Weltweiter Wirbel um Mohammed-Karikaturen
Um ein Kinderbuch, das noch gar nicht erschienen ist. Denn der Verfasser, der Däne Kar Bluitgen, hat immer noch keinen Illustrator dafür gefunden. «Der Koran und das Leben des Propheten Mohammed» soll es heissen. Die grösste Tageszeitung des Landes, «Jyllands-Posten», lud also verschiedene Karikaturisten dazu ein, ihre Ideen zu Papier zu bringen. Sie sollten Mohammed so zeichnen, wie sie selber ihn sähen. Heraus kamen 12 anonyme Zeichnungen, die das Blatt Ende September veröffentlichte. Im Lauf des Dezember 2005 löste das noch nie dagewesene Proteststürme aus der moslemischen Welt aus.
Verbreitete westliche Selbstzensur
Denn nach islamischem Verständnis ist es streng verboten, Allah oder Mohammed, der als sein Prophet gilt, in irgendeiner Form abzubilden. Den Herausgebern von «Jyllands-Posten» war das klar. Sie brachten sie trotzdem und erst recht, und zwar nicht nur zur Unterstützung von Bluitgen, sondern vor allem als Protest gegen eine wachsende Selbstzensur der westlichen Presse bei islamischen Themen. Noch Anfang Januar lehnte die Redaktion darum auch eine Entschuldigung ab. Man wollte mit der Veröffentlichung nicht bewusst provozieren, sondern „die Pressefreiheit angesichts der Einschüchterungen durch radikale Islamisten verteidigen“.
Den Reaktionen nach zu urteilen, sind diese „radikalen Islamisten“auf allen Ebenen vertreten. Gegen 80.000 Frauen demostrierten allein im kleinen Jemen und verbrannten dabei dänische Flaggen, während vor der EU-Vertretung in Gaza-Stadt bewaffnete Terroristen in die Luft schossen und erklärten: „Jeder Norweger, Däne oder Franzose, der sich auf unserem Gebiet befindet, ist unser Ziel.“ Im Internet wird bereits zum Mord an dänischen Journalisten aufgerufen, und am Dienstag mussten mehrere Büros von «Jyllands-Posten» wegen Bombendrohungen geräumt werden.
Kampf um die Pressefreiheit
Auf politischer Ebene verlangten Vertreter islamischer Länder eine offizielle Entschuldigung der dänischen Regierung. Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen hatte die Zeichnungen zunächst als Ausdruck der für eine Demokratie lebenswichtigen Pressefreiheit verteidigt. Inzwischen distanziert er sich persönlich davon, beharrt jedoch weiterhin auf der selbständigen Presse.
17 arabische Länder fordern dennoch eine Bestrafung der Verantwortlichen, weil jene Bilder „die Religion des Islam und ihres hochgelobten Propheten beleidigt“ hätten, wie die Innenminister der Arabischen Liga in Tunis erklärten. Ende Dezember bekamen sie Unterstützung von den 22 Aussenministern der Arabischen Liga. Nach Boykottaufrufen gegen dänische Produkte hat sich inzwischen die EU-Kommission eingeschaltet und mit der Anrufung der WTO gedroht, weil so ein Boykott als Aktion gegen die gesamte Europäische Gemeinschaft verstanden würde.
Verschiedene Arten von Entschlossenheit
Aus den gleichen Gründen wie «Jyllands-Posten» druckte die norwegische Zeichnungen «Magazinet» die Zeichnungen am 10. Januar nach; in Frankreich und Deutschland entschlossen sich Anfang dieser Woche «France Soir», «Die Welt» und die «Berliner Zeitung» zu ähnlichen Schritten. „Wir werden uns niemals dafür entschuldigen, frei zu sprechen, zu denken und zu glauben“, war im «France Soir» zu lesen. Stattdessen sei hier Entschlossenheit nötig. Die erfuhr Chefredaktor Jacques Lefranc umgehend von seinem aus Ägypten stammenden Chef Raymond Lakah: Er erhielt die Kündigung.
Anfang dieser Woche meldete sich nun der dänische Chefredaktor Carsten Juste wieder zu Wort und erklärt angesichts der Protestlawine den Kampf um die Meinungsfreiheit für verloren. „Ich muss zutiefst beschämt zugeben, dass die anderen gewonnen haben“, gestand er, begleitet von einer entsprechenden Karikatur, und sieht zugleich die befürchtete Selbstzensur der dänischen Presse in Aktion.
Dem Druck standhalten
Während also einige arabische Regierungen sogar eine „unmissverständliche“ Entschuldigung durch die dänische Königin persönlich fordern, zeigen sich andere wohl nicht zu Unrecht „sehr beunruhigt“ über derartige Reaktionen. Für die Organisation «Reporter ohne Grenzen» (RSF) lassen sie Rückschlüsse zu auf die Presse- und Meinungsfreiheit in den betreffenden Ländern, wie der Leiter von RSF, Robert Ménard, meinte. Der Deutsche Journalistenverband distanzierte sich zunächst von den Nachdrucken in anderen Medien, weil sie religiöses Empfinden verletzen könnten. In einer Pressemitteilung betrachtet er das aber inzwischen als einen „notwendigen Beitrag zur Meinungsbildung“.
