Verschleierung in Indien: Musliminnen unter der Deobandi-Fuchtel
Diese Fatwa verursachte im Lande Gandhis einen Sturm der Entrüstung. Sie kann als Beleg dafür gelesen werden, dass muslimische Gemeinschaften sich in einer Demokratie nicht pluralistisch und Richtung Toleranz entwickeln, wenn sie die Wahl haben. Im Riesenland leben Muslime seit Jahrhunderten mit Hindus und (wenigen) Christen zusammen. Doch obwohl in der grössten Demokratie der Welt der muslimische Bevölkerungsanteil ständig zunimmt und islamische Gelehrsamkeit ihre alteingesessenen Zentren hat, dominiert die Schule von Deoband die Szene in traditionalistischer Manier.
Was der Frau frommt
Die Stadt Deoband liegt 150 km nördlich der Hauptstadt Delhi; die 1866 gegründete theologische Hochschule Dar ul-Ulum gilt als die einflussreichste in Südasien, wo mit über 400 Millionen mehr Muslime als in der arabischen Welt leben. Ihre Gelehrten pochen auf eine strenge Zuweisung von Geschlechterrollen mit Fatwas, welche die mangelnde Bildung vieler muslimischer Frauen zugleich voraussetzen und verewigen.Der Sozialwissenschaftler und Blogger Yoginder Sikand verurteilt in einem Beitrag für das Magazin Outlook India die «Frauen hassenden Mullas» der Deobandi-Schule. Sie könnten von gebildeten Musliminnen nicht ernst genommen werden. Die Fatwas, Gutachten der Mullahs auf Fragen zur rechten islamischen Lebensführung, sind zu Tausenden im Internet nachzulesen.
«Erben der Propheten»
Sikand beklagt, dass die reaktionären Deobandi-Mullahs durch Tausende von Fatwas ihre Gefolgschaft unter der Knute halten. Sie plusterten sich als «Erben der Propheten», als massgebende Ausleger von deren Offenbarungen auf und bezeichneten die unter ihrer Leitung stehenden mehreren tausend Medressen (Schulen) in den Ländern des Subkontinents als «Festungen des Glaubens».Nach Lektüre der Fatwas kritisiert Sikand namentlich, was die Deobandi den Frauen vorschreiben: Sie müssen sich vor allen Männern, die für eine Heirat in Frage kommen, verhüllen und dürfen sich von ihnen nicht fahren lassen. Sie sollen nicht selbst Auto fahren. Sie sollen vor Männern nicht laut und vernehmlich sprechen (Stimmen sollen verschleiert sein), was etwa eine Anstellung als Radiosprecherin ausschliesst. Schliesslich urteilen die Deobandi, dass Familienplanung «im Islam ungesetzlich» sei.
Bei alledem, schreibt Sikand, ärgerten sich progressive Musliminnen und Muslime besonders darüber, dass die Deobandi in ihren Weisungen die beste Gewähr für Geschlechtergerechtigkeit sehen. Sie fordert dazu auf, die Mullahs «bei den Hörnern zu nehmen» und sich in die Schlacht zu stürzen für ein gerechteres und humaneres Verständnis des Islam.
Zum Thema:
Der Text von Yoginder Sikand
Die Fatwas der Deobandi-Mullahs zu Frauenfragen
Datum: 21.05.2010
Quelle: Livenet.ch