Werteorientiert politisieren und «Ewigkeitswert» schaffen
Welche Werte zählen wirklich und wirken sich nachhaltig auf die Zukunft aus? Diese Frage stellen sich viele. Wie man die Entwicklung der Gesellschaft positiv mitprägen kann, zeigt der Wilener Gemeindeammann Kurt Enderli, der in der Schweiz als Vorreiter der werteorientierten Gemeindeentwicklung gilt. Im Januar setzte er zum nächsten Schritt an: In Wilen bei Wil wurde der «Werteorientierte Gemeindebarometer» lanciert, der politischen Gemeinden eine Hilfe sein soll, ihre Entwicklung nachhaltig und erfolgreich zu lenken. Beispielhaft soll die Entwicklung des Dorfleitbilds von Wilen erörtert werden, das gemeinsam mit beiden Kirchen, beiden Schulen und der Politischen Gemeinde erarbeitet wurde.
Mängel aufdecken
Die meisten Gemeinderatings beruhen primär auf wirtschaftlichen Indikatoren. Dabei gehe oft vergessen, «dass ein Dorf, eine Region oder eine Stadt primär Lebensräume sind, in denen Menschen mit unterschiedlichen Gesinnungen und aus verschiedenen Kulturen miteinander ein sinnvolles Zusammenleben gestalten wollen», sagt Hanspeter Schmutz, Geschäftsleiter des Instituts Insist und Initiator des werteorientierten Gemeindebarometers: «Der Barometer macht es Bürgerinnen und Bürgern sowie Mitgliedern von Exekutiven möglich, anhand von 97 Indikatoren zu prüfen, wie weit die politische Gemeinde werteorientiert unterwegs ist, wo allenfalls Mängel bestehen und wie diese behoben werden können. Zudem wird gezeigt, wie ein Dorf, eine Stadt oder eine Region in einem anderthalbjährigen Prozess werteorientiert ausgerichtet werden können.»
Die Indikatoren beruhen unter anderem auf Erfahrungen des oberösterreichischen Dorfes Steinbach an der Steyr und dem daraus entwickelten «Steinbacher Weg», der im deutschsprachigen Raum hunderte von Gemeinden inspiriert hat. Diese Erfahrungen wurden in sieben Prinzipien beziehungsweise Wertefeldern zusammengefasst und in Form des Gemeindebarometers auf Schweizer Verhältnisse übertragen.
«Nichts Endgültiges sein»
Interessant ist im Zusammenhang mit langfristiger Entwicklung auch die Interpretation von Kurt Enderli zur Jahreslosung 2013, die in Hebräer, Kapitel 13, Vers 14 steht: «Denn auf dieser Erde gibt es keine Stadt, in der wir für immer zu Hause sein können. Sehnsüchtig warten wir auf die Stadt, die im Himmel für uns erbaut ist.» Was bedeutet in diesem Hinblick sein Engagement für werteorientierte Gemeindeentwicklung? Kurt Enderli: «Wir werden alle mit Talenten geboren und an irgendeinen Platz gestellt. Es gilt, alle geschenkten Fähigkeiten zum Wohle anderer einzubringen, das heisst, die eigene Berufung zu finden. Wir haben uns die Frage zu stellen, wem oder was soll mein Leben dienen? Es geht um die menschliche Demut, um die Hingabe, sich für diese Welt in Anspruch nehmen zu lassen. Denn diese Welt ist um unserer Berufung willen als eine bedürftige Welt erschaffen. Es muss nicht alles hier geschehen, und es muss nicht alles zu Ende gebracht werden.»
Seine Hauptmotivation liege denn auch darin, den eigenen Lebensraum mitzugestalten und ihn für die kommenden Generationen «enkeltauglich» zu hinterlassen: «Wir müssen nichts Endgültiges sein wollen, denn wir sind es nicht. Das Leben ist in all seinen Vorläufigkeiten der Anfang der Vollkommenheit. Wir werden nach dem lebenslangen Sterben einst durch den Tod ins Leben hinein geboren. Uns ist das Leben für eine kurze Zeit geliehen. Im Sterben werden wir es zurückgeben, denn es hat uns nie gehört.»
Täglich herausgefordert
Als Gemeindeoberhaupt sei man besonders in der Pflicht: Er werde täglich herausgefordert, «andern und sich selbst zu vergeben, und bereit zu sein, in Angelegenheiten die auch meinen Stolz betreffen, zu verlieren». Es dürfe nie darum gehen, in diesem Amt Recht haben zu wollen. Er ist denn auch überzeugt, dass «gute Politik in einem Land nur möglich ist, wenn eine ausreichende Zahl von Menschen lebt, denen es um mehr geht, als um sich selbst. Wenn der Glaube das leistet, ist er im besten Sinn politisch und wird zu einer Gestaltungskraft dessen werden, was wir den kommenden Generationen vererben.»
Enderli vergleicht die Gemeinde mit einem Orchester und die politischen Arbeiten mit «einem Konzert, in dem wir mit andern Menschen und Gemeinschaften zusammenklingen». Es sei wie in einer Sinfonie: «Jeder hat seine Stimme, doch nur in der Einheit der Instrumente wird der Gedanke des Komponisten hörbar.»
Datum: 18.03.2013
Autor: Roman Salzmann
Quelle: Kirchenbote TG