Ehrlichkeit und Selbstprüfung: Lautes Gebet ist gut. Und Flüstern vor Gott manchmal besser

Glaube
Abendmahl

„Versucht euch selbst, ob ihr im Glauben seid. Prüft euch selbst. Oder erkennt ihr euch selbst nicht, dass Jesus Christus in euch ist?“

So lautet der Rat von Paulus an die Korinther (2. Korinther 13,5). Sie - und somit wir – sollen nicht einfach prüfen, nein, wir sollen uns gar versuchen, ob wir im Glauben stehen! Hier geht's ans Eingemachte. Mit versuchen wird das gleiche Wort (als Verb) gebraucht, das im Unservater-Gebet so gewichtig auffällt: „...und führe uns nicht in Versuchung.“ Gut, dass Gott dieses Gebet erhört. Denn eigentlich reichen mir persönlich die Versuchungen des Bösen und die meiner schlechten Neigungen vollauf. Wenn Gott mich noch dazu versuchen sollte, sänken meine Erfolgschancen des Widerstands auf null. Darum bete ich das Gebet des Herrn des öfteren mit Inbrunst. Und nun werde ich mit 2. Korinther 13,5 aufgefordert, mich selbst zu versuchen im Glauben. Also habe ich mich auf den Weg dazu gemacht, um das Wo und Wie herauszufinden.

Ehrlichkeit im eigenen Glauben

Glauben haben wir alle. Fragt sich nur, welchen. Mein Onkel Rolf gestand mir mit über 70, wie er sich wieder nach seinem Kinderglauben sehne. Ich bin jetzt 57 und sehne mich nach mehr erwachsenem Glauben. Nach reifem Glauben, der mich möglichst unerschütterlich durch die Stürme des Lebens trägt. Nach einem Glauben, der wirklich meiner ist. In meiner Erziehung als evangelikal geprägter Christ lernte ich nämlich Jüngerschaft, auch im Glauben. Jüngerschaft hat etwas mit Imitieren des Meisters zu tun. Gut. Also lernte ich bei den Alten, wie man glaubt, wie man sein Vertrauen auf Gott setzt. Und wie man dafür betet, besonders wie man in Gemeinschaft betet. Die Gebetssprache war bald gelernt, imitiert zwar, und die Alltagssprache verlor sich langsam, mit den Jahren leider auch im Alltag. Aber ich lernte nicht nur beten, sondern auch kernige Sprüche wie „die Gebetserhörung bist du selbst.“ Klar konnte man oft selber tun, worum man Gott bemühte! Oder man konnte auch die Erhörung des Gebets des Mitbeters sein. Beispiel: „Herr, du siehst, wie es finanziell bei uns steht (tiefes Einatmen), aber du hilfst ja gerne, Herr; stärke meinen Glauben." Gottes Ohr und viele Ohren hörten es in der Runde - und, hat nicht Gott einen fröhlichen Geber lieb? Am nächsten Tag warf irgendeiner der Runde ein Couvert mit Inhalt, natürlich anonym, in den Briefkasten des Beters in Not. Der Beschenkte vergass natürlich nicht, in der nächsten Gebetsrunde dem Herrn für dies Wunder zu danken. Alle waren danach im Glauben sehr gestärkt. Ich auch.

Aber eines Tages wollte ich mehr wissen. Ich wollte wissen, ob Gott allein noch hört. Und ob ich noch genug Glauben dazu hätte. Also besprach ich testweise einen finanziellen Engpass nur mit ihm. Nicht mal meiner Frau sagte ich davon. Nun versuchte ich meinen Glauben allein... „versucht euch selbst (peirazete), ob ihr im Glauben steht, prüft euch selbst auf die Echtheit" (dokimazete)...wie es im erwähnten Text steht. Das griechische Wort hier für prüfen bezieht sich ursprünglich auf die Echtheitsprüfung von Edelmetall. Ungefähr zehn Tage musste ich warten, bis die benötigte Summe kam. Meine Freude über meinen eigenen Glauben war grösser als über die materielle Erhörung.

Ein anderer Gedanke aus dem Umfeld des Unservaters half mir sehr, dieser Selbst-Versuchung nachzugehen. In der Version des Matthäusevangeliums lehrt Jesus einleitende Worte dazu. Das Gebet beginnt in Matthäus 6,9. Die vorangehenden Verse 6 bis 8 lehren das Gebet im Kämmerlein, das stille Reden mit dem Vater im Himmel, der weiss, was ihr braucht. Na, also: anstatt Posaunen vorm Volk mal Flüstern zum Himmel!

Zusammenfassung dieser Erfahrung: Ich widerstand damals der Versuchung, meine Not anderen mitzuteilen und versuchte lieber mich selbst. Somit prüfte ich meinen Glauben ganz spezifisch auf Echtheit. Natürlich wurde mir klar, dass es neben den Finanzen viele andere wichtige Dinge im Glaubensleben gibt, die ich prüfen sollte. Aber für mich war dieses Beispiel seit Anfang meines vollzeitlichen Weges (1975) bahnbrechend. Ich weitete das Kämmerlein-Gebet immer wieder mal auf andere Notwendigkeiten aus.

