Die goldene Regel

Während seiner bekannten Bergpredigt gab Jesus seinen Zuhörern einmal einen sehr wichtigen Ratschlag weiter. Inzwischen spricht man bereits von einer "goldenen Regel". Jesus sagte folgendes: "So wie ihr von den Menschen behandelt werden möchtet, so behandelt sie auch. Das ist - kurz zusammen- gefasst - der Inhalt der ganzen Heiligen Schrift" (Matthäus 7,12). - Über diesen Satz könnte man sicher stundenlang philosophieren und austauschen. Doch je mehr ich darüber nachdenke, umso deutlicher wird mir der besondere Gehalt an tiefer Wahrheit, der hinter dieser Aussage steckt.

Eines ist klar: Jeder möchte Frieden haben. Niemand will den Krieg. Niemand will Streit. - Und trotzdem wird der Friede immer wieder zerstört. Täglich können wir es sehen, hören und lesen. Menschen werden auf grausame und bestialische Form umgebracht. Unschuldige Kinder büssen mit ihrem jungen Leben. Alte Menschen werden ausgenützt. Und dort, wo jemand wenig zum Leben hat, wird ihm auch noch das weggenommen, was er hat.

"Meine Haut ist mir am nächsten." Mit solchen Aussagen rechtfertigen wir uns achselzuckend. "Soll ich denn meines Bruders Hüter sein?" So argumentierte schon vor Jahrtausenden der erste uns bekannte Mörder der Weltgeschichte, nachdem er seinen eigenen Bruder totschlug. Jeder will sich selbst der Nächste sein. Doch merken nur wenige angesichts solcher Denkweisen, wie sehr sie sich doch gerade von dieser "goldenen Regel" entfernen. Wir stimmen ihr zwar mit unserem Verstand zu, vermögen sie jedoch oft nicht in die Tat umzusetzen.

Leider stelle ich in vielen Gesprächen immer wieder fest, dass die viel proklamierte Nächstenliebe oft zu oberflächlich verstanden wird. Wenn wir schon Nächstenliebe im Sinne der "goldenen Regel" praktizieren wollen, dann soll es gleichzeitig auch eine ungeheuchelte Liebe, eine Liebe aus reinen Motiven heraus sein. Doch so eine Form der Liebe können wir nur dann echt weitergeben, wenn wir zuerst selbst davon berührt werden. Mit anderen Worten: Jesus Christus selbst möchte uns zuerst mit seiner Liebe und seiner Annahme beschenken! Warum? Damit wir anschliessend sinnvoll und effizient diese erhaltene Liebe unseren Mitmenschen weitergeben können.

Man kann nur dann lieben, wenn man erst selbst geliebt wird. Nächstenliebe ist eine sehr göttliche und selbstlose Form der Liebe. Wir müssen uns deshalb erst von Gott lieben lassen, bevor wir anderen diese Liebe weitergeben können. Es ist eine sehr schöne Sache, seine Mitmenschen lieben zu dürfen und für sie da zu sein. Doch aus eigener Kraft heraus werden wir es nie schaffen. Gott möchte uns in seiner Liebe mit Kraft erfüllen! Sind wir demütigt genug, uns von ihm beschenken zu lassen?

Datum: 25.05.2002
Autor: Urs-Heinz Naegeli
Quelle: Livenet.ch

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