Gospelsängerin singt wieder
Helen Berhane hatte gerade ein Album veröffentlicht, als sie im Mai 2004 festgenommen wurde. Zur Last gelegt wurde ihr, dass sie weder Glaube noch Musik aufgeben wollte.
Sie gehörte zu einer pfingstlichen Rema-Gemeinde, die wie viele andere evangelische Gemeinden im neomarxistischen Eritrea verboten ist. Die Sängerin war in einem Metallcontainer des Militärcamps Mai-Serwa nördlich der Hauptstadt Asmara eingesperrt. Das hiess: tagsüber brütende Hitze, nachts eisige Kälte.
Im Mai 2002 hatte die Regierung alle Religionsgruppen für illegal erklärt, die nicht zu den staatlich anerkannten orthodoxen, katholischen, lutherischen und muslimischen Religionsgemeinschaften gehören.
Helen wollte nicht aufgeben
"Mit 14 Jahren begann ich Lieder zu schreiben. In dieser Zeit begann ich, auch offen über meinen Glauben zu sprechen." Einen Glauben, denn sie nicht aufgeben wollte.
"Als ich festgenommen wurde, hatte man mir sehr viele Fragen gestellt, immer mit dem Ziel, dass ich meinen Glauben verleugnen sollte, aber lieber wollte ich sterben", sagte Berhane im Gespräch mit der Website "lobpreis.org".
"Ich wurde im Freien mit Ketten gefesselt, ich musste knien, und schwere Steine wurden auf meine Schultern gelegt. Auch musste ich barfuss auf den heissen Steinen hin und her rennen. Es wurde Gehirnwäsche durch körperliche Folter betrieben. Sobald ich von der Bibel oder über den Glauben sprach, wurde ich geschlagen."
Schwarz vor lauter Prellungen
"Eines Tages, während ich in einem Container eingesperrt war, fragte mich ein Wächter, was ich über die Haft und die Folter denke, die ich durchmache", erinnert sich Helen Berhane. "Ich antwortete ihm, dass er wohl den Befehlen folgen müsse, die er von seinem Vorgesetzten erhalte - aber dass auch ich meine Anordnungen zu erfüllen hätte."
Helen schildert das Entsetzen: "Die Soldaten verprügelten mich. Mein Leib war schwarz vor lauter Prellungen. Aber ich habe meinen Peinigern vergeben. Ich habe gebetet, dass Gott sie berührt. Heute blicke ich auf die Zeit im Gefängnis zurück, als wäre ich auf einer Universität gewesen. Ich glaube, Gott hat mich zum Unterricht dorthin gesandt." Sie sei nun ein veränderter Mensch, nachdem sie diese Prüfung durchgestanden habe. "Das christliche Leben ist täglich voller Kämpfe und Herausforderungen, und wenn wir uns weigern, uns ihnen zu stellen, entfernen wir uns von Gott. Es ist wichtig, darüber hinaus den Sieg zu sehen, den uns Jesus Christus verheissen hat."
Jede Nacht Prügel
Im Straflager habe es 23 Schiffscontainer für Gefangene gegeben, in die je zwanzig Leute gesteckt wurden: kein Licht, das Essen verdorben und flüssig. "Mein Körper wurde wegen des Vitaminmangels schwächer, ich hatte Zahnausfall, ich verlor mehrmals das Bewusstsein." Schliesslich habe man sie mit einer Frau eingesperrt, die ihren Verstand verloren hatte. "Sie war nicht zu kontrollieren. Jede Nacht hat sie mich geschlagen."
Diese Frau habe auch ein kleines Fenster, durch das Luft hätte hereinkommen können, verstopft. "Tagsüber stand der Container in der prallen Sonne. In der Folge hatte ich Durchfall. Eine kleine Dose sollte für die Notdurft reichen. Alle Gefangenen wurden krank. Wir wurden so zusammengeschlagen, dass wir nicht mehr laufen konnten."
Schliesslich fiel Helen ins Koma. Ihre Gebärmutter ist durch die Schläge schwer verletzt worden und die Füsse waren so angeschwollen, dass sie nicht mehr gehen konnte.
Wieder in "Freiheit"
Zuletzt wurde Helen in ein Krankenhaus gebracht, aber bald wieder entlassen, weil man dachte, sie würde sterben. "Ich war zur Last geworden, die man loswerden wollte. Fast alle meine Mithäftlinge, die ich im Container kennen gelernt hatte, waren in den Containern umgekommen." Auch daheim habe man sie dann nicht aus den Augen gelassen, damit sie nicht in der Bibel lesen würde.
Auch dank vielen Briefen von Christen an die eritreische Regierung sei die Freilassung erfolgt. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) und idea hatten die 34-Jährige im Januar 2005 als "Gefangene des Monats" benannt und dazu aufgerufen, sie durch Briefe an die Regierung in Eritrea und Gebete zu unterstützen.
Dank Soldaten habe sie dann das Land verlassen können. "Sie hatten Mitleid und halfen beim Beschaffen eines Visums."
Ankunft im Rollstuhl
Sie floh zuerst in die sudanesische Hauptstadt Khartum, weil sie um ihr Leben fürchtete. Dort hielt sie sich zehn Monate bei wechselndem Aufenthaltsort versteckt.
Berhane beantragte anschliessend Asyl in Grossbritanien. Doch die Behörden bearbeiteten den Fall schleppend und so stellte sie auch einen Antrag in Dänemark, der in einem Monat bewilligt wurde. Wegen schweren Bein- und Fussverletzungen durch die erlittenen Schlägen im Gefängnis war sie an den Rollstuhl gebunden, als sie mit ihrer Tochter Eva in Kopenhagen ankam.
Wissen gab Kraft
Nur durch die Gebete von Christen rund um den Globus sei sie fähig gewesen, alle Prüfungen zu überleben. "Ich denke besonders an meine Mitgefangenen", schildert Berhane: "Ich weine täglich um sie, denn ich kenne ihre Lage. Bitte betet für sie so weiter, wie ihr es für mich getan habt."
Anfangs wusste ich nicht, dass sich jemand für mich einsetzte; sagt Berhane, "aber als ich misshandelt wurde, habe ich erfahren, dass mein Name im Westen in der Presse genannt wurde. So oder so, ich musste das Gefängnis ertragen. Doch dieses Wissen gab mir Kraft."
Ihr Album "T' Kebaeku" ("I Am Anointed") aus dem Jahr 2003 wurde in Europa im Juni 2006 neu herausgebracht.
Amnesty International schätzt, dass noch immer tausende Journalisten, politische Aktivisten und Mitglieder religiöser Gemeinschaften in Eritrea ohne Anklage festgehalten werden. Im Januar 2009 starben zwei Christen im Militärgefängnis in Mitire, das eigens zur Verwahrung von Christen erbaut worden war.
Hier singt Helen Berhane:
Datum: 22.05.2009
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet.ch