...oder wenn die Statistik eine Freikirche zur Sekte macht
Sehr geehrte Damen und Herren
Bei der Veröffentlichung Ihres Jahresberichts präsentieren Sie regelmässig auch Zahlen über die Organisationen und Gruppen, für die am meisten Anfragen eingegangen sind. Es sind die Zahlen, welche die Medien naturgemäss auch am meisten interessieren. Obwohl im vergangenen Jahr nur rund 10 % der Anfragen die International Christian Fellowship (ICF) betrafen, steht die missionarisch aktive Jugendkirche an der Spitze der Statistik. Und weil diese Zahlen von einer Sektenberatungsstelle stammen, handelt es sich bei der ICF logischerweise um eine Sekte, insbesondere weil die Statistik sie in die Umgebung von Organisationen wie Scientology und VPM platziert.
Damit soll „Infosekta“ nicht vorgeworfen werden, sie mache die ICF bewusst zur „Sekte“. Vielleicht leistet sie dieser Identifikation aber Vorschub, wenn sie eine christliche Jugendkirche in einer statistischen Tabelle neben der Scientology und dem VPM aufreiht. Im Kommentar dazu differenziert Infosekta zwar, die Anfragen beträfen sowohl christliche wie esoterische und säkulare Organisationen. Doch gelangt diese Differenzierung in einer Tagesschau oder Nachrichtensendung des Radios nicht mehr bis zum Zuhörer oder der Zuschauerin.
Ein weiteres Element Ihrer Darstellung muss für die Betroffenen problematisch wirken. Im folgenden präsentieren Sie die Befragung eines ICF-Aussteigers. Dies ist bei Sektenberatungsstellen so weit auch üblich. Es ist aber auch bekannt, dass Aussteiger meist sehr scharf mit ihrer früheren geistigen Heimat ins Gericht gehen. Denn da ist oft viel Frustration, die in Form von Aggression und entsprechend harten Urteilen kompensiert wird. Aussteiger geben kein neutrales Bild ab. Wird Infosekta der ICF also gerecht, wenn sie sie nur von einem Aussteiger darstellen lässt?
Ein weiterer Punkt: Sie kommentieren im folgenden das Weltbild der ICF, die mit Satan und satanischen Mächten rechnet. Ausserdem kritisieren Sie die „rigiden Moralvorstellung“ der ICF sowie das G12-Konzept. Sind Sie sich bewusst, dass Sie damit Wertvorstellungen einer säkularisierten Gesellschaft über traditionelle christliche Wertvorstellungen stülpen, an die sich eigentlich eine christliche Gemeinschaft halten müsste? Müsste nicht eine christliche Gemeinschaft an den Werten gemessen werden, die sie sich nach ihrem Selbstverständnis gibt?
Zu kritisieren wären an einer christlichen Gemeinschaft etwa schlechte Kommunikation und Lieblosigkeit sowie illegitime Machtausübung (wie das zum Beispiel der Aussteiger tut) – sofern sich solches Verhalten auch verifizieren lässt. Es ist aber methodisch unkorrekt, eine christliche Gemeinschaft zu kritisieren, weil sie christliche Werte pflegt. Wenn christliches Verhalten und christliche Werte – gemessen an säkularen Wertvorstellungen – als sektiererisch gelten sollen, müsste das auch so deklariert werden. Zum Beispiel das konsequent missionarische Verhalten, wie es in den Gottesdiensten und G12-Gruppen dominiert. Dass sich traditionelle Grosskirchen, insbesondere Landeskirchen, eher dem säkularen Umfeld und seinen Werten anpassen als jüngere christliche Gemeinschaften, ist eine Tatsache. Daraus dürfte aber jungen christlichen Kirchen kein Vorwurf erwachsen.
Ich möchte Sie ermutigen, die ICF differenzierter zu beobachten und sie dort zu hinterfragen, wo sie christliche Werte verletzt. Solche Kritik ist für jede Kirche heilsam.
Gerne erwarten wir Ihre Antwort.
Fritz Imhof
Website: www.infosekta.ch
Datum: 18.05.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch