Glenn Beck und die «dritte grosse Erweckung»
«Die Ehre (der Nation) wiederherstellen» sollte die Massenveranstaltung im Herzen der Hauptstadt, mit der Beck den Wahlherbst einläutete, notabene am Jahrestag der historischen Rede von Martin Luther King. Die ausländischen Medien fokussierten in ihrer Berichterstattung auf Sarah Palin, die bei ihrem Auftritt der Heldenhaftigkeit der US-Soldaten Tribut zollte.
Doch Glenn Beck ging und geht es um viel mehr als um die Identifikation mit den Kämpfern der kriselnden Supermacht. Er zielt auf eine geistliche Erneuerung des Landes, ja spricht von der «dritten grossen Erweckung»*. 240 Geistliche brachte der Nachrichtenmoderator der Fox-TV-Kette am 28. August auf die Bühne vor dem Lincoln Memorial. Er bezeichnete sie, in Anspielung auf eine Gruppe von Pfarrern im Unabhängigkeitskrieg, als «Schwarzrobenregiment». Nun wird diskutiert, wie sich Evangelicals, die mit ihren Anhängern Wahlen entscheiden können, gegenüber Beck und der Tea Party-Bewegung positionieren.
Glenn Beck über «Amerikas Dritte Grosse Erweckung»
Für Freiheit und Werte – aber wie?
Auf welcher Grundlage Beck sammelt Vertreter von verschiedenen Kirchen, aber auch Juden und Muslime, für die moralische Erneuerung der Nation, die ihm vorschwebt? Darüber sind prominente Protestanten ganz unterschiedlicher Meinung. Zum Umfeld gehören laut Beck prominente Evangelicals wie James Dobson, Richard Land von den Südlichen Baptisten, Jerry Falwell Jr., John Hagee und James Robison. An einem Treffen im kleinen Kreis, zu dem Beck eingeladen hatte, offenbar am 30. Juni, forderte er die Geistlichen auf, mit ihm für Freiheit und moralische Werte einzutreten – sonst würden die US-Amerikaner die Religionsfreiheit verlieren. Viele Amerikaner sind über die Entwicklung in Politik und Justiz unter Obama alarmiert, was bereits 2009 zur breitabgestützten Manhattan Declaration führte.
Manhattan Declaration
«Gott ist die Antwort»
Zu denken gibt nun manchen Protestanten, dass Glenn Beck ein Mormone ist – und auch, dass er als Moderator der konservativen Fox-TV-Kette über Jahre parteilich und populistisch agiert hat. Land unterstrich jedoch im National Public Radio den überparteilichen, nicht-politischen Charakter der Massenveranstaltung am 28. August. Er verwies darauf, dass Beck auf «geistliche Erneuerung und den Wiederaufbau der Bürgergesellschaft» setze. Er habe davon gesprochen, dass dies überall geschehen müsse, im individuellen und Familienleben, in Kirche, Moschee, Synagoge, Tempel und jeglicher Gemeinschaft. Tatsächlich hatte Beck, als er die Geistlichen vorstellte, betont, dass sie in grundsätzlichen Dingen uneins seien. Doch in einem stimmten sie überein: «dass Gott die Antwort ist».
Appell an zivilreligiöse Gefühle
Valerie Elverton Dixon von den sozial engagierten «Sojourners» ordnete die Veranstaltung als zivilreligiös ein. Hier seien Forderungen, der Nation zu dienen, pseudoreligiös überhoben worden. Zivilreligion sei gefährlich, weil man den Bürgern glauben mache, Gott werde die Nation segnen, wenn sie sich in gewisser Weise fromm verhielten. Zivilreligion ist für Elverton Dixon eine subtile Form von Götzendienst. Die Bloggerin rief dazu auf, nicht die Nation, sondern Gott an die erste Stelle zu setzen und seine universal gültigen Gebote zu befolgen.
Russell Moore, leitender Theologe am Theologischen Seminar der Südlichen Baptisten, bezeichnete die Mitwirkung von Evangelicals als Skandal. Die Gemeinden hätten die Gläubigen zu unterrichten, dass sie das Reich Gottes von den jüngsten politischen Launen unterscheiden könnten. «Es ist traurig zu sehen, dass so viele Christen mormonische Politik oder amerikanischen Nationalismus mit dem Evangelium von Jesus Christus verwechseln.»
Der Blog von Valerie Elverton Dixon
Andere meinen hingegen, dass Beck den wertkonservativen Evangelicals eine grosse Bühne verschafft habe. Bryan Fischer von der «American Family Association» schrieb, Beck habe die Plattform bereitgestellt, Evangelicals hätten die Botschaft gebracht. Jerry Falwell Jr. unterstreicht, dass Vertreter der unterschiedlichsten Gemeinschaften auf der Mall mitgewirkt hätten. «Niemand war da, um die Religion eines andern zu befürworten, sondern wir waren alle da, um unsere Streitkräfte zu ehren und die Bevölkerung der USA aufzurufen, Ehre wiederherzustellen.»
* Mit dem Begriff «Dritte grosse Erweckung» stellt Glenn Beck die Bewegung, die er zu bilden versucht, grossspurig in die Reihe mit zwei grossen Erweckungszeiten, welche das Gesicht Nordamerikas tiefgreifend veränderten. Das «First Great Awakening» geschah zwischen 1730 und 1750 im Zusammenhang mit der Erweckung in Grossbritannien, die durch die Wesley-Brüder und George Whitefield zur Entstehung der Methodistenkirche führte. Whitefield predigte in den Kolonien Neu-Englands auch Afroamerikanern und Sklaven. Der bedeutendste Theologe dieser Erweckung war Jonathan Edwards.
Das «Second Great Awakening» brachte 1790-1840 unzähligen Gläubigen eine Erfahrung der persönlichen Erlösung; zu ihren herausragenden Predigern gehörte Charles Grandison Finney. Die erweckten Gemeinden trugen in der Folge bei zur Reform des Strafvollzugs, zum Kampf gegen Alkoholismus und zur Abschaffung der Sklaverei.
Datum: 07.09.2010
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Christianity Today