«Viele Bücher aus konfessionellen Verlagen könnten sich am Markt nicht durchsetzen»
Frage: Wie läuft der Handel mit christlichen Büchern in der Schweiz?
Joe Küttel: Tendenziell gleich wie der Rest des Handels. Wir haben rückläufige Tendenzen sowohl im Absatz wie im Umsatz. Ich kann das Absatzproblem begründen: Wir haben keine wirklich neuen Tendenzen im Bereich Theologie.
Wie meinen Sie das?
Wir hatten eine Zeit des Aufbruchs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Da ging es um die Befreiungstheologie, es gab die Gendertheorie, die, so dünkt mich, in der Theologie zurückgegangen ist. Und es gibt keine aufstrebenden Theologen, die man veröffentlichen müsste. Soweit zum Absatz.
Der Umsatz hängt damit zusammen, dass wir zu 80 Prozent Bücher aus dem Euroraum importieren. Die meisten konfessionellen Buchhändler haben die Preissenkungen weitergegeben, welche die Importeure gewährten. In den letzten eineinhalb Jahren waren das rund 20 Prozent. Und das haut voll auf den Umsatz. Dies betrifft konfessionelle wie auch nichtkonfessionelle Buchhandlungen, soweit sie in der preisbindungsfreien Zeit nicht dazu übergegangen sind, die Preise zu überhöhen.
Gab es tatsächlich Buchhandlungen, die die Preise überhöhten?
Ich kenne ein Beispiel: Ein Buchhändler in Chur liess von einem Kunden einen Preisvergleich machen für vier Titel des Theologen Gerhard Lohfink. Der Buchhändler hielt sich an die vollen Verkaufspreise und wollte wissen, was der Preisunterschied seines eigenen Angebots zu jenem im Orell-Füssli-Online-Shop ist. Dabei kam er für die vier Bücher zu einer Differenz von 126.80 Franken zu 157.70 Franken. Orell Füssli war also teurer.
Das ist ein beträchtlicher Unterschied.
Da sieht man, dass in der buchpreisbindungsfreien Zeit die Rabatte, die auf Bestseller gewährt werden, an einem anderen Ort hereingeholt werden müssen.
Es gab andere Beispiele einschneidender Preisrabatte. Als im Mai 2007 die Preisbindung fiel, war der erste Teil des Jesus-Buches von Papst Benedikt XVI. ein Bestseller. Die Weltbild-Buchhandlungen gaben darauf sofort 30 Prozent Rabatt. Diesem Rabattdiktat konnten konfessionelle Buchhändler nicht entsprechen. Auch wenn das ohne den allgemeinen Buchhandel nicht möglich gewesen wäre, waren sie dennoch am Verkaufserfolg in der Schweiz von rund 10.000 Exemplaren beteiligt.
Auch bei Titeln wie der Schulbibel, die kaum Kundenberatung erfordert, sind die Grossen zum Teil bereit, mit Rabatten um sich zu werfen, während konfessionelle Buchhändler auf gut kalkulierte Verkaufspreise angewiesen sind. Wobei: Welches Buch mit über 1.500 Seiten erhält man sonst unter 20 Franken? Wenn es aber um Spezielles geht, etwa ein Altarmessbuch, ein Stundenbuch oder einen Katechismus, sucht man die konfessionelle Buchhandlung auf. Diese Buchhändler können beraten und haben solche Titel zum Teil an Lager.
Sind die konfessionellen Buchhandlungen im KMU-Bereich zu finden?
Mit Ausnahme der Ex Libris ist eigentlich der ganze Buchhandel in der Schweiz im erweiterten KMU-Bereich anzusiedeln. Viele konfessionelle Buchhandlungen sind allerdings Kleinbetriebe, haben also weniger als zehn Mitarbeitende.
Sind sie besonders bedroht von freien Buchpreisen?
Das ist schwierig zu sagen. Wir wissen aus Gesprächen, dass es den Grossen im Augenblick auch nicht gut geht. Sie hätten zwar ganz andere Möglichkeiten, doch trifft es sie unter Umständen stärker als die Kleinen. Die Kleinen können sich schneller auf sich wandelnde Marktsituationen einstellen.
Bei der Buchpreisbindung geht es eher um Produktangebote und die Angebotsbreite, die wir erhalten möchten. Wenn wir die Preisbindung haben, fällt der Kaufentscheid nicht nur über den Preis, sondern über das Angebot in der Buchhandlung.
Gibt es Unterschiede zwischen dem konfessionellen Buchhandel und dem übrigen?
Es ist überall ähnlich. Der Buchhandel hat in den letzten Jahren versucht zu diversifizieren, indem er Nonbooks ins Angebot aufnahm. Das passiert auch im konfessionellen Bereich. Die Verlage Benno oder Butzon und Bercker gehen mit Erstkommunionsprodukten massiv in den Nonbook-Bereich hinein.
Ist der christliche Buchhandel grundsätzlich für die Preisbindung?
Ich kann das natürlich nicht für jeden einzelnen sagen. Aber grundsätzlich ja. So wie der Buchhandel als Ganzes. Wir kennen die unter Umständen einschränkenden Eckdaten des Buchpreisbindungsgesetzes natürlich auch, aber die Vorteile überwiegen offensichtlich.
Wenn wir in der aktuellen Form weitermachen wie bisher, dann wird es zu einem brutalen Verdrängungskampf kommen. Letztendlich werden nicht nur die Grossen überleben, sondern es wird überleben, was sich am Markt durchsetzen kann. Viele Bücher aus den konfessionellen Verlagen gehören aber nicht dazu.
Gibt es heute eine Lobby für den christlichen und katholischen Buchhandel? Vor einigen Jahren waren Sie ja Präsident der Vereinigung des katholischen Buchhandels der Schweiz (VKB).
Diese VKB existiert nach wie vor. Allerdings macht sie heute keine Prospekte und Kataloge mehr. Am letzten Wochenende veranstaltete sie eine Tagung mit Felix Senn zum Thema «Das Zweite Vatikanum: Eine gefährliche Erinnerung?» im Jugend- und Bildungszentrum Einsiedeln. Ausserdem gibt es den Verband Evangelischer Buchhandlungen und Verlage in der Schweiz (VEBV).
Zum Interviewpartner:
Joe Küttel ist langjähriges Mitglied des Zentralvorstandes des Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverbands (SBVV) und darin verantwortlich für den Bereich Zwischenhandel. Zuvor war er einige Jahre Präsident der Vereinigung des katholischen Buchhandels in der Schweiz (VKB). Küttel leitet die Firma Herder AG in Pratteln bei Basel. Die Firma ist eine eigenständige Aktiengesellschaft, wobei das Aktionariat in den Händen des deutschen Verlags Herder in Freiburg liegt. Die seit 54 Jahren existierende Firma importiert und verteilt Bücher von rund hundert deutschen, österreichischen und Schweizer Verlagen. Ein grosser Teil dieser Verlage ist im religiös-konfessionellen Bereich tätig.
Das Bundesgesetz über die Buchpreisbindung:
Am 11. März wird über das neue Bundesgesetz über die Buchpreisbindung abgestimmt, das die Preisbindung für Bücher gesamtschweizerisch regelt. Nach diesem Gesetz sollen – wie auch in Deutschland, Frankreich oder Österreich – die Verlage oder der Importeur die Verkaufspreise für Bücher festlegen können. Die Buchhandlungen müssen die Bücher somit zu fixierten Preisen verkaufen. National- und Ständerat haben mit knapper Mehrheit für das Gesetz gestimmt. Die Befürworter sehen darin ein Mittel, Schweizer Autorinnen und Autoren, Verlage und Buchhandel zu unterstützen und das Kulturgut Buch zu schützen. Gegner kritisieren den Eingriff in die freie Marktwirtschaft. Aktuell sind die Buchpreise gesamtschweizerisch frei, in der Deutschschweiz seit dem Bundesgerichtsbeschluss von 2007, in der Westschweiz seit Anfang der 1990er-Jahre, in der italienischsprachigen Schweiz schon immer.
Datum: 03.03.2012
Autor: Regula Pfeifer
Quelle: Kipa