Erschütternd. Die Lichtgestalt Israels, der von Gott gesalbte König, der «Messias» des Alten Testaments, David ist gefallen. Durch eine Affäre mit einer verheirateten Frau. Das hätte man ja wirklich nicht gedacht. Ist das der Mann, dessen Psalmen wir sonntags beten? Erstaunlich. Nicht nur als Gerücht durchgesickert ist diese Peinlichkeit, über die mancher lieber Stillschweigen bewahrt hätte, sondern ganz im Gegenteil: Zunächst in den amtlichen Chroniken haarklein dokumentiert, schafft sie am Ende sogar noch den Sprung in ein heiliges Buch. Weltweite Aufmerksamkeit garantiert! Ehrlich. Wenn alle Verführung mit einer Lüge anfängt – was kann dagegen mehr helfen als schonungslose Offenheit? Wo es um die Abgründe des menschlichen Herzens geht, nimmt die Bibel wahrlich kein Blatt vor den Mund. Eine vielleicht bittere, aber auf jeden Fall heilsame Pille gegen die weit verbreitete Krankheit der moralischen Selbstüberschätzung. Eine Pille, die wir allerdings nicht in erster Linie anderen verabreichen, sondern vielmehr selbst einnehmen sollten. Denn gerade der «Mir-kann-das-nicht-passieren-Faktor» ist es, der uns arrogant werden lässt und zu gefährlicher Sorglosigkeit verleitet. Steigen wir doch einmal mit David in die Abgründe unseres Herzens hinab. Dem König geht es gut. Sein Plan gegen die Ammoniter ist todsicher. Nachdem die Verbündeten des Feindes ausgeschaltet sind, steht der Erstürmung der Hauptstadt nichts mehr im Wege. Die Armee ist bereits entsandt, und David kann sich in seinem Palast dem süssen Nichtstun hingeben. Auf dem Programm heute steht ein ausgiebiger Mittagsschlaf mit anschliessendem Spaziergang auf der Dachterasse. Schon etwas gelangweilt hält er Ausschau nach neuen Abenteuern. Und da geschieht es: Die badende Batseba bannt seinen Blick. «Und es kam, wie es kommen musste» – so könnte man die Geschichte weitererzählen. Tatsächlich gibt es bei vielen Verführungsgeschichten einen «point of no return», einen Punkt, ab dem es schwierig bis unmöglich wird, die Kette der Ereignisse noch zu unterbrechen. Wenn wir Verführung abwenden wollen, müssen wir deshalb früher ansetzen, müssen sozusagen die mögliche Unfallstelle weiträumig umfahren. Beispiele: Keine Seelsorge von Mann zu Frau unter vier Augen; Süssigkeiten, die man nicht essen sollte, erst gar nicht kaufen; die Kollekte stets nach Vorschrift zu Zweit abzählen. David ist nicht der erste, den ereignisloses Herumlungern auf falsche Gedanken bringt. Er lässt die schöne Frau zu sich rufen. Das böse Erwachen folgt einige Tage später: Batseba ist schwanger. Wenn das die Öffentlichkeit erfährt...! Was also tun? Das ist das Wesen der Verführung: Es geht immer um eine Handlung, die kurzfristig Glück verspricht, unter dem Strich aber Schaden hervorruft: Der Genuss der Zigarette, die den Körper vergiftet. Der aufregende Seitensprung, der Ehe und Familie zersetzt. Die finanziell einträgliche Unterschlagung, die mich nicht mehr schlafen lässt und die Kopf und Kragen kosten kann. Auf Davids Sohn Salomo geht das alttestamentliche Sprüchebuch zurück. Wenn man alle darin enthaltenen Lehrreden und Sinnsprüche auf einen Satz reduzieren wollte, wäre es dieser: Taten haben Folgen. Gegen die Verführung wappnet sich, wer die Folgen seiner Taten in Betracht zieht. Wer vorher an hinterher denkt. Man brauchte kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, dass Batseba schwanger werden würde. Was aber tun, wenn wir schon gefallen sind? Die nun folgende Phase im Leben Davids ist geprägt von einer besonders eigenen, bitteren Ironie. Davids Vertuschungsversuche scheitern daran, dass der Ausländer Uria genau die Gradlinigkeit lebt, die er selbst vermissen lässt. Während David es sich im Palast bequem macht, bleibt Uria bei seinen Soldaten. Während David sich an einer fremden Frau vergreift, verzichtet Uria darauf, seine eigene zu berühren. Während David einen feigen Mord begeht, stirbt Uria den Tod eines Helden. Der Betrogene bleibt treu bis in den Tod. Wie sehr muss David zu diesem Zeitpunkt innerlich zerrissen gewesen sein! Vertuschung ist offensichtlich nicht der richtige Weg. Mit Davids Version der Geschichte ist Gott nicht einverstanden. Der Prophet Nathan deckt auf. Was folgt, ist der völlige Zusammenbruch (vergleiche Psalm 38, Psalm 51). Doch mit dem Zusammenbruch wird auch sichtbar, was Gott unter einem Happy End versteht. Auf das Sündenbekenntnis folgt Vergebung, auf die Vergebung folgt ein neuer Anfang. Gott segnet sogar die Ehe von David und Batseba. Zu Recht heisst es: Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade. Und das gilt auch für uns, nach dem Fall. Gott will uns einen Neuanfang ermöglichen. Auch für uns hat er, wo nötig, einen Plan B bereit. Und nebenbei: Als die Hauptstadt der Ammoniter schliesslich erobert wird, ist David endlich da, wo er von Anfang an hätte sein sollen, nämlich bei seinem Heer. Sein Sohn allerdings wird kein Krieger werden, sondern der Begründer eines Friedensreiches. Salomo bedeutet „der Friedliche“. Gott will auch mit uns wieder neu seinen Frieden machen. Biblische Grundlage: 2. Samuel 11+12 Autor: Dr. Julius SteinbergHaarklein dokumentiert
Abgründe des Herzens
Süsses Nichtstun
Wie es kommen musste
Schaden unterm Strich
Bittere Ironie
Davids Version
Plan B
Datum: 09.07.2005
Quelle: Chrischona Magazin