Computerspiel "Counter-Strike" kommt nicht auf den Index

Ausschnitt aus »Counter-Strike«

Langen. Vivendi Universal Interactive will in Deutschland künftig keine US-Versionen von so genannten Gewaltspielen auf den Markt bringen. Das teilte der französische Konzern mit. Damit wolle man die aktuelle Diskussion über Gewalt in Computerspielen "in konstruktive Bahnen lenken." Das Unternehmen will sich auf die Entwicklung konsensfähiger Spiele für den deutschen Markt konzentrieren.

Gleichzeitig verteidigt Vivendi den Ego-Shooter "Half-Life: Counterstrike", der ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war. Die derzeitige Debatte werde nicht sachlich geführt. Vivendi Deutschland lege aber grossen Wert auf eine offene Diskussion und die Entwicklung eines gesellschaftlichen Konsens für derartige Produkte, so Stefan Nussbaum, Geschäftsführer von Vivendi Universal Interactive Publishing Deutschland. In diesem Zusammenhang werde auch der Vorschlag unterstützt, Spiele dem bei Filmen bewährten System einer differenzierten Altersfreigabe zu unterstellen.

Nussbaum stellte den Sinn einer Indizierung des Ego-Shooters "Half-Life: Counterstrike" in Frage. Das Spiel habe allein im deutschsprachigen Raum hunderttausende Fans, die in sogenannten Clans online gegeneinander antreten. Die Half-Life-Community reiche "vom 19-jährigen Studenten bis hin zum Rechtsanwalt." Es sei unfair diese Menschen als "gewaltbereite Psychopathen" und "potenzielle Mörder" hinzustellen. Diese Spieler seien ganz normale Erwachsene, die das Spiel als technische Herausforerung in einer rein virtuellen Welt im Sinne von E-Sport ansehen. Die öffentliche Darstellung, in dem Spiel müsse auf "alles geschossen werden, was sich bewegt", sei zudem falsch. In dem Spiel kommen auch keine Schulmädchen oder Passanten vor, erläutert Nussbaum weiter.

Das Computerspiel »Counter-Strike« kommt nicht auf den Index. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in Bonn lehnte nach mehrstündigen Beratungen einen Antrag der Stadt Bochum ab, das Spiel auf die Liste der jugendgefährdenden Schriften zu setzen. Die Präsidentin der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding, erklärte, das Spiel sei zwar für Kinder und jüngere Jugendliche nicht geeignet, insgesamt aber nicht so brutal, dass es auf den Index gesetzt werden müsste. »Counter-Strike« gehört zur Gruppe der so genannten Ego-Shooter: Der Spieler sieht die Welt über den Lauf einer Waffe und agiert als Schütze, der vor allem schnell reagieren muss. Er muss schiessen, bevor es der um die Ecke eines Gangs oder aus einem Versteck auftauchende Gegner tut.

Ein besonderer Reiz von »Counter-Strike« ist die Möglichkeit, über das Internet oder bei einer LAN-Party im lokalen Computernetzwerk in einer virtuellen Welt in »Clans« genannten Teams gegen andere menschliche Spieler anzutreten. Nach Schätzung des Teamcaptains der deutschen »Counter-Strike«-Mannschaft bei der Ende April begonnenen zweiten Europameisterschaft, des 24-jährigen Bremers Rami Allouni, gibt es in Deutschland etwa 500000»Counter-Strike«-Spieler. Bekannt wurde das Spiel nach dem Amoklauf von Erfurt, weil der Täter nach Medienberichten ein »Counter-Strike«-Spieler gewesen sein soll. Der Indizierungsantrag aus Bochum datiert allerdings weit vor der Bluttat von Erfurt.

Monssen-Engberding erläuterte, nach mehrheitlicher Entscheidung des zwölfköpfigen Beschlussgremiums habe »Counter-Strike« zwar Elemente, auf Grund derer eine Indizierung hätte ausgesprochen werden können. Es sei ein wesentlicher Bestandteil des Spiels, virtuelle menschliche Gegner zu töten. Allerdings seien die blutigen Szenen zwar vorhanden, aber sei auf die Effekthascherei verzichtet worden, die es bei ähnlichen Spielen gebe, die in der Vergangenheit auf den Index gesetzt wurden. Ausserdem gebe es in dem Spiel keinen Ton und deshalb auch keine Schreie. Schliesslich sei das Töten nicht der Hauptinhalt, sondern es gehe auch um strategische Gesichtspunkte und die Kommunikation der in Teams antretenden Spieler.

Das Spiel gehöre nicht in die Hände von Kindern und jüngeren Jugendlichen, betonte Monssen-Engberding. Bei Jugendlichen über 16 und jungen Erwachsenen, die hauptsächlich bei den LAN-Partys antreten, sollte angenommen werden, dass sie bereits über ein gefestigteres Normen- und Wertesystem verfügten und sehr wohl zwischen Realität und Spiel zu differenzieren wüssten. Die Präsidentin bedauerte allerdings, dass das Jugendschutzgesetz keine Handhabe gebe, Altersgrenzen für den Zugang zu den LAN-Partys festzuschreiben. Die freiwilligen Einstufungen »über 16« oder »über 18« der Softwareindustrie seien unverbindlich und gäben den Ordnungsämtern keine rechtliche Handhabe.

Zwei Vertreter von »Counter-Strike«-Spielern, die mit einer Unterschriftenaktion im Internet gegen eine Indizierung Front gemacht hatten, zeigten sich nach der Entscheidung »überrascht und glücklich«. Sie hatten - ein Novum bei der Bundesprüfstelle - vor dem Beschlussgremium für ihren Standpunkt plädieren dürfen. Monssen-Engberding nannte ihre Ausführungen interessant und »den Beleg in gewisser Weise der Sportlichkeit« der »Counter-Strike«-Anhänger.

Nussbaum verweist auf eine kürzlich veröffentlichte Studie der Kölner Fachhochschule für Sozialpädagogik , die keinen ursächlichen Zusammenhang von Comuterspielen und Gewaltausbrüchen sieht. Auf Unverständnis bei den Spielern von "Half-Life" stösst laut Nussbaum vor allem, weshalb bei der heutigen Bilderflut realer Gewalt in den Medien ausgerechnet ein Spiel mit einer ausgeprägten und friedlichen Community angeprangert wird.

Datum: 20.05.2002

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