Auch mit diesem Aspekt hat sich der renommierte US-Theologe und Publizist Michael Novak in seinem jüngst erschienen Buch befasst. Im ersten Teil des Interviews mit dem dreifachen Familienvater, Ehemann und vielfach ausgezeichneten Theologen und ehemaligen US-Botschafter ging es vor allem darum, dass eine an Werten orientierte Lebensführung, Wahrheit und Freiheit nicht voneinander zu trennen sind. Vergleiche den Artikel: Sehnsucht nach Freiheit (Teil 1) . Im zweiten Teil erklärt Michael Novak, warum seiner Meinung nach der Zusammenprall der Kulturen und damit der Konflikt zwischen Christen, Juden und Muslimen doch vermieden werden kann. Michael Novak: Das Aufeinanderprallen der Kulturen kommt aus einem heftigen Konflikt, der schlagartig explodiert und grosse Gewalt freisetzt, wie es in New York und Washington am 11. September 2001 geschehen ist. Dieser Zusammenprall zeigte sich zunächst in völlig gegensätzlichen Vorstellungen über Wahrheit, Freiheit und sogar über Gott, so dass es den Anschein hatte, als gebe es keinerlei Gemeinsamkeiten. Einige sahen überhaupt nur mehr einen langen Kampf vor sich, der bis zum Tod einer der beiden Kulturen ausgetragen würde. Sehr vereinfacht könnte man sagen, dass meine Hypothese darin bestanden hat, dass es sogar in der muslimischen Zivilisation, der sich die Terroristen vom 11. September fälschlicherweise zugehörig wähnten, eine Religion gibt, in der nach dem Tod belohnt und bestraft wird.Eine solche Religion ist dazu verpflichtet, tief in ihrem Herzen eine Theorie der Freiheit zu besitzen, selbst wenn ihre Philosophen und Theologen diese Theorie noch nicht wirklich voll entfaltet oder verstanden hätten. Ohne Freiheit macht Belohnung und Bestrafung nach dem Tod nämlich keinen Sinn. Also es gibt sehr viel, das es zwischen Christen, Moslems und Juden zum Thema Wahrheit, Freiheit und Gott abzuklären gilt. Und solche Gespräche können am fruchtbarsten geführt werden, wenn es gewisse Regeln gibt, auf die man sich im Vorhinein geeinigt hat und die dabei helfen, Untersuchungen im Licht der Wahrheit, der Freiheit und unserer armseligen, unzureichenden und dennoch so anspruchsvollen Vorstellungen über Gott voranzutreiben. Durch den ausdrücklichen Wunsch nach Freiheit, wie er bei den Wahlen in Afghanistan und im Irak zum Ausdruck gekommen ist und wie er sich auch in den Monaten danach in den Forderungen im Libanon, Ägypten, dem Iran und anderen islamischen Kulturen gezeigt hat, bleibt das Thema Freiheit auf der ganzen Welt auf der Tagesordnung. Der grosse amerikanische Dichter T.S. Eliot hat einmal geschrieben, dass die schönste Zeile der ganzen menschlichen Dichtung am Ende der "Göttlichen Komödie" zu finden sei, wo Dante auf antikem Italienisch etwas schreibt, was wir zusammengefasst folgendermassen wiedergeben können: "In seinem Willen ruht unser Frieden." Auch im christlichen und im jüdischen Gedankengut gibt es Spannungen zwischen der Autorität Gottes und unserer menschlichen Freiheit, zwischen der Wahrheit und der Freiheit. Diese Schwierigkeiten zwingen uns dazu, unser Denken, unsere Unterscheidungskraft und sogar unsere Vorstellungskraft zu vergrössern, damit wir sogar Lösungen für scheinbar unlösbare Rätsel finden können. Wenn wir den zukünftigen allgemeine Dialog zwischen den Kulturen unter dem Vorzeichen eines ordnenden Wahrheitsideals führen, werden wir meiner Meinung nach viel von den anderen lernen können und ihnen einiges beibringen. Lesen Sie morgen den Dritten Teil: Sehnsucht nach Freiheit (Teil 3):Was genau ist der "Zusammenprall der Kulturen"? Wie kann er vermieden werden?
Sie glauben also, dass der Islam offen ist für Freiheit. Aber "Islam" selbst bedeutet ja "sich unterwerfen". Was macht Sie so sicher, dass muslimische Kulturen Freiheit wirklich fördern?
Über die verloren gegangene Sehnsucht nach Freiheit in Europa
Datum: 05.07.2005
Quelle: Zenit