Der innewohnende Jesus

In gleichem Atemzug schreibt Paulus an die Korinther einen ergänzenden Gedanken: „...oder erkennt ihr nicht selbst, dass Jesus Christus in euch ist?“

Wie kommt diese Frage zur Glaubensprüfung dazu? Auf den ersten Blick scheint sie unpassend zu sein. Denn gerade in Glaubensdingen richtet sich doch mein Blick auf den auferstandenen und inthronisierten Herrn Jesus im Himmel und nicht auf Jesus in mir. In Anbetungszeiten z.B. strecke ich mich bewusst nach oben. Doch auch hier wollte ich mich unter den Text stellen und nicht sein Richter sein. Ich merkte bald einmal, dass der nach innen und doch auf den Herrn gerichtete Glaube eine zusätzliche Dimension des Vertrauens aufschloss.

Die alte Wahrheit aus Kolosser 1,27 (der Lieblingsspruch meines geistlichen Vaters, Samuel Unger, den wir auch auf seinen Grabstein meisseln liessen) kam mir in den Sinn: „Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit.“
Natürlich, er ist ja in mir! Er ist als innewohnender Christus meinem Denken, Fühlen, Trachten viel näher als der sich auf dem Himmelsthron befindende! Auch diese Tatsache soll meinem Glauben als Prüfung dienen. Doch merke ich das noch? Vertraue ich auf diese nicht zu übertreffende Anwesenheit Christi in mir? Realisiere ich noch, dass Gott somit in mir alles mit mir erlebt und teilt? Freuden und Schmerz, Hochs und Tiefs des Lebens? Ich vermute, dass unter uns Gläubigen nicht nur ich es leicht vergesse - vor allem in Momenten des Alleinseins und der Traurigkeit.

Die Selbstprüfung beim Mahl des Herrn

Einen weiteren Text zum Thema finden wir im 1. Korinther 11,27-31 : „Wer also irgend das Brot isst oder den Kelch des Herrn trinkt unwürdiglich, wird hinsichtlich des Leibes und Blutes des Herrn schuldig sein. Ein jeder aber prüfe sich selbst, und also esse er von dem Brote und trinke von dem Kelche. Denn wer isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst Gericht, indem er den Leib nicht unterscheidet (me diakrinoon = nicht durchrichtet). Deshalb sind viele unter euch schwach und krank und ein gut Teil entschlafen. Aber wenn wir uns selbst beurteilten (durchrichteten), so würden wir nicht gerichtet.“ (Unrevidierte Elberfelder Übersetzung).

Da in den meisten christlichen Kreisen das sogenannte Abendmahl (kein biblischer Ausdruck) in feierlicher oder gefasster Atmosphäre ausgeteilt und genossen wird, eignet sich diese Zeit besonders für einen besinnlichen Innenblick. Was bedeutet es wohl, dass unsere Selbstprüfung „den Leib unterscheiden (durchrichten)“ soll? Ich glaube, es geht darum, dass wir unsere persönliche Beziehung zum Herrn (zu Jesus selbst), und dann auch zu seinem Leib (zu seiner Gemeinde) ehrlich prüfen: Wo bin ich nicht im Reinen mit Jesus, bzw. mit anderen Mitchristen, bzw. mit mir selbst? Und in zweiter Linie können wir uns entscheiden, die Dinge, soviel an uns liegt, in Ordnung zu bringen; Vergebung auszusprechen, wo Menschen uns verletzt haben, um Verzeihung zu bitten, wo wir selbst schuldig geworden sind.

Im Mahl des Herrn und der vorangehenden Selbstprüfung werden wir zurückgeführt zum grössten Gebot - der Liebe zu Gott, dem Mitmenschen und sich selbst. Ehrliche Selbstprüfung hilft uns zur Gesundheit. Zur geistigen und zur körperlichen. Das erwähnte Schwach-und-krank-Sein und sogar Zum-Tode-Führende bezieht sich auf den ganzen Menschen. Heute weiss man wieder mehr um die ganzheitliche Heilung und die Medizin berücksichtigt mehr denn je seelische Ursachen für körperliche Leiden. Deshalb: Kein Genuss des Mahls des Herrn ohne Selbstprüfung! Es ist auf die Dauer zu gefährlich!

Mit diesen Erkenntnissen wuchs die Echtheit meines Glaubens. Und liess mich tiefer im Neuen Testament nach Gebetsgeheimnissen forschen, nach Geheimnissen im vertrauten Umgang mit Gott (vgl. Psalm 25,14). Vielem von dem, was wir heute beten, in Zusammenkünften und in Gottesdiensten, täte es gut, öfter auf Ehrlichkeit und Echtheit getestet zu werden. Und dies können wir am besten in der stillen Selbstprüfung.

Gott als Versucher?

Zum Thema Kann Gott uns versuchen stehen sich theologisch zwei Aussagen der Heiligen Schrift gegenüber. 1. Mose 22,1 versus Jakobus 1,13. Die Auflösung liegt in der Betonung zum Bösen. Gott kann uns wohl versuchen, aber niemals zum Bösen. Die Prüfung (Versuchung) Abrahams war eine der schwersten Glaubensprüfungen, die ein Mensch durchgehen kann. In solchen würden wohl die meisten Gläubigen versagen. Vielleicht liegt darin einer der Gründe der diesbezüglichen Bitte im Unservater?

Datum: 23.09.2003
Autor: Andrea-Giorgio Xandry
Quelle: Christliches Zeugnis

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