Der Gruppendruck in unserer Welt ist gross. Wir erkennen, wie schnell wir dahin kommen, etwas zu tun, das andere auch tun. „Das tun doch alle, das können wir doch auch tun“. „Das ist doch so üblich“. Wir schwimmen mit dem Strom, weil es eben so bequem und weniger anstrengend ist. Das Verhalten der Allgemeinheit scheint eigenes Unrecht entschuldigen zu können. Geht es überhaupt anders? Wir haben Beispiele von Menschen, die gegen den Strom schwammen, die den Mut zum Anderssein hatten und nicht einfach taten, was alle taten. Ich will es heute am Beispiel einer Frau tun, die eher als Vorbild für Unterordnung und Anpassung hingestellt wurde. Ich denke an Maria, die Mutter Jesu. Nach der Verkündigungsgeschichte (Lk 1,26-38) kommt ein Engel zu ihr nach Nazareth. Er bringt Unordnung in das junge Leben der Maria und wirft sie aus gewohnten und selbstverständlichen Bahnen, nach denen bereits eine normale Ehe und Familie in Aussicht stand. Der Engel spricht Worte, die ihr Leben verändern. Sie soll einem Kind das Leben schenken, das „Sohn des Allerhöchsten“ genannt wird. Maria versteht zunächst nicht, denkt kritisch nach und fragt zurück. Dann aber entzieht sie sich dem Anspruch nicht. Sie lässt sich auf das Wagnis mit Gott ein. Maria entscheidet als eigenständige Frau, die ihren Halt in sich selber und Gott hat. An ihr zeigt sich, zu welcher Freiheit der Gottesglaube befreien kann. Die Fische benötigen Flossfedern, damit sie nicht einfach von der Strömung getrieben werden, sondern gezielt in die eine oder andere Richtung schwimmen können. So benötigen auch wir eine Kraft, die uns gegenüber bestimmten Strömungen widerständig macht und unseren Entscheidungen die Richtung weist.
Datum: 15.09.2006
Autor: Roman Angst
Quelle: Bahnhofkirche Zürich