«Massgeschneidert, flexibel, modular»
Die Liberalisierung der Bildung und der freie Markt haben auch die theologischen Ausbildungsgänge verändert. Traditionelle Bildungsinstitutionen haben ihre oft geschützte und privilegierte Position verloren. Neue Anbieter drängen konsequent ins Bildungsgeschehen, die Angebote müssen sich durchsetzen.
Vom Wissen zur Kompetenz
Für den Theologen und Ausbildner Bernhard Ott ist klar: «Der Weg geht von der Wissensvermittlung hin zum Kompetenzerwerb. Ein Paradigmenwechsel vom Lehren zum Lernen findet statt.» Der Einzelne will selbst «Schöpfer seiner Bildungsbiographie sein und bezieht Bildungsleistungen nach Bedarf und Wunsch bei den Anbietern, die ihm passen. Normbiographien sind auch in der Bildung seltener geworden.»
Dabei stelle sich die kritische Frage, wie viele Angebote gleichzeitig am Markt bestehen können. Laut Ott steigt die Bedeutung von Zertifikaten und Diplomen. Die Absolventen brauchen «Zählbares im Bildungsportfolio». Daneben beobachtet Ott einen Trend zu Qualitätsmanagement, Zertifizierung und Akkreditierung. «Der Kunde will wissen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt...». Diese und andere Trends prägen auch die Entwicklungen im Bereich biblisch-theologischer Bildung.
Eine Zukunft für die traditionellen Anbieter?
Ob «traditionelle Anbieter» bestehen können, hängt laut Ott davon ab, wie sie sich in diesem Umfeld bewegen. «Das heisst nicht, dass sie alles kritiklos mitmachen müssen. Aber sie müssen lernen, sich mit Identität und Gewissheit in diesem Umfeld zu bewegen.» Die Bildungsinstitutionen könnten sich nicht mehr automatisch «auf ihr traditionelles Hinterland für die kontinuierliche Zulieferung von Studierenden verlassen». Auch theologische Bildungseinrichtungen müssten sich heute am Markt bewähren, ob sie das gut finden oder nicht.
Studierende sind im Durchschnitt älter
Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Studierende heute durchschnittlich älter sind als noch vor 20 Jahren. Viele sind bereits berufstätig und etliche haben bereits eine Familie. Zudem seien viele bereits im Gemeindedienst tätig. Gefragt sind laut Ott daher Bildungsangebote im Format flexibler Erwachsenenbildung. Für eine zunehmende Zahl von Studierenden seien Erreichbarkeit und Finanzierbarkeit wichtige Entscheidungsfaktoren. Denn flexible teilzeitliche Studiengänge können meistens auch aus der Distanz belegt werden und das Teilzeitstudium erlebt gleichzeitig eine Erwerbstätigkeit.
«In control»
Ott beobachtet eine weitere Entwicklung: «Heute will der Student 'in control' seiner Bildung bleiben und Bildungsleistungen modular beziehen, wann, wo und wie er will.» Viele klassische Bibelschulen und Seminare hätten diesen Paradigmenwechsel nicht vollzogen – vielleicht auch, weil sie ihn aus Überzeugung nicht vollziehen wollen. Doch das habe seinen Preis.
Dr. Bernhard Ott (61) ist Dekan der European School for Culture and Theologie an der Akademie für Weltmission in Korntal/Stuttgart in Verbindung mit Columbia International University, Dozent am Theologischen Seminar Bienenberg, Accreditation Director der European Evangelical Accrediting Association und Präsident des Bundes der Evangelischen Täufergemeinden.
Das vollständige Interview finden Sie im idea Spektrum Schweiz.
Datum: 26.08.2013
Autor: Fritz Imhof
Quelle: ideaSpektrum Schweiz