Die Kantone seien zwar seit der Einführung der Fristenregelung dazu verpflichtet, Statistiken zu führen, eine gesamtschweizerische und einheitliche Erhebung fehle allerdings noch, wie Pia Tschannen vom Bundesamt für Gesundheitswesen der Zeitung sagte. Eine nationale statistische Erfassung von Schwangerschaftsabbrüchen sei aber in Diskussion, und Vorarbeiten dazu bereits geleistet. Die Schweizerische Vereinigung für Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (SVSS) hat auf den ersten Jahrestag der Inkraftsetzung der Fristenregelung die Zahlen der Kantone (mit Ausnahme des Kantons Thurgau) zusammengetragen und kommt dabei zum Schluss, dass die neue Regelung in den ersten drei Monaten ihrer Geltungsdauer zu keiner Zunahme der Schwangerschaftsabbrüche geführt habe. Die SVSS räumt allerdings ein, dass eine definitive Aussage über die Auswirkungen der Fristenregelung erst in einigen Jahren möglich sein werde. Für das Jahr 2002 beträgt die geschätzte Gesamtzahl der Schwangerschaftsabbrüche in der Schweiz gemäss den Zahlen der SVSS 11 500. Im internationalen Vergleich, schreibt die SVSS, sei die Abtreibungsrate in der Schweiz mit 7,5 Fällen auf 1000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren sehr niedrig. Beim Verein „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind“ (SHMK), welcher im Vorfeld der Abstimmung vom Juni 2002 an vorderster Front gegen die Fristenregelung gekämpft und mit einer eigenen restriktiven Initiative „Für Mutter und Kind“ Abtreibungen grundsätzlich verbieten wollte, gibt man sich nicht erstaunt über die Zahlen der SVSS. Die „Schweizerische Hilfe für Mutter und Kind“ habe nie behauptet, dass die Fristenregelung zu einer Explosion der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche führen würde, sagte Sprecher Christoph Keel gegenüber der NZZ. Die SHMK halte die Fristenregelung aber für einen von mehreren wesentlichen Faktoren, welcher längerfristig eine Zunahme der Abbrüche bewirke. Die Hände in den Schoss legen will der Verein SHMK denn auch nicht. Man habe sich nach der Annahme der Fristenregelung vorgenommen, dass die Frage über den Schwangerschaftsabbruch in diesem Jahrzehnt dem Souverän noch einmal gestellt werde, sagt Keel. Ein konkreteres Vorhaben der SHMK betrifft die anonyme Geburt, die in Zusammenhang mit dem umstrittenen „Babyfenster“ steht. Sie könnte Gegenstand einer schon vor längerem angekündigten neuen Initiative der SHMK sein.
Datum: 06.10.2003
Autor: Fritz Imhof
Am 1. Oktober ist die Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch seit einem Jahr in Kraft. Für die NZZ Anlass genug, der Frage nachzugehen, wie sich die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche unter dem neuen Regime entwickelt hat. Eine Antwort darauf zu finden, sei aber nicht ganz einfach.