Frisch entdeckt

Uralte biblische Bildwelten

Matthäus Merian, Kupferibel aus 1630
Die Bibelstiche von Matthäus Merian d. Ä. gelten als Meisterwerke der Illustration und erlangten weltweite Bedeutung. Koloriert im Barock, wirken sie noch eindrucksvoller. Einige Originalplatten zeigt die Ausstellung «ICONIC!» im Basler Münster.

Kommen Sie mit auf eine kleine Zeitreise? Wir befinden uns Anfang des 15. Jahrhunderts. Die Bibel existiert nur auf lateinisch. Die meisten Menschen können nicht lesen und schreiben. Fotoapparat oder so etwas ähnliches existiert nicht. Der Buchdruck ist noch ein Hirngespinst und entwickelt sich erst dank der genialen Erfindung von Gutenberg. Dann kommen, nach einigen Vorläufern, Luther und Zwingli. Sie übersetzen die Bibel auf Deutsch. Aber es können sie immer noch nur wenige lesen. Illustrationen sind gefragt! Hier kommt Matthäus Merian der Ältere ins Spiel.  

Bedeutung in der Kunstgeschichte

Der Schweizer Kupferstecher Matthäus Merian der Ältere (1593 - 1650) ist vor allem für sein grandioses grafisches Werk bekannt. Mit seinen Kupferstichen und Radierungen prägte er das kollektive Gedächtnis von Generationen. Er stammt aus der vornehmen Basler Familie Merian und gab zahlreiche Landkarten, Städteansichten und Chroniken heraus. Sein Hauptwerk ist die Topografie Germaniae, die in 16 Bänden mehr als 2000 Einzeltafeln und Texte zu deutschen Städten bot. Sie ist eine Art Reiseführer und war eine «Beschreib- vnd Aigentliche Abcontrafeitung». Oft handelt es sich bei ihnen um die ältesten Darstellungen bestimmter Orte überhaupt. Merians Illustrationen der Lutherbibel und sein Theatrum Europaeum zum Dreissigjährigen Krieg sichern ihm seit Generationen einen Platz in der Kunstgeschichte. Die grosse Bedeutung seiner Handzeichnungen wird jedoch erst in jüngerer Zeit von den Fachleuten gesehen. 

Biblisch fundiert

Matthäus Merian befasste sich intensiv mit der Bibel. Ihm kam es vor allem auf die Ergriffenheit des Einzelnen durch den Geist Gottes an. 1637 schrieb er im Anklang an einen Bibelvers in 1. Korinther Kapitel 2, Vers 14: «Der natürliche Mensch versteht nicht den Geist Gottes, es ist ihm eine Thorheit und grosse Kezerey, unnd obschon er der grösste Doctor were, unnd auf allen Schulen der Welt gelehret hette unnd alle Bücher sambt der Bibel ausswendig könnte, so hielffe und diene es doch alles zur Seligkeit nichts, wo nicht der Heilige Geist selbsten inwendigk in der Seelen lehret.» In diesem Sinn gestaltete Merian auch sein Wappen und Verlagssignet, in das er den Leitsatz Pietas contenta lucratur (etwa «Frömmigkeit zahlt sich aus») mit einem Storch als Wappentier aufnahm.

Abenteuerliche Entstehungsgeschichte

Pfarrer Dr. Christoph Ramstein

Über die Mutter von Pfarrer Christoph Ramstein geht eine Ahnenlinie zu Merians jüngerem Bruder Friedrich – der mit einer Enkelin Hans Holbeins verheiratet war. Holbein war ebenfalls ein Bibelillustrator. Es muss also in den Genen des umtriebigen Pfarrers gelegen haben, dass er – unterstützt von der Evangelischen Stadtmission Basel – damit begann, eine Sammlung anzulegen. Christoph Ramstein ist der Initiator dieser Ausstellung. Dahinter steckt eine spezielle Geschichte: «Wie meine Nachfolger Christian Engels und Jamin Deutscher und meine Vorgänger Edi Pestalozzi, Hans Corrodi und Peter Wirz war auch ich in meiner Zeit als Geschäftsführer der Evangelischen Stadtmission in Basel herausgefordert, gemeinsam mit den Angestellten zu überlegen, wie das Evangelium in Wort und Tat frisch unter die Menschen in Basel und Umgebung kommt.»

Die spezielle Geschichte nahm etwa 2018 ihren Anfang. Pfarrkollege Beat Weber schickte ihm ein digitales christliches Kunstmagazin. Darin enthalten war ein Artikel über «Ikonen des Nordens» über niederländische Bibelfliesen. Er hatte noch nie davon gehört, war aber fasziniert über dieses alte Medium in Keramik, das Potenzial für die Verkündigung hat, weil darauf schlicht biblische Szenen dargestellt sind. Als er sich näher mit den Bibelfliesen befasste, stellte er verblüfft fest, dass die Niederländer für die Gestaltung ihrer Bibelfliesen am häufigsten als Vorlagen die 233 Bibelstiche des Basler Künstlers Matthäus Merian verwendeten. Das schien ihm bemerkenswert. Er suchte nach Echos zu Merians Bibelstichen. Um es kurz zu sagen: Sie sind fast global verbreitet und in allen möglichen Formen der Kunst und des Kunsthandwerks zu finden. Mit unzähligen Kopierdrucken breiteten sie sich nicht nur im protestantischen, sondern auch im katholischen und anglikanischen, bemerkenswerterweise sogar im russisch-orthodoxen und im jüdischen Raum aus. 

Ausstellung in Basel

Eine Spurgruppe von drei Personen aus der theologischen Zunft und drei KulturwissenschafterInnen machte sich vor drei Jahren dann an die Arbeit, auf eine Ausstellung hinzuarbeiten. Ramstein: «Die Stadtmission hat viel beigetragen zu dieser unkonventionellen Initiative, mit einem faszinierenden kulturellen Beitrag biblische Geschichten auf frische Weise zu thematisieren.» Es war eine abenteuerliche Reise, die jetzt zum Ziel kommt. Zum 400-Jahr-Jubiläum der Erscheinung der 233 Illustrationen zum Alten und Neuen Testament stehen diese fast vergessenen Meisterwerke erstmals im Zentrum einer Ausstellung

Am heutigen Freitag, 12. September 2025, findet nun um 17 Uhr die Vernissage der Ausstellung zu Matthäus Merian im Basler Münster der Evangelisch-Reformierten Kirche Basel-Stadt statt. Die Ausstellung trägt den Titel «ICONIC! Eintauchen in Matthäus Merians biblische Bildwelten» und läuft bis am 16. November 2025. Die Besucherinnen und Besucher können zu ausgewählten Zeiten zusehen, wie die Künstlerin Helga Halbritter an der Kupferpresse mit einer Originalplatte aus Merians Werkstätte druckt.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Dienstagsmail Nr.888

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Datum: 12.09.2025
Autor: Markus Baumgartner
Quelle: Dienstagsmail

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