Schengen/Dublin: Was macht die Schweiz wirklich sicherer?

Am 5. Juni stimmen die Schweizer Stimmberechtigten über zwei Assoziationsabkommen mit der EU ab, die Grenzkontrollen, Fahndung, Visa-Erteilung und Asylwesen betreffen. Das idea Spektrum Schweiz hat eine Pro- und eine Kontra-Stellungnahme eingeholt.
Grenze
Markus Wäfler

Pro: Samuel Moser, ehemaliger Stellvertretender Direktor bei der Eidgenössischen Oberzolldirektion, Belp

Es gibt Abstimmungsvorlagen, bei denen wir annehmen dürfen, dass bekennende Christen ihre Stimme ungeteilt abgeben, etwa beim Partnerschaftsgesetz. Bei andern Vorlagen können dieselben Christen in guten Treuen durchaus unterschiedlicher Auffassung sein. Dazu zähle ich das Schengen/Dublin-Abkommen. Ich plädiere aus folgenden Gründen für ein entschiedenes Ja zu dieser eidgenössischen Vorlage, die am 5. Juni zur Abstimmung kommt:

1. Die verschiedenen Dossiers der Bilateralen II wurden parallel ausgehandelt. Es ging um ein Geben (Zinsbesteuerung, Betrugsdossier) und Nehmen (Wahrung des Bankkundengeheimnisses, Schengen/Dublin).

2. Wenn die Schweiz Schengen/Dublin fernbleibt, ist keineswegs sichergestellt, dass die Vorzugsbehandlung, welche die Schweiz heute an den EU-Grenzen erfährt, weitergeführt wird. Erinnert sei an die „Kostprobe“, die uns Deutschland verabreicht hat, als nach Schengen-Standard kontrolliert wurde.

3. Schengen/Dublin bringt keine fundamentalen Änderungen bei den Grenzkontrollen. Die Waren werden weiterhin erfasst und kontrolliert. Pesonenkontrollen werden heute schon stichprobenweise durchgeführt. 40 Prozent der Grenzwächter arbeiten nämlich in hinterer Linie.

Wenn polizeilicher Verdacht besteht, dürfen auch an der Grenze Kontrollen durchgeführt werden. Der Personalbestand beim Grenzwachtkorps wird nicht reduziert. Es erfolgt kein Abbau bei den Infrastrukturen (Anlagen, Datenbanken).

4. Es darf erwartet werden, dass durch die Zusammenarbeit mit den Schengen/Dublin-Staaten die Verbrechensbekämpfung und die Kontrollen im Migrationsbereich effektiver werden. Durch den Zugriff auf das Schengen-Informations-System (SIS) wird die Fahndungsdichte erheblich gesteigert und schafft ein Plus an Sicherheit. Tatsache ist, dass die Schengen-Staaten heute deutlich mehr international ausgeschriebener Krimineller habhaft werden als früher.

Zum Schluss noch dies: Der bewährte bilaterale Weg ermöglicht eine faire Interessenwahrnehmung der Schweiz gegenüber der EU. Massgebend ist das, was schriftlich ausgehandelt wurde, und sind nicht Mutmassungen oder sogar Verdächtigungen.

Kontra: Markus Wäfler, Nationalrat der Eidgenössisch-Demokratischen Union (EDU), Steinmaur

Die Schweiz übernimmt mit dem Schengen-Abkommen ein EU-internes Rechtsetzungspaket als übergeordnetes Recht. Das ist aus christlicher Sicht eine zu enge Anbindung an eine zentralistische, undemokratische Riesenmacht und grundsätzlich fragwürdig. Auch die folgenden Punkte sprechen für ein Nein zu diesem Abkommen:

1. Das Schengen-Abkommen eliminiert die Landesgrenzen für den Personenverkehr innerhalb des Schengen-Raums! Der Warenverkehr kann noch kontrolliert werden, weil die Schweiz nicht Mitglied der EU-Zollunion ist. Zulässig sind Personenkontrollen nur noch bei Verdacht auf widerrechtliche Handlungen wie Schmuggel oder Kriminalität.

2. Das Schengen-Informations-System (SIS) ist die zentrale Datenbank für gesuchte Personen und Objekte in Strassburg. Die Mitgliedstaaten sind frei, welche gesuchten Personen und Objekte sie ins SIS eingeben. Auf der Basis der Schengen-Justiz-Zusammenarbeit ist die Einführung des EU-Haftbefehls möglich. Dieser würde die Auslieferung eigener Staatsbürger an Gerichte anderer Staaten ermöglichen für Vergehen, welche im eigenen Land nicht strafbar sind! Wer garantiert in diesem SIS-Polizeigehirn Persönlichkeits- und Datenschutz?

3. Das Dubliner Asylabkommen gestattet mit Hilfe der Eurodac-Fingerabdruckdatei die Identifikation eines Asylsuchenden. Hier gibt es im Unterschied zum SIS eine Eingabepflicht der Mitgliedländer. Es ist aber bekannt, dass zum Beispiel Italien, aber auch Oststaaten wenig Interesse haben, im Eurodac-System als Einwanderungsland registriert zu sein, weil sie die entsprechenden Leute dann für die Prüfung des Asylgesuchs übernehmen müssten.

4. Die „Fangresultate“ des Schweizer Grenzwachtkorps an der Grenze zeigen, dass die Effizienz gegen Kriminelle und fragwürdige Individuen im Schengen-Raum andernorts zu wünschen übrig lässt. Im Jahr 2003 wurden an der Schweizer Grenze 101’219 Personen zurückgewiesen, 34’063 der Polizei übergeben und 8’181 Illegale aufgegriffen. 2004 zeigt analoge Zahlen.

5. Die Abtretung der Touristen-Visa-Erteilungskompetenz an diplomatische Vertretungen von EU-Staaten ist fragwürdig.

6. Der Beitritt zu Schengen/Dublin gehört zur klaren Strategie des Bundesrates auf dem Weg zum EU-Vollbeitritt.

Unser Land tut gut daran, in allen Bereichen seine Hausaufgaben zu machen und als möglichst selbständiger und politisch unabhängiger Staat seine Mitverantwortung in Europa und der Welt wahrzunehmen.

Amtliche Erläuterungen zu Schengen/Dublin
www.admin.ch/ch/d/pore/va/20050605/explic/index.html

Artikel aus der EDU-Zeitung
www.edu-udf.ch/upl/0620052.pdf

Quelle: idea Spektrum Schweiz

Datum: 28.05.2005

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