Bischöfe für die Evangelisch-reformierte Kirche?
Lanciert wurde die Idee von Gottfried Locher, dem Leiter Aussenbeziehungen im SEK. Innerhalb des Kirchenbundes werde nach wie vor über diesen Vorschlag diskutiert, erklärte SEK-Sprecher Simon Weber. Der Kirchenbund bemühe sich um einen besseren Auftritt, weil er in der Schweizer Öffentlichkeit besser wahrgenommen wolle.
Lochers zu Jahresbeginn lancierter Vorschlag, das Bischofsamt in der evangelischen Kirche einzuführen, habe vor allem in der deutschsprachigen Schweiz zu vielen Reaktionen auf Leserbriefseiten und in Zeitungsartikeln geführt, berichtet Weber.
Keine offizielle SEK-Position
Diesen Herbst ist die Debatte mit einem Interview der Genfer Zeitung "Le Temps" auch in die Westschweiz hinübergeschwappt. Simon Weber betont, das Zeitungsinterview mit Locher habe in Absprache mit dem SEK stattgefunden. Vom Kirchenbund gebe es jedoch zum Vorschlag von evangelischen Bischöfen keine offizielle Stellungnahme. Dieser habe aber grosses Interesse an einer breiten Diskussion, "weil die Frage nach der besseren Wahrnehmung unserer Kirche gestellt wird".Zur Debatte stehe auch der Föderalismus in der evangelisch-reformierten Kirche, betont Weber: "Der Kirchenbund besteht aus 26 zusammengeschlossenen evangelischen Kirchen." Auf nationaler Ebene werde er als SEK-Sprecher aber immer wieder gefragt, was die Reformierten in der Schweiz über dieses und jenes dächten.
Auch Bischöfinnen
Aus der Sicht des SEK würde das Bischofsamt in der reformierten Kirche nicht einem Weihe- oder Lehramt entsprechen. Der Bischof wäre vielmehr "geistlicher Gewährsmann". Auch Frauen könnten dieses Amt übernehmen. Der Auftritt von Bischöfen würde aber in der Öffentlichkeit sicher besser wahrgenommen als jener der Präsidenten der kantonalen Synodalräte oder der Kirchenräte.
Rückkehr zum Katholizismus?
Bedeutet der Vorschlag von Gottfried Locher eine Rückkehr zum Katholizismus? Im Interview mit "Le Temps" verneint er diese Frage. Das Amt eines Bischofs sei "kompatibel" mit dem Protestantismus. Im Ausland gebe es bereits bei einigen evangelischen Kirchen Bischöfe. Dies sei der Fall in Ungarn und Rumänien. Auch die Lutheraner und Anglikaner kennen Bischöfe.
Locher ist der Ansicht, es fehle eine geistliche Stimme, die in der Schweiz im Namen der ganzen reformierten Kirche sprechen könne und nicht nur auf Kirchgemeinde-Ebene. Die Präsidenten und Präsidentinnen der Synodalräte müssten ja vorrangig Verwaltungs- und Führungsaufgaben wahrnehmen.
Im Unterschied zu diesen würden Bischöfe als "geistliche Führer" auftreten. Nehme man heute das Wort Bischof in den Mund, denke jedoch alle Welt zuerst an katholische Amtsträger.
Gewählte geistliche Autorität
Ein wichtiger Unterschied zur katholischen Kirche sei es, so Locher im Interview weiter, dass im Fall der Einführung von Bischöfen in der evangelisch-reformierten Kirche auch Frauen dieses Amt ausüben könnten. Der Bischof oder die Bischöfin würden "demokratisch" gewählt. Die Wahl würde entweder durch die Gläubigen oder durch die Kirchenparlamente vorgenommen. Die Person im Bischofsamt wäre eine geistliche Autorität. Sie könnte aber keine persönliche Macht ausüben.
Das Bischofsamt in der reformierten Kirche der Schweiz würde auf nationaler Ebene zu einem besseren Gleichgewicht im ökumenischen Dialog führen. Zur Zeit müsse der Präsident des SEK, Pfarrer Thomas Wipf, diese Rolle übernehmen. "Faktisch verfügt er aber über kein Mandat, um im Namen der Mitgliedkirchen zu sprechen", bemerkt Locher.
Locher beklagt, dass die Stimme der reformierten Kirche in der nationalen Diskussion kaum mehr gehört werde. Das gelte sowohl für politische wie für spirituelle Themen. Sie könne sich auch nicht sichtbar machen.
Heutige Strukturen hinterfragen
Würde das Bischofsamt eingeführt, so wäre klar, "dass unsere Strukturen nicht zeitgemäss sind. Es hat zu viele kleine Kirchen mit verschiedenen Strukturen." Locher ist überzeugt, dass die Trennung von Kirche und Staat sich überall in der Schweiz durchsetzen werde. Es sei dies nur eine Frage der Zeit.
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Datum: 15.09.2004
Quelle: Kipa