Muslimische Türme in der Schweiz

Pro und Kontra zur Minarett-Initiative

Die Volksinitiative gegen den Bau von Minaretten sorgte über Monate für hitzige Diskussionen. Viele haben sich bereits ihre Meinung gemacht, wie sie am 29. November abstimmen werden. Zwei Livenet-Redaktoren äussern sich für und gegen die Initiative.
Eines von zurzeit vier in der Schweiz: Das Minarett der albanischen Moschee in Winterthur.

Pro: Auf die Bremse stehen

http://www.jesus.ch/www/lfiles/img/48965.jpg Von Bruno Graber

Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) rechnet nicht mit einem Bauverbot für Minarette in der Schweiz: «Wir sind sicher, dass es zu einem guten Einvernehmen in dieser Frage kommt.» Es sieht leider so aus, dass diese Abstimmung auch so ausgeht. Nachdem eine geballte Ladung an Stellungnahmen in diesem Sinne unsere Redaktion überschwemmte, kommt man sich etwas schräg in der Landschaft vor, wenn man immer noch für die Minarett-Initiative ist. Gründe dafür gibt es jedoch.

Bei Minaretten handelt es sich nicht nur um religiöse Symbole, es geht in erster Linie um Siegeszeichen islamischer Macht und Herrschaft. Der türkische Dichter Ziya Gökalp drückt das ganz überschwänglich aus: «Moscheen sind unsere Kasernen, ihre Kuppeln die Helme, die Minarette unser Bajonette!» Der islamische Glaube braucht jedoch nicht unbedingt Minarette. Der Felsendom und die Al-Aksah-Moschee in Jerusalem haben keine. Weltweit gibt es mehr Moscheen ohne als solche mit Minarett.

Integrationswillige Muslime in der Schweiz sind zum Teil auch gegen den Bau von Minaretten, denn diese förderten die Radikalisierung und behinderten die Integration, indem alle Muslime im Einzugsgebiet der betreffenden Moschee Farbe bekennen müssten, befürchten sie.

Wenn wir schon beim Thema bauen sind: Wie wird das Gegenrecht vom Bau von Kirchen in islamischen Ländern beurteilt? Eine Fatwa ist ein Rechtsgutachten islamischer Gelehrter. Diese erläutern durch eine schriftliche Beurteilung einer bestimmten Frage des islamischen Rechts ihre Einschätzung. In einer solchen Fatwa heisst es: Christen dürfen keine neuen Kirchen erbauen. Sie dürfen die Grösse ihrer Kirchen nicht erweitern oder sie erhöhen. Muslime dürfen Kirchen weder betreten noch in ihnen beten. Wenn Christen den Bau der bestehenden Kirchen verändern, werden sie abgerissen. «Das hat nichts mit uns hier in der Schweiz zu tun, wir wollen nicht Unrecht mit Unrecht bekämpfen.» Wirklich?

Ja, und wie steht es um die Solaridität? In vielen islamisch geprägten Ländern werden Christen daran gehindert, das Menschenrecht auf freie Religionswahl und Mission auszuüben. Im Iran, Saudi-Arabien oder Sudan wartet auf christliche Missionare und Konvertiten der Tod. In vergleichsweise gemässigten Ländern wie Ägypten oder Algerien wandern zum Christentum übergetretene Ex-Muslime in die Psychiatrie oder ins Gefängnis. Warum wird verschwiegen, dass selbst in der Schweiz wohnhafte Muslime, welche zu einer andern Religion konvertierten, Morddrohungen und Repressalien ausgesetzt sind? Da gibt es doch offensichtlich einen Zusammenhang, hier und dort. Es sind die Auswüchse dieser Lehre.

Viele Schweizer setzen ihr demokratisches Weltbild als allgemeinmenschliche Grundlage voraus und hoffen, Muslime bruchlos in dieses Weltbild integrieren zu können. Einige muslimische Intellektuelle fordern darüber hinaus demokratische Grundrechte in ihren Heimatländern ein und bemühen sich, den Koran kompatibel zur Demokratie darzustellen. Bis heute existiert aber in fast keinem islamischen Land eine funktionierende Demokratie - weil das dem Islam entgegensteht. Der Islam wird sich im Ganzen nie der europäischen Kultur anpassen. Er wird solange eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen, bis die Minderheit gross genug ist, Forderungen zu stellen.

Die Meldungen über merkwürdige Forderungen von Muslimen in der Schweiz häufen sich schon jetzt. An einer Aargauer Schule mussten alle Glücks-Schweinchen in einem Mathematik-Buch für die Primarschule überklebt werden, weil es von Eltern islamischen Glaubens massiven Protest hagelte. Ein unreines Tier habe in einem Schulbuch nichts zu suchen. Auch Weihnachtsfeiern werden an Schulen in der ganzen Schweiz in Frage gestellt, weil sich islamische Kinder nicht an Feiern von Ungläubigen beteiligen dürfen.

Kopftuchdebatten, Auseinandersetzungen um Sportunterricht an Schulen oder Zwangsehen sind leider auch in der Schweiz zur Tagesordnung geworden. Immer häufiger werden ganz konkrete, politische Forderungen gestellt, so die öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islams als Religion. Der Islam soll damit in der Schweiz der christlichen Religion in allen Bereichen - vom Religionsunterricht bis hin zur Kirchensteuer - gleichgestellt werden.

Eine Schweizer Muslimen-Studentenvereinigung stellte gar die Forderung, das Schweizer Rechtssystem müsse dem Islam angepasst werden. Immer öfter wird in Schweizer Gemeinden ein islamischer Friedhof gefordert, da die Schweizer Friedhöfe unrein seien.

Man darf den Bau von Minaretten nicht isoliert sehen. Dieses Anliegen ist eingebettet in einem bunten Strauss von anderen berechtigten und unberechtigten Forderungen. Wir können mit einem Minarett-Verbot diese Entwicklung nicht gross aufhalten. Darf man aber dem Islam einfach widerstandlos alle Türen öffnen, oder sollte man nicht auf die Bremse stehen, solange das noch möglich ist?

Kontra: Das falsche Instrument

 Von Peter Schmid

Die Debatten der letzten Wochen zeigen, dass die Minarettverbotsinitiative einen Nerv der schweizerischen Gesellschaft trifft. Ihr säkulares Selbstbewusstsein ist angesichts zunehmender islamischer Präsenz erschüttert. Wie weiter?

Sich in traditioneller Weise aufs Christentum abstützen kann der nicht mehr, der wie die Schweizer Eliten jahrzehntelang, über den 11. September 2001 hinaus, dem Ideal der Multikulturalität gehuldigt hat. Die SVP profitierte davon, dass Probleme mit Ausländern verheimlicht und beschönigt wurden. Dem Ärger und der Verunsicherung in der Bevölkerung schenkten Meinungsmacher wenig Aufmerksamkeit. Die Initiative hat die Debatte über diese Befindlichkeiten erzwungen; das ist ihr Verdienst.

Doch scheint ein Minarettbau-Verbot in der Verfassung nicht das richtige Instrument, um Ängsten zu begegnen und positive Prozesse zu fördern. Das Verbot löst die eigentlichen Probleme nicht. Der islamischen Präsenz im Land ist nicht mit dem Verbot von Türmen zu steuern, sondern mit der Durchsetzung bestehender Rechtsnormen, mit nüchternem Blick auf die Realitäten und Dialogbereitschaft.

Um mit konkurrierenden Ansprüchen in der pluralistischen Gesellschaft umzugehen, haben westliche Staaten kein besseres Instrument als das Recht. Wertkonservative Schweizer sollten der staatlichen Rechtsordnung vertrauen - und Juristen und Politiker ihr mit Bezug zur abendländischen Tradition Sorge tragen.

Es ist nicht zu bestreiten, auch wenn die Islamisten heute im Land eine verschwindende Minderheit darstellen: Der Islam als von Mohammed gestiftete Religion tritt mit einem Machtanspruch auf. Mit einem generellen Verbot von Minaretten ist diesem aber nicht zu begegnen, wird Islamisierung nicht abgewendet.

Der Machtanspruch erfordert eine Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Islam - und wir haben sie so zu führen, dass wir nicht Wesentliches der eidgenössischen politischen Kultur aufgeben. Fortschritte werden dadurch erschwert, dass traditionelle Vertreter des Islam sich modernen Relativierungen verweigern und teils unannehmbare Forderungen stellen.

Einen dem Islam angemessenen Gegenstandpunkt bietet das Christentum - wenn es nicht modernistisch verwässert ist. Die Schwäche der säkularen Gesellschaft angesichts fremd bleibender islamischer Gemeinschaften ruft nach vertiefter Auseinandersetzung, wozu Christen mit dem Evangelium Wesentliches beizutragen haben.

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Dossier: Minarette in der Schweiz

Datum: 14.11.2009
Quelle: Livenet.ch

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