Wir sitzen beim gediegenen Bankett und sprechen über Gott, die Welt und Ägypten. Wir das sind, fünf koptische Christen* – die meisten aus den USA – und drei Schweizer. Ein Zwischengang wird serviert und alle bis auf einen erhalten das Champagner-Sorbet. Der Übergangene guckt mehr grinsend als verdutzt in die Runde und fragt: «Why me?» («Warum ich?») Mein Nachbar zu meiner Rechten, selber ein Kopte, sagt: «Weil du ein Kopte bist!» Lautes Gelächter. Ein Witz, der es aber auf den Punkt bringt. Denn die Kopten werden benachteiligt. Zumindest wenn sie in Ägypten leben. Einst war Ägypten ein christliches Land. Doch gleich wie der Irak, Libanon oder Syrien, die einst ebenfalls Christlich waren, wurde Ägypten durch die muslimisch-arabischen Eroberungsfeldzüge überrollt. Aus der christlichen Mehrheit ist eine unterdrückte Minderheit geworden. Und dieser Prozess geht weiter. Anwar es-Sadat trieb diesen ebenso voran wie später Hosni Mubarak. Mein Tischnachbar zu meiner linken, Dr. Heinz Gstrein, erinnert sich. Er war damals NZZ-Korrespondent in Ägypten und als Sadat an die Macht kam, in einem Sportclub. Unter Sadat wurde die Schraube angezogen. «Weil ich Christ war, sollte ich nun plötzlich einen 20mal höheren Clubbeitrag bezahlen. So wollte man die Christen aus den Vereinen treiben.» Gstrein, der jüdische Wurzeln hat, wurde allerdings gleich gefeuert: «Frech wie ich bin, habe ich nämlich gefragt, ob Juden eine Vergünstigung kriegen. Da haben sie mich rausgeworfen.» Die Stimmung am Tisch ist gut und ich verrate, dass ich meinen Hochzeitsring in Kairo auf einem Bazar gekauft habe. Der meiner Frau stammt aus Israel was man als gute und interessante Kombination bezeichnet. Der Inhalt der Konferenz selber regt weniger zur Heiterkeit an. Immer wieder werden Christen in Ägypten ermordet. Ihr Verbrechen: Sie sind Christen. Junge Christinnen werden vergewaltigt – die Polizei sieht weg. Die Rechte der christlichen Minderheit (rund 20 Prozent) werden massiv verletzt. Die Kopten dürfen ihre Kirchen nicht einmal renovieren, bezahlen aber mit ihren Steuergeldern den Bau neuer Moscheen. Sie stellen weder Ministerpräsidenten, Universitätspräsidenten noch Führungskräfte der Polizei oder Generäle in der Armee. Nur 2,25 Prozent der Kabinettpräsidenten und 0,4 Prozent der Botschafter sind Kopten. Die ägyptischen Christen werden in ihrem eigenen Land diskriminiert und sie sind Bürger zweiter Klasse. Doch jetzt rückt die weltweite Koptengemeinde zusammen. In Zürich beschloss man künftig gemeinsam vorzugehen. Als zum Beispiel bei einem Massaker 22 Kopten umgebracht wurden, demonstrierte man überall. «Es waren einzelne, kleine Streiks», sagt Emmanuel Bickit, Assistent des Tagungsvorsitzenden. «Diese Streiks wurden nicht so gewichtet, wie sie sollten. Künftig wollen wir weltweit zusammen unsere Stimme erheben!» Das soll mehr Gewicht verleihen. Die Tagung in Zürich sei ein Meilenstein. Die rund 80 Teilnehmern kamen aus den USA, Ägypten, Australien, England, Frankreich und der Schweiz. Ach ja, mein Tischgenosse hat sein Champagnersorbet dann doch noch bekommen. Ganz so schnell geht es mit den Rechten in Ägypten nicht. Die Christen sind dort unterklassige Menschen deren Rechte mit Füssen getreten werden. * Koptisch heisst nichts anderes als Ägyptisch. Da sich aber die Muslime als Araber bezeichnen, versteht man weltweit unter dem Begriff «Kopten» ägyptische Christen. Ganz gleich ob diese zu den rund 12,5 Millionen in Ägypten oder den rund 1,5 Millionen in der Diaspora zählen. Artikel zum Thema:
«Da haben sie mich rausgeworfen!»
Bürger zweiter Klasse
Das Sorbet kommt, aber noch keine Rechte
„Was für Ägyptens Kopten gut ist, ist für alle Ägypter gut“
Datum: 29.09.2004
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch