Am Mittelmeer viel Neues
Weitreichende Forderungen werden in diesen Wochen auch in Staaten erhoben, deren Herrscher sich ausdrücklich auf den Islam stützen. In Saudi-Arabien, vom Fürsten-Clan wie ein Familienbesitz verwaltet, verlangen Reformer bürgerliche Freiheiten (für die Frauen) und demokratische Mitwirkung. Der König von Marokko, der sich «Anführer der Gläubigen» nennt, kündigt eine Verfassungsrevision an – auf seine Stellung über Verfassung und Gesetz will er nicht verzichten.
Im Norden ist es besser
Faszinierend ist diese Entwicklung vor dem Hintergrund der langen Geschichte, welche die christlich-abendländische Welt und der von der arabischen Religion geprägte orientalische Raum gemeinsam haben. Der Unmut gerade junger Araber über den Stillstand ihrer Gesellschaften unter diktatorischen Regimes lädt sich mit der Wahrnehmung auf, dass es nördlich des Mittelmeers anders und besser geht. Die elektronischen Medien ermöglichen diese Wahrnehmung; damit sind Europa, Nordafrika und der Nahe Osten einander – jenseits der wirtschaftlichen Verflechtung – auf neue Weise näher gerückt.
Zementierte Ungleichheit
Wie wirkt sich dies auf die islamische Prägung der arabischen Gesellschaften aus? Eine historische Rückblende gibt erhellende Hinweise. Aufgrund der globalen Stossrichtung ihrer eigenen Religion haben Christen wie Muslime ihr Gegenüber traditionell von deren Wahrheit zu überzeugen versucht (und sie zu Zeiten auch aufzwingen wollen). Arabische Staaten fahren bis heute auf dieser Schiene, wenn sie dem Christen verbieten, eine Muslima zu heiraten; das Umgekehrte (inklusive Übertritt der Christin zur Mehrheitsreligion Islam) wird hingegen gefördert.
Revolutionen aus dem Westen
Ganz anders Europa, einst Abendland genannt. Das Christentum stand im Mittelalter der Kultur Pate; auf diesem Boden wuchsen Renaissance und Reformation und auf ihrem Boden das Ringen um die Beschränkung absoluter Macht. Es folgten die Aufklärung, der Kampf für Menschenrechte und die politischen und technologischen Revolutionen, deren jüngste Produkte Internet und Mobiltelefon wesentlich zum Gelingen der Volksaufstände beigetragen haben.
Christliche Sendungen hinter orientalischem Vorhang
Jesus Christus motivierte seine Freunde, die Gute Nachricht von der Versöhnung mit Gott in allen Völkern zu verbreiten (Die Bibel, Matthäus 24,14; Markus 16,15). Der Islam richtete 600 Jahre später einen Damm gegen diese Verbreitung auf, der durch den umfassenden Geltungsanspruch der Religion Mohammeds bis heute besteht. Christliche Radio- und TV-Sender dringen indes durch den orientalischen Vorhang. Erfreulich ist, dass dieser Tage die «Logos Hope», das von Christen geführte Schiff mit dem weltweit grössten mobilen Buchladen, ihren Aufenthalt in Katar am Persischen Golf verlängern konnte.
Verkrustete Gesellschaft verändert sich
Auf der anderen Seite des Golfs liegt der Iran, dessen Herrscher und Prediger sich hinter dem schiitischen Islam verschanzen. In der arabischen Welt scheint der Damm wenn nicht gebrochen, so doch deutlich aufgeweicht. Wenn nicht Inhalte des christlichen Glaubens (Glaube, Liebe, Hoffnung), sind es immerhin die Errungenschaften der abendländischen Zivilisation (Freiheit, Demokratie), die mit Hilfe ihrer Technik Eingang in Millionen arabische Herzen finden und verkrustete Gesellschaften nachhaltig verändern. Tyrannen plustern sich auf, Kämpfe ziehen sich hin und grössere Erschütterungen stehen uns wohl bevor. Zugleich eröffnen sich historisch ganz neu Perspektiven, die diesen Ländern hoffentlich Religionsfreiheit und Menschenrechte bringen. Kommen Morgenland und Abendland neu ins Gespräch?
Datum: 12.03.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch