, anders zu glauben und zu leben – im Einwanderungsland par excellence nicht erstaunlich. Von den Protestanten (51 Prozent der Bevölkerung) stimmten 66 Prozent der Aussage zu, dass viele Religionen zum ewigen Leben führen können. Dabei unterscheiden sich die Evangelikalen (57) und die Afroamerikaner (59) deutlich von den Angehörigen der älteren Kirchen (Lutheraner, Methodisten: 83 Prozent) – und von den Katholiken (79 Prozent). Von den Juden stimmten 82 Prozent der genannten Aussage zu, von den Muslimen 56, den Buddhisten 96 und den Hindus 89 Prozent. Ein ähnliches Bild im christlichen Spektrum ergab sich bei der Frage, ob der Glaube anders als in der eigenen Kirche gelehrt werden kann. Den tiefsten Wert aller Religionsgemeinschaften wiesen hier die Zeugen Jehovas auf (18 Prozent), wogegen liberale Protestanten dies zu über 80 Prozent bejahten, Katholiken zu 77 Prozent (Evangelikale 53 Prozent). Die Befrager wollten auch wissen, wie sich die Amerikaner Gott vorstellen. An Gott als Person glauben Evangelikale (79 Prozent) deutlich häufiger als liberale Protestanten (62), Katholiken (60) und Orthodoxe (49 Prozent). Bei den Juden ergab die Umfrage einen extrem tiefen Wert von 25 Prozent, tiefer als bei den Hindus (31) und nur unwesentlich höher als bei den Buddhisten (21 Prozent). Dass die Hälfte der befragten Juden Gott als unpersönliche Kraft sehen, unterstreicht die multireligiöse Aufgeschlossenheit und Assimilierung in grossen Teilen des urbanen US-Judentums. Insgesamt glauben 92 Prozent der US-Amerikaner an ein höheres Wesen. Religionssoziologen deuten die Ergebnisse als Beleg dafür, dass stark religiöse Menschen nicht – wie gewöhnlich unterstellt – intoleranter sind. „Es ist nicht so, dass Amerikaner nicht an irgendetwas glauben. Wir glauben an alles. Wir sind keine religiösen Puristen oder Dogmatiker“, sagte Michael Lindsay von der Rice Universität. Da die Evangelikalen ein Viertel der 300 Millionen US-Amerikaner stellen, spielen sie im Kalkül der Wahlstrategen eine grosse Rolle – besonders in den etwa acht Staaten, die im November dem einen oder anderen Kandidaten zufallen können. Laut der Studie stellen Juden 1,7 Prozent der Bevölkerung, Buddhisten 0,7 und Muslime 0,6 Prozent der Bevölkerung. Pew Forum: U.S. Religious Landscape Survey Breites Spektrum der Protestanten
Gott – eine Person oder eine Kraft?
Datum: 26.06.2008
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch