Neuland entdecken und den Beginn des Pensionsalters feiern
Funkelnd fliesst Sekt oder Rimuss in hohe Gläser – Frauen und Männer rund um den Eintritt ins Pensionsalter stossen miteinander an. Sie haben bereits oder werden bald Neuland betreten, wurden zum gleichnamigen Anlass eingeladen. Der Übertritt ins Pensionsalter soll heute Abend gefeiert werden.
Pfarrer Benjamin Wildberger begrüsst bekannte und unbekannte Gesichter, lädt dann ein, im grossen Saal des Kirchgemeindehauses Platz zu nehmen. Ein Dutzend Tische sind mit herbstlichen Farben gedeckt und festlich geschmückt. Entertainer Frank Tender eröffnet das Fest musikalisch. Er gehört mit seiner Frau Elisabeth zur hiesigen Kirchgemeinde, sie haben sich jahrelang beim Impuls-Gottesdienst engagiert, einem Angebot für kirchenferne Gäste. Heute umrahmt er den Anlass gekonnt mit seinen Songs. Sein warmer Tenor und die rassigen Rhythmen holen das Publikum schnell ab. Später werden sie mitsingen, mit den Fingern schnippen, einzelne sogar das Tanzbein schwingen. Alles ist erwünscht. Mit einigen Liedern weist Tender auch auf den hin, der da ist und bleibt – auch in einem neuen Lebensabschnitt.
Kirchliches Engagement wird geschätzt
Ivo Hasler, Mitglied des Stadtrats, begrüsst die Gäste. Er führt aus, welche Angebote für ältere Einwohner in Dübendorf schon zur Verfügung stehen, was noch geplant sei. Das Engagement der Kirche werde von den Behörden sehr geschätzt – der Staat könne nicht alles abdecken, was die Gesellschaft brauche. Auch wer treu über Jahre Kirchensteuer bezahlt habe, trüge zu diesem Engagement bei, hält Pfarrer Wildberger später im persönlichen Gespräch fest. Ohne Geld könnten viele Angebote nicht stattfinden. Die Kirchen seien dankbar dafür. «Den Begriff Neuland haben wir gewählt, weil man nicht genau weiss, was einen erwartet: Ist es das 'gelobte Land' oder sind es die 'Riesen'?» Es bringe jedenfalls Herausforderungen mit sich. Tagesstrukturen und Beziehungen müssten neu definiert werden, Freizeit und Sinnfrage geklärt. «Gleichzeitig haben Pensionierte ein grosses Know-How, das arbeitstechnisch nicht mehr gefragt, aber gesellschaftlich interessant ist.»
«Ich will nur da sitzen»
Zwei Laienschauspieler tragen Loriots «Feierabend» und «Das Frühstücksei» vor. Auch wenn die Stücke alt sind – das Thema ist aktuell. Ein Senior will nur auf dem Sofa sitzen. Nichts tun, nichts denken. Seine Frau kann das nicht ertragen und macht Vorschläge ohne Ende, was er jetzt unternehmen könnte… Und sie hat es im Gefühl, wie lange ein weiches Ei gekocht werden muss. Er braucht beinahe einen Hammer, um es zu knacken. Die Episoden verbreiten grosse Heiterkeit.
Im hinteren Teil des Saals kann man ins Angebot der Gemeinde Einblick nehmen. So stellen Mitarbeiterinnen des Claro-Ladens Produkte vor und verteilen Kaffee-Gutscheine. Zum Käfele, Einkaufen von fair produzierten Produkten oder zum Mithelfen sei man immer willkommen. Ein Flyer weist auf die Mahnwache für verfolgte Christen hin, die von CSI (Christian Solidarity International) am 10. Dezember in der ganzen Schweiz durchgeführt wird. Ein anderer lädt zum Männerforum ein – eine Plattform für Gespräche über persönliche, soziale, kulturelle, spirituelle oder theologische Themen. So wurde kürzlich Peter Widmer von Heartwings eingeladen. Zusammen mit seiner Frau Dorothee und einem Team besucht er Prostituierte im Rotlichtviertel Zürichs, bietet Gespräch und Gebet an. Und sie helfen beim Ausstieg, wenn eine der Frauen das möchte.
Subito
Den Mittagstisch Subito gibt es seit über 30 Jahren. Damals wurde in Zürich der Drogenumschlag auf dem Platzspitz geräumt. Nun mussten alle Gemeinden ihre suchtkranken Bürger selbst betreuen. Zwei Kirchenmitglieder regten an, einen Mittagstisch zu eröffnen, wo diese eine warme Mahlzeit und einen Platz zum Sein finden könnten. Seither kochen Freiwillige aus der Umgebung fünfmal pro Woche. Sie ermöglichen einsamen oder Menschen mit schmalem Budget, in Gemeinschaft zu essen.
Pfarrerin Catherine McMillan nimmt heute als Gast am Anlass teil. Sie wird bald pensioniert und zieht dann weg. Doch als ein Ehepaar keinen Platz mehr findet, bieten ihr Mann und sie die eigenen an und holen zusätzliche Stühle an den Tisch. Sie und zwei ihrer Pfarrkollegen sitzen mit den Gästen zusammen, sowohl als Privatperson wie auch als Seelsorger. Man lernt sich kennen und sucht einen der drei vielleicht dann auf, wenn der Schuh drückt… Auf einer Karte kann man gleich melden, wenn man ein Gespräch wünscht.
Mit einem irischen Segen verabschiedet Benjamin Wildberger die Gäste. Sie haben einen fröhlichen Abend genossen und vielleicht Gefallen gefunden am einen oder anderen Angebot der Kirche. Zum Teilnehmen oder Mithelfen – beides freut das Pfarrteam.
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Autor:
Mirjam Fisch-Köhler
Quelle:
Livenet