Gesetzesvorlage gegen die Vielweiberei im Mormonen-Staat Utah

Mormonentempel in Utah
Joseph F. Smith (1838 - 1918), 6. Präsident der Kirche. Hier mit seinen Frauen und Kindern
Mormonen

Salt Lake City - Seit über 20 Jahren weisen Jerald und Sandra Tanner auf Widersprüche in der Lehre der Mormonen-Bewegung hin und setzen ihr das Angebot des Evangeliums von Jesus Christus entgegen. ‚Leuchtturm‘ (mit vollem Namen ‚Utah Lighthouse Ministry‘) nennt sich die christliche Nonprofit-Organisation in der Mormonen-Hauptstadt Salt Lake City, die das Ehepaar 1983 gegründet hat.

Die beiden wissen, wovon sie reden: Jerald Tanners Ur-Ur-Grossvater John Tanner gehörte in der Gründerzeit 1835 zu den grössten Sponsoren der damals tief verschuldeten Mormonen. Sandra Tanner ist eine Nachfahrin von Brigham Young, der die Mormonen nach Utah führte. Tanners haben sich als junges Paar abgesetzt von der Lehre, die Utah beherrscht, und inzwischen über 40 Bücher über die Mormonen und das Christentum geschrieben.

Viele Fragen – und unsägliche Nöte von Frauen

Tanners antworten auf Fragen von Mormonen, die auf Widersprüche stossen. Sie müssen sich auch zahlreiche Beschimpfungen und Anwürfe beleidigter Mormonen gefallen lassen. Doch ständig finden Mormonen durch ihre Schriften und Texte im Internet zum Glauben an Jesus Christus.

Tanners suchen vor allem auch Mädchen und Frauen zu helfen, die in der festgefügten, auf ‚Familie‘ zentrierten Gemeinschaft unter die Räder geraten. Sie sind angetreten gegen die Polygamie, die in Utah verboten ist, aber von den Behörden bisher offensichtlich geduldet wird.

Die Mormonen-Lehre, von Joseph Smith um 1827 begründet und von der Bewegung weiter entwickelt, gibt dem Mann unbeschränkte Autorität über seine Frau(en); er kann sogar ihren Status in der Ewigkeit bestimmen. In der Frühzeit der Bewegung war die Polygamie aus religiösen Gründen geboten: Die ‚Heiligen der letzten Tage‘ (so die Selbstbezeichnung) sollten so viele Nachkommen zeugen wie möglich. Aber als die Mormonen ihren Staat Utah 1890 in die Vereinigten Staaten einbringen wollten, wurde ihnen zur Bedingung gemacht, die Vielweiberei zu verbieten.

Anlauf zu härteren Strafen für Polygamie

Obwohl die Polygamie in Utah derzeit illegal ist und mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden kann, leben nach Schätzungen nicht weniger als 50‘000 Personen in polygamen Gemeinschaften. Nun will die Staatsanwaltschaft, welche die Gesetzesverstösse viele Jahre toleriert hat, härter durchgreifen.

Vor allem minderjährige Frauen sollen vor erzwungenen Eheschliessungen geschützt werden, wie die NZZ berichtet. Dem Parlament des Mormonenstaates liegt ein Gesetz vor, wonach Polygamisten, die minderjährige Mädchen heiraten, oder religiöse Führer, die solche Ehen arrangieren, mit bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft werden.

Zur Ehe gezwungen

Die Mormonen-Bewegung hat offiziell die Vielehe verurteilt, aber es gibt fundamentalistische Splittergruppen, die (meist in entlegenen Orten abseits der Überlandstrassen) die Praxis weiterführen. Nur die erste Eheschliessung wird staatlich registriert; die weiteren werden in in privaten Zeremonien vorgenommen. Die meisten Polygamisten scheuen die Öffentlichkeit.

In den letzten Jahren wurde ihre Lebensweise in Utah jedoch zunehmend zum Thema; mehrere Frauen, die aus polygamen Clans geflohen waren, sagen gegen ihre Ehemänner aus. Einige waren mit fünfzehn Jahren zur Eheschliessung gezwungen worden. Nicht selten nehmen ältere Männer Nichten als Frauen und begehen Inzest.

Kindsmissbrauch und Inzest

Der Generalstaatsanwalt Mark Shurtleff, Autor der Gesetzesvorlage, bezeichnet die Praxis der erzwungenen Verheiratung als Kindsmissbrauch. Polygame Mormonen werfen dagegen der Staatsanwaltschaft vor, sie als religiöse Gemeinschaft zu verfolgen. Der republikanische Gouverneur von Utah, Mike Leavitt, der selbst aus einer polygamen Familie stammt, hat mehrfach die Meinung geäussert, die Vielweiberei sei als Institution durch die Religionsfreiheit geschützt.

Wie die NZZ schreibt, wird die Polygamie zunehmend in Utahs reicher Oberschicht praktiziert. Ein Bankier liess für seine 10 Frauen und 28 Kinder eine Villa mit 37 Zimmern und 32 Badezimmern in Form eines Propellers bauen. Laut dem Selbsthilfeverein ‚Tapestry of Polygamy‘ werden Frauen in polygamen Lebensgemeinschaften psychisch, emotional und geistig missbraucht.

Datum: 11.03.2003
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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