Türkei

Kampf ums Kloster Mor Gabriel

Assyrische Christen kämpfen im Südosten der Türkei um die Existenz ihres Klosters Mor Gabriel. Mit Klagen setzen Behörden und kurdische Nachbarn die christliche Minderheit massiv unter Druck. Das Kreisgericht, dem drei Klagen vorliegen, hat sich nach Verhandlungen am 10. und 11. November 2009 in Ankara vertagt, ohne einen weiteren Termin anzusetzen.
Kloster Mor Gabriel

Die syrisch-orthodoxen Christen im Grenzgebiet zu Syrien und der Türkei kämpfen seit 2008 um den Erhalt ihres Klosters Mor (Sankt) Gabriel. Das Kloster um seinen Erzbischof Mor Timotheus Samuel Aktas hat eine Reihe Prozesse hinter sich gebracht.

Drohende Enteignung

Der Staat beansprucht 12 Hektar unbebautes Kulturland innerhalb und ausserhalb der Klostermauer. Nach einem türkischen Gesetz fällt unbebautes Land an den Staat. «Mönche brauchen ihre Zellen zum Beten und nicht mehr», so der Bürgermeister von Yayvantepe. Gegen Enteignungs-Urteil des Kreisgerichts hat das Kloster in Ankara Berufung eingelegt. Es wurde im 4. Jahrhundert erbaut. Grundbucheinträge aus osmanischer Zeit bezeugen den Grundbesitz.

Umfassungsmauer gegen das Vieh

Hängig ist vor dem Kreisgericht in Midyat der Streit um die Rechtmässigkeit der Umfassungsmauer. Sie war so niedrig, dass die Bauern der Umgebung ihr Vieh auf die Kulturen innerhalb der Mauer trieben. Daraufhin liess der Abt eine neue, höhere Mauer errichten. Die örtlichen Behörden verlangen, dass diese Mauer wieder eingerissen wird, da sie illegal sei und auf staatlichem Boden verlaufe.

Der Vorsitzende der Klosterstiftung Mor Gabriel, Kuryakos Ergün, kritisierte in einem Interview die Fehler, die im Grundbuchamt gemacht worden waren. Die Unklarheiten hätten zum dem Streit geführt. Eine weitere Klage wurde vom Gericht abgewiesen; die Kläger ziehen sie ans Oberste Gericht in der Hauptstadt Ankara weiter.

Zentrum einer bedrängten Minderheit

Das Kloster beherbergt ein Internat für etwa christliche 40 Knaben, die in der benachbarten Kreisstadt Midyat die Mittelschule besuchen. Zudem versorgt sich die Klostergemeinschaft selber. Jährlich besuchen 150‘000-200‘000 Touristen aus dem In und Ausland das Kloster, den Touristenmagnet der Region Tur Abdin.

Waldbrände

Laut Ergün sind assyrische Dörfer in den benachbarten Izlo-Bergen seit zehn Jahren von Waldbränden betroffen. „Unsere Leute haben dort Weinberge, Ackerböden und Anbaugebiete. Es ist ein sehr fruchtbarer Boden. Die Brände vernichten die Ernten. Dadurch wird es immer schwieriger, dort zu leben, und die Menschen bekommen Angst, auch Ausgewanderte, die zurückkehren möchten. Sobald die Leute sehen würden, dass dort Frieden herrscht, wäre das Verlangen noch stärker, in die Heimat zurückzukehren, um ihre uralte Kultur zu pflegen.

Ermüdungstaktik

Ergün wies im Gespräch auch auf die hohen Kosten der Prozesse hin. Das Kloster sei nicht reich; es lebe ausschliesslich von Spenden. Die Klosterleitung bittet die Christen im Westen, sie im Kampf zu unterstützen und an die türkische Regierung zu schreiben - «damit sie uns unser Kloster nicht enteignen».

Ureinwohner des Nahen Ostens

Das Kloster Mor Gabriel liegt auf einem Hochplateau aus Kalkstein, das sich von Mardin aus in Richtung Osten bis tief ins Tigris-Tal erstreckt und den Christen des Orients als «Berg der Knechte Gottes» (Tur Abdin) bekannt ist. Das Kloster wurde nach der Überlieferung 397 gegründet, als im oberen Mesopotamien die Kultur der Assyrer, der syrisch-orthodoxen Christen, eine Blüte erlebte. Damals entstanden hier Dutzende von berühmten Klöstern mit Tausenden von Mönchen und Einsiedlern.

Mor Gabriel ist einer der wenigen Zeugen dieser Hochkultur. Das aus dem charakteristisch beigen Kalkstein der Region gebaute Kloster ist zudem das geistige Zentrum der syrisch-orthodoxen Christen Mesopotamiens und der Diaspora. In ihren Augen ist es in Gefahr, das gleiche Schicksal zu erleiden wie viele andere christliche Stätten vor ihm. Die Hauptkirche der byzantinischen Kaiser, die Hagia Sofia, dient heute als Moschee-Museum.

Ankara blickt nach Osten

Die islamische türkische Regierung hat in den letzten Monaten ihre Beziehungen zum Iran und zu Syrien intensiver gestaltet. Der anhaltende Widerstand in der EU gegen den Beitritt des Landes bestärkt Türken darin, sich vermehrt nach Osten zu öffnen. Militärübungen mit dem Nachbarstaat Syrien im syrisch-türkischen Grenzgebiet alarmieren die kleine und bedrängte christliche Minderheit zusätzlich. Wie andere Christen im Nahen Osten sind die Assyrer befremdet über das Kruzifix-Verbot für italienische Schulzimmer, das in Strassburg durch einen türkischen Richter gefällt wurde.

Schreiben Sie an die Botschaft der Republik Türkei in Bern: tcbern@tr-botschaft.ch

Link zum Thema:
Kurzfilm «Wie tolerant ist der Islam? Angriff auf das Kloster Mor Gabriel»

Datum: 19.11.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Werbung
Livenet Service
Werbung