Der Chefredaktor der «Welt», die die Karikaturen nachgedruckt hat und im Internet zeigt, Roger Köppel, betrachtet das Ganze als einen „politischen Vorgang“. Humor und Satire sind ihm „ein Beleg für gesunde Instinkte der Respektlosigkeit. Man würde die moslemischen Proteste ernster nehmen, wenn sie weniger heuchlerisch ausfielen. Als das syrische Fernsehen zur Hauptsendezeit Doku-Dramen mit jüdischen Rabbis als Kannibalen zeigte, schwiegen die Imame.“
Auch der «Spiegel» will sich noch des Themas annehmen und die Karikaturen veröffentlichen. „Und wir drucken sie auch, weil es zur Pressefreiheit gehört, sich dem Druck radikaler Moslems nicht zu beugen.“ Eine ähnliche Haltung vertritt der deutsche Bundestagsabgeordnete Volker Beck von den «Grünen»: „Wer wegen einer unangemessenen Mohammed-Karikatur mit Bombe im Turban mit Bombendrohung reagiert, gibt denen Recht, die dieses Bild für eine Beschreibung des Islam halten.“
In Dänemark selber scheint die Situation völlig offen zu sein. Einerseits schlagen dänische Moslems vor, die Regierung solle als Zeichen der Versöhnung eine Moschee bauen lassen. Andererseits muss sich die Polizei auf gewalttätige Anschläge vorbereiten. „Wir machen alles, um eine diplomatische Lösung zu finden, wir sehen uns jedoch mit unkontrollierbaren Kräften konfrontiert“, gesteht Ministerpräsident Rasmussen.
Offene Fragen
Zwei schwedische Bischöfe bemerken unterdessen, mit der Verbrennung der dänischen Flagge sei auch ein christliches Symbol, das Kreuz, geschändet worden. Die schwedische Tageszeitung «Svenska Dagbladet» stellt fest: „Man sollte sich nur einmal vorstellen, dass diese Länder genauso viel Energie aufbringen würden, um diejenigen zu bekämpfen, die Israel auslöschen wollen.“
Der Direktor der Hamburger Orient-Instituts, Udo Steinbach, geht davon aus, dass solche Konflikte wegen moslemischer Einwanderung im Westen und der allgemeinen Globalisierung künftig zunehmen.
Weiterführende Links:
Ein Kommentar im «Daily Star Beirut»
Einige der umstrittenen Karikaturen
Kommentar
„Lästerungen“ und Lästerzungen – Fragezeichen zum Streit
Von Dr. Heinz Gstrein, Orientalist und Nahost-Korrespondent
Die Empörung von Moslems in aller Welt über die Mohammed-Karrikaturen einer dänischen Zeitung greift weiter um sich, trotz Beschwichtigungsversuchen aus Kopenhagen und Aarhus, wo die Bilder mit einem als Terrorist verzeichneten Propheten des Islam erschienen waren. Der islamische Jahreswechsel mit dem jetzt beginnende „heiligen“ Monat Muharram, der eine Zeit religiöser Erregung zu sein pflegt, dürfte den Konflikt weiter anheizen.
Von der Sache her ist es durchaus legitim, in Mohammed den geistigenVater islamistischer Terroristen und Selbstmordattentäter zu sehen. Hat er doch selbst das Beispiel zu Krieg und Gewalt gegeben und jenen den siebten Himmel versprochen, die im Kampf für ein Weltreich des Islams ihr Leben hingeben. Auch von ihrer Darstellung her sind die dänischen Karikaturen harmloser als jene Bilder, die etwa aus Österreich ein Gerhard Haderer von „Jesus und seinen Haberern“ gezeichnet hat.
Die Moslems waren aber schon immer für „Lästerungen“ ihres Propheten besonders allergisch. Dazu genügt, das Thema von Mohammeds Frauen, unter ihnen ein neunjähriges Mädchen, sachlich anzupacken. Besonders im islamischen Herrschaftsbereich war und ist der Lästerungsvorwurf ein beliebiger Vorwand, um Übergriffe gegen die christlichen und jüdischen Bürger zweiter Klasse zu rechtfertigen. Schon Ende des 18. Jahrhunderts hatten die mit ihren Zungen an eine Synagogentür genagelten „Läster-Juden“ von Tripolis die erste amerikanische Militäraktion im heutigen Libyen provoziert.
Wenn wir jetzt den akuten Lästerungsvorwürfen der Moslems mit serviler Unterwürfigkeit begegnen, unterscheiden wir uns kaum von den dem Islam bereits Unterworfenen und führen selbst die Politologen-Vision von einem den islamischen Mächten hörigen „Eurabia“ mit herauf.
Der Islam selbst hat sich lang durch grosse Ehrfurcht vor den anderen Religionsstiftern ausgezeichnet, er hat Jesus und Moses mit als Propheten verehrt. Der heutige Polit-Islamismus stellt das alles jedoch in Frage: Moscheeprediger erklären die Geburt von Christus als Folge von Spermaresten in durch Maria versehentlich getragenen Männerunterhosen, und der iranische Präsident Ahmadinejad stellt die Leiden der Juden unter dem Holocaust zynisch in Abrede. Wer lästert da heute wen?
Quellen: Welt.de/Kipa/RNA/dpa/Netzzeitung/ap
Datum: 03.02.2006