«Gott liebt Verbrecher»
Das wieder aufflammende Medieninteresse um ihre Person bringt Natascha Kampusch nicht nur wohlmeinende Feedbacks. Wenig zimperlich behandeln die anonymen Postings der Online-Medien Kampusch. Nach wie vor sind dabei alle Extreme zwischen mitfühlender Zuneigung und scharfer Ablehnung vertreten.
Voyeurismus der Buchleser
Die Kampusch-Biografie, die in elf Ländern erscheint, halten die österreichischen Medien für einen «vorprogrammierten Bestseller». Eine Portion Voyeurismus ist schon dabei. Man will sich gruseln und erfahren, wie schlecht es anderen geht um festzustellen, wie gut man es selbst hat.
«Erst jetzt kann ich mit diesen Zeilen einen Schlussstrich ziehen und wirklich sagen: Ich bin frei.» So beendet die heute 22-jährige Natascha Kampusch die 288 Seiten starke Geschichte ihrer Gefangenschaft im Keller von Wolfgang Priklopil. «3096 Tage» heisst das Buch, das nun in den Handel kommt.
«Verbrecher haben ein Defizit»
«Ich mochte als Kind den Religionsunterricht so gerne, und mir ist in Erinnerung geblieben, dass die Religionslehrerin meinte, dass Gott die Verbrecher irgendwie mehr liebt. Dann haben sich natürlich alle Kinder aufgeregt und gesagt: Wieso werden die mehr geliebt? Aber mir war das sofort klar. Weil die irgendwie ein Defizit haben. Das hat nichts damit zu tun, dass sie Gott überproportional liebt, sondern dass sie einfach ein Defizit haben und dass man auch Verständnis haben soll.
Mir war damals schon wichtig, dem Täter auch zu transportieren, dass ich ihm verzeihe und dass es auch möglich ist, dass man sich selbst verzeihen kann. Ich glaube, es ist auch für mich wichtig gewesen, dass sich der Täter zu einem Stück selbst verzeihen konnte. Sonst wäre das Ganze – weil er ja auch so labil war – noch ausgeartet.»
Natascha Kampusch
«3096 Tage»
September 2010
EAN: 9783471350409
ISBN-10: 3-471-35040-3
Erschienen beim List-Verlag
Datum: 07.09.2010
Quelle: Livenet / pte