So wird manches Gotteshaus möglicherweise auch zu einer Pilgerstätte für Gegenwartskunst, sagt Claudia Breinl vom evangelischen Institut für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Nach ihren Worten wird in den evangelischen Kirchen in Deutschland "dauernd etwas künstlerisch gestaltet". Für den Altarraum der Reformationskirche in Bad Schwalbach etwa hat die Bildhauerin Madeleine Dietz den Altar mit den für sie typischen getrockneten Erdklumpen und Stahl entworfen. Berühmte Namen seien allerdings selten, so Breinl. Sie erinnert sich allerdings an den Maler Georg Baselitz, der mit seinen Werken in allen grossen Museen der Welt vertreten ist. Baselitz hatte für die St. Annen-Kirche im niedersächsischen Grasdorf-Luttrum ein sechs Quadratmeter grosses Altarbild geschaffen, das einen Kopf stehenden gekreuzigten Christus zeigte. Nach langem Streit innerhalb der Gemeinde um das Werk holte Baselitz das Bild zurück ins Atelier. Der Dialog zwischen Kunst und Kirche sei wichtig, erklärte kürzlich die evangelische Landesbischöfin Margot Kässmann aus Hannover, "damit wir aus den Sackgassen kommen, in denen Kunst den Glauben mit Häme überzieht oder Kirche die Kunst zu ihrer Magd machen will." Jahrhundertelang waren es die mächtigen Kirchenvertreter gewesen, die zu den wichtigsten Auftraggebern der Künstler gehörten. Dabei ging es nicht nur um das finanzielle Überleben der Maler und Bildhauer, sondern wohl auch um Ruhm und Ehre - wenn nicht gar darum, mit den ausgestellten Werken ein Stück Unsterblichkeit zu erlangen. Erst in den vergangenen Jahren ist die Ausgestaltung sakraler Räume, die mit hoher Bedeutung aufgeladen sind, offenbar wieder reizvoll für die Künstler geworden. Viele scheinen nicht mehr damit zufrieden zu sein, "nur" in Galerien, Museen oder Privaträumen ausgestellt zu werden. Dabei gelten weder Richter noch Lüpertz oder Rauch als tief religiöse Menschen. Auch nicht Sigmar Polke, der für das Grossmünster in Zürich derzeit zwölf Kirchenfenster schafft. Der als egozentrisch geltende Lüpertz sagte, für ihn sei die Gestaltung der Kirchenfenster eine "grossartige Aufgabe und Herausforderung." Es sei "ein Sonntag, ein Triumph, wenn es gelingt, Tradition mit Tradition zu erneuern und eine alte Technik nicht zu verändern und abzuschaffen, sondern sie in unsere Zeit zu bringen, um mit ihr neu die Kirchenlegenden zu erzählen." Auch Gerhard Richter, der aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist und sich als Agnostiker sieht, bekannte bei der Einweihung seines 113 Quadratmeter grossen Fensters im Kölner Dom, er sei stolz auf dieses Werk. Es besteht aus 11.500 kleinen Quadraten in 72 unterschiedlichen Farben. Anders als seine sonstigen Kunstwerke, die oft nur für eine bestimmte Zeit an einem Ort hingen, sei dies "ein Fenster für die Ewigkeit". Weitere Arbeiten für Kirchen will der 75-Jährige allerdings nicht übernehmen. Der Leipziger Maler-Star Neo Rauch sagte der Kulturzeitschrift "Arte", er stelle fest, dass ihn "eine tiefgreifende Ehrfurcht vor der Schöpfung erfüllt, die sich mit den Jahren immer stärker ausprägt." Für die drei Fenster aus rubinrotem Glas, die er für den spätromanischen Naumburger Dom gestaltete, nahm der 37-Jährige kein Honorar: "Für die Ewigkeit arbeite ich auch gern einmal umsonst."Nicht immer unproblematisch
Dialog wichtig
Tradition in unsere Zeit bringen
Fenster für die Ewigkeit
Datum: 04.06.2008
Quelle: Epd