Ist das ein Grund gekränkt zu sein?
Kränkung ist etwas sehr Spezielles und hängt vom Menschen und den jeweiligen Umständen ab. Darauf weist Dr. Martin Grabe, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut, hin.
«Kränkung ist subjektiv»
«Was eine Kränkung ist, das ist bei jedem Menschen sehr verschieden», erklärt Grabe. Beispielsweise könne für den einen Menschen eine Kündigung der absolute Einbruch sein, während ein anderer es als eine willkommene Entwicklung betrachtet, die ihm den letzten Anstoss gibt, sich beruflich zu verändern.
Hilfe oder Misstrauen?
«Kränkung ist subjektiv», so Grabe. Sie «bedeutet, dass etwas angegriffen oder sogar genommen wurde, was wir als selbstverständlich zu uns gehörig betrachten.» Das könne das Ansehen oder die Ehre betreffen, den Besitz oder auch die Freude an einer Sache, die dadurch verloren geht, weil ein Anderer einem den Spass daran verdarb.
Grabe nennt ein weiteres Beispiel: Wer am Arbeitsplatz viele Hinweise und Ratschläge bekomme, könne verschieden darauf reagieren: Für einen neuen Mitarbeiter sei es sicher eine grosse Hilfe, er fühle sich gut behandelt. Wenn die betreffende Person aber schon länger in dem Bereich arbeite, werde sie derartige Hinweise eher als Misstrauen und als verletzend empfinden.
Kränkung – und was dann?
Wenn ein Mensch eine Kränkung erfahre, komme es darauf an, so Grabe, wie er damit umgehe. Ein erster Schritt sei es, den Anderen auf die Situation anzusprechen, um dessen Handeln zu verstehen. «Meist gibt es Umstände, die zeigen, dass es nicht einfach Dickfelligkeit oder fiese Absicht waren, sondern nachvollziehbare Gründe dahinter stecken.» Beispielsweise ein Missverständnis. Auf diese Weise seien manche Kränkungen ganz schnell zu klären.
Aber nicht immer lassen sich Kränkungen so leicht bewältigen. Manchmal ist das Gespräch mit dem Menschen, der mich verletzt hat, ist aus irgendwelchen Gründen gar nicht möglich.
Nicht vergeben ist wie eine Kette
Grabe weist aber auf Folgendes hin: «Wer eine Kränklung nicht loslassen kann, bleibt an den Täter gekettet. Es ist immer wieder so, dass Menschen nach einer Kränkung nicht loslassen, sondern sich ständig weiter mit negativen Gedanken über den Anderen beschäftigen.»
Das ist allerdings völlig widersinnig. Normalerweise ist es das Normalste der Welt, dass jemand, der verletzt wurde, nicht das geringste Bedürfnis hat, bei dem Täter zu bleiben. In seelischen Dingen ist dies aber anders.
Loslassen
Wirklich loslassen kann der Betroffene nur, wenn er dem Verursacher der Kränkung vergibt. Es gehe, so Grabe, um einen bewussten Schritt, dem Anderen sein Verhalten nicht mehr nachzutragen und ihn loszulassen.
In einem der bekanntesten Gebete der Christen wird in Worte gefasst, wie zentral Vergebung ist; dass wirklich jeder Mensch die Vergebung von Gott braucht und diese auch Anderen geben kann. In dem Gebet, das Jesus seinen Mitarbeitern empfohlen hat, heisst es in einem Satz: «Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir denen vergeben haben, die an uns schuldig wurden.» (Die Bibel, Matthäus-Evangelium, Kapitel 6, Verse 12 und 13).
Das ist das Modell, das Jesus vorschlägt: Für die eiegenen Fehler von Gott Vergebung erfahren und in dieser Haltung auch mit Anderen umgehen.
Buch zum Thema:
Lebenskunst Vergebung: Befreiender Umgang mit Verletzungen
Datum: 11.04.2012
Autor: Norbert Abt
Quelle: Jesus.ch