Thun

Wo die Kirche wächst und wächst …

(Thuner Tagblatt) Heute wird die Evangelische Allianz Region Thun (Earth) 100 Jahre alt. Präsident Marc Jost gibt im Interview Auskunft über Wachstumszahlen, das Verhältnis zur Landeskirche und die Abgrenzung von Sekten. Marc Jost, braucht es die Evangelische Allianz überhaupt? Die einzelnen Mitglieder wie die Heilsarmee gäbe es ja auch ohne die Earth
100 Jahre Evangelische Allianz Region Thun
Marc Jost

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Die Allianz braucht es, um die verschiedenen Gruppen, die im Verlauf der Geschichte der Kirche entstanden sind, wieder mehr zusammenzubringen. Nicht jede Gruppe kann alle Dienste anbieten oder jedes Engagement übernehmen. So ergänzen wir uns. Letztlich teilen wir alle den christlichen Glauben und haben die gleiche Ausrichtung.

Letztlich geht es allen ums Gleiche: Ist es da nicht paradox, dass es so viele Gruppierungen gibt? Wäre nicht eine Fusion angebracht?
Die historische Aufsplitterung kann man heute nicht einfach rückgängig machen. Einige Gruppen legen das Schwergewicht auf das soziale Engagement, andere auf die seelsorgerliche Begleitung von Menschen. Es gibt auch in der Glaubensauffassung unterschiedliche Schwerpunkte. Einige taufen nur Erwachsene, beispielsweise die Täuferbewegung. Einfach die Unterschiede wegwischen und fusionieren kann man nicht. Deshalb macht es Sinn, wenn eine übergeordnete Allianz die Stärken der Einzelnen bündelt.

Was hat sich im Verlauf von 100 Jahren Earth verändert?
Es ist interessant: Vor 100 Jahren haben sich drei, vier Kirchenleiter getroffen, um Beziehungen zu pflegen, gemeinsam zu beten und Gedanken auszutauschen. Heute merke ich, dass das erste und wichtigste Anliegen eigentlich genau das gleiche ist: Beziehungspflege, sich Kennenlernen. Das ist wichtig, damit Projekte zu Stande kommen. Beziehungspflege ist auch nach 100 Jahren unser grosses Thema.

Gibt es eine Zusammenarbeit mit der Landeskirche?
Die regionalen Landeskirchen sind Gastmitglieder bei der Earth. Vertreter davon sind bei unseren Leitertreffen jeweils dabei. Informationsaustausch und Ansprechpersonen sind also gewährleistet. Einige Gemeinschaften sind näher bei der Landeskirche, andere weniger. Private Kontakte zwischen verschiedenen Mitgliedern gibt es sowieso.

Wie haben sich die Mitgliederzahlen der Earth entwickelt?
Sie halten sich oder steigen. Es gibt wahrscheinlich kein Mitglied, das rückläufige Zahlen hat. Insgesamt sind rund 2500 Erwachsene und über 1000 Kinder und Jugendliche dabei. In den letzten fünf Jahren sind sieben neue Gemeinschaften dazugekommen, mittlerweile sind es 22.

Die Landeskirche kämpft mit sinkenden Frequenzen. Womit erklären Sie sich Ihren dem Trend zuwiderlaufenden Erfolg?
Ich sehe zwei Gründe: Unsere Gemeinschaften sind kleiner und überblickbarer. Dort wird mehr Wert auf persönliche Beziehungen und Verblindlichkeit gelegt. Das ist in unserer individualistischen Gesellschaft gesucht. Der andere Grund ist, dass die Landeskirche pluralistisch erscheint.

Was meinen Sie damit?
Die Landeskirche nimmt verschiedene Glaubensansätze und -richtungen auf, bis hin zu religionsvermischenden Elementen. Wir beschränken uns auf die Bibel als eine Quelle, das ist der gemeinsame Nenner unserer Mitglieder. Unsere Stärke ist, dass wir ein klareres Profil haben.

Die Verbindlichkeit macht es schwieriger, sich von einer Gruppe zu lösen. Wie grenzen Sie sich von Sekten ab?
Sekte bedeutet wortwörtlich eine kleine Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Heute meint man damit Gruppen, die vereinnahmend sind, Druck ausüben und den Mitgliedern das Geld aus der Tasche ziehen. Punkto Finanzen hat die Allianz Richtlinien in Form eines Ehrenkodexes. Es ist transparent, wohin das Geld fliesst. Mitglieder der Allianz üben auf niemanden Druck aus, damit er einen bestimmten Betrag bezahlt. Die Allianz ist diesbezüglich ein Qualitätsgarant. Mir sind auch keine Betroffenen bekannt, die zum Verbleib in einer Kirche überredet worden wären.

Es treten also Leute aus?
Klar, das gibt es immer wieder. Wenn jemand mit der Glaubensüberzeugung nicht mehr übereinstimmt, wäre das nie ein Grund, jemanden zum Bleiben zu zwingen. Im Gegenteil: Wenn jemand den christlichen Glauben nicht teilt, dann ist er bei uns sowieso am falschen Ort.

Interview: Thomas Kobel
Zur Person: Marc Jost, 1974 geboren, wuchs in Spiez auf. Nach dem Lehrerseminar arbeitete er drei Jahre als Realschullehrer in Hofstetten bei Brienz. Dann studierte er Theologie am Theologischen Seminar Sankt Chrischona bei Basel, das der Organisation CTL (Christliche Theologie lebensnah) angehört. Seit 2003 ist er Pfarrer beim Evangelischen Gemeinschaftswerk in Thun. Seit 2000 ist er mit der Lehrerin Denise Jost-Baumann verheiratet. Die beiden sind Eltern des einjährigen Micha. Jost ist Präsident der Evangelischen Allianz Region Thun und sitzt im Vorstand der EVP Thun.

Die Evangeische Allianz

Vor 100 Jahren wurde die Evangelische Allianz Region Thun (Earth) mit einem Treffen der Leiter dreier evangelischer Gemeinden in Thun gegründet. Die Mitglieder, (Frei-)Kirchen, Gemeinden und Organisationen, berufen sich auf die Bibel. Mittlerweile sind es 22 Mitglieder, seit 2000 kamen sieben dazu. Höhepunkt des Jubiläumsjahres ist neben der Gebetswoche (vgl. anderer Kasten) die «Stadtwoche» in Thun vom 8. bis 16. Juli. Sieben Mitglieder engagieren sich dort in siebzehn gemeinnützigen Projekten, darunter ein Sponsorenlauf.tmk

Mit einem täglichen Frühgebet und anderen Aktivitäten wird in Thun die Allianz-Gebetswoche begangen, die vom 8. bis 15. Januar schweizweit von der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) durchgeführt wird. Die Kollekten kommen dem Südsudan und den Philippinen zu Gute. In Thun findet am Sonntag, 15. Januar um 9.30 Uhr, auf dem Expo-Areal ein Jubiläumsgottesdienst statt, bei dem SEA-Zentralsekretär Hansjörg Leutwyler die aktuellen Projekte vorstellt.

Die Mitglieder von Earth: junet.ch (Jugendallianz), BewegungPlus Thun, Chrischona-Gemeinde Thun, Christliche Gemeinde Heimberg, Evangelisch Freikirchliche Gemeinde Thun, Evangelisch-methodistische Kirche Thun-Heiligenschwendi, Vineyard Thun, Evangelisches Gemeinschaftswerk Steffisburg, Thun und Uetendorf, Freie Evangelische Gemeinde Gwatt, Steffisburg, Thun und Thierachern, freie Missionsgemeinde Thun/Steffisburg, Frisches Wasser, Gemeinde Seestrasse, Heilsarmee Thun, Christliches Familienzentrum Impuls Thun, J-Point, Mosaicstones, Pfingstgemeinde Thun, SRS/Pro Sportler. Gastmitglieder: Evangelisch-reformierte Gesamtkirchgemeinde Thun, Evangelisch-reformierte Kirche Steffisburg, Generation Post Modern Church, Hilfsaktion Märtyrerkirche.

Webseite: www.allianz-thun.ch

Quelle: Thuner Tagblatt

Datum: 12.01.2006

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