Von Jahwe zu Yahoo! Wie Medien die Religion behandeln

Medien
Nicholas D. Kristof
Religion

Beschwerden darüber, wie die Medien die Kirchen und Religion im Allgemeinen behandeln, sind nicht neu. Viele weisen eine solche Anschuldigung zurück, als ein Beispiel für die Redensart “shooting the messenger” (auf den Boten, der eine unangenehme Nachricht bringt, schiessen). Aber eine eingehende Studie über Religion und Presse, die im letzten Jahr veröffentlicht wurde, weist auf schwere Mängel bei der Medienberichterstattung hin.

In seinem Buch “Von Jahwe zu Yahoo!: Die Religiösen Wurzeln der weltlichen Presse”, untersuchte Doug Underwood religiöse Haltungen in den Nachrichtenredaktionen. Underwood, viele Jahre lang aktiver Journalist und jetzt ausserordentlicher Professor für Kommunikation an der Universität von Washington, führte eine umfassende wissenschaftliche Untersuchung über die Religiosität der Journalisten durch.

Niemand ist ganz neutral

Bei seinen Erhebungen ergab sich, dass die Religion durchaus eine Rolle bei der Meinungsbildung von Journalisten spielt, und dass es ein Irrtum ist, wenn man diesen Berufsstand als in der Regel irreligiös oder unbeeinflusst von religiösen Werten abtut. Aber, fügt er hinzu, eine bei den Journalisten häufig vorkommende Eigenschaft ist eine skeptische und empirische Mentalität, die sie für den Sinn der spirituellen Dimension, die im Leben vieler Menschen so wichtig ist, blind macht. Ausserdem besteht eine natürliche Spannung zwischen der Recherche nach “nüchternen Tatsachen,” dem Geschäft der Journalisten, und der Verkündigung spiritueller Werte und religiöser Glaubensinhalte durch Kirchgänger.

Underwood weist darauf hin, dass es nicht leicht ist, Kommentatoren in der überregionalen Presse zu finden, die das Thema Religion so behandeln können, dass ein Verständnis der Thematik über deren politische Implikation hinaus erkennbar ist. “Journalisten müssen lernen”, empfiehlt er, “die Religion mit grösserer Sympathie, grösserem Verständnis und grösserer Sensibilität zu behandeln.”

Alles Terroristen und Pädophile?

Die “Washington Times” berichtete am Studie, die Underwoods Ergebnisse stützt. Die Untersuchung, die von 29 Studenten des Fachs Religion in höheren Semestern an der Universität von Rochester durchgeführt wurde, habe gezeigt, dass beinahe die Hälfte aller 314 untersuchten Artikel über Religion aus 12 Zeitungen in Wirklichkeit von