Selber schuld?

Autor: Tanja Dietrich-Hübner

Bibeltext: "Jesus sprach: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer." (Lk 6,20)

Selber schuld - irgendwie schwingt das bei vielen Menschen mit, wenn sie Obdachlose oder Bettler auf der Straße oder im TV sehen. Kinder natürlich ausgenommen. Früher war man sogar der Meinung, ein armer oder kranker Mensch hatte die Götter erzürnt bzw. war von Gott gestraft worden.

Jesus kannte diese Meinung, die auch von den Priestern und religiösen Lehrern seiner Zeit vertreten wurde. Jesus hat darauf unterschiedlich geantwortet, eine Antwort lautete: Mit Schuld hat das nichts zu tun.

Ein anderes mal antwortete er so:
"Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer."
Das war eine ziemliche provokante Aussage. In neueren Bibel-Übersetzungen wird das "selig" sogar mit "glücklich" übersetzt.
"Glücklich seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer."

Stellen Sie sich das vor: Zu den Loosern der Gesellschaft, den Sandlern und Ausgestoßenen, denen ohne Hoffnung und denen mit Existenzängsten, sagte er: Ihr seid glücklich. Wie kommt er dazu? Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen er mache sich lustig über diese armen Menschen. Nicht nur, dass bestimmt niemand aus der Bourgoisie oder der Oberklasse mit denen gerne getauscht hätte.

Die Armen haben sich selber bestimmt nicht als Glückskinder gefühlt. Bestimmt hätten sie gerne mit den anderen getauscht. Sich endlich mal so richtig satt essen können. Von den anderen respektiert werden. Endlich in einem gemütlich Bett schlafen. Mit Glück hatte ihr Leben wenig zu tun. Was meinte Jesus dann?

Es war ein Zuspruch und eine Verheißung. Nicht dass arme Menschen wegen ihrer Armut in den Himmel kommen. Vor allem, da das Reich Gottes nicht gleich bedeutend mit Jenseits ist. Das Reich Gottes steht für Frieden, Überfluss, Erfüllung, Sicherheit u.a. Ich denke, das wollte er diesen Menschen sagen: Gott sorgt für Euch.

Bei ihm seid ihr nicht die Ausgestoßenen und Unterprivilegierten. Wer ihm nachfolgt, der ist Kind Gottes, egal aus welcher Familie er kommt. Doch diese Aussage ist auch eine klare Botschaft an die anderen. Nämlich: Schaut nicht herab auf die, die es nicht so gut haben wie ihr. Sie verdienen den gleichen Respekt wie ihr. Sie sind Eure Brüder und Schwestern. Daher tragt auch ihr für ihr Wohl Verantwortung.

Damals wie heute ist dieses Wort ein Zuspruch für die einen, und eine Provokation für die anderen.
"Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer."

Datum: 15.11.2002
Autor: Tanja Dietrich-Hübner
Quelle: ERF Deutschland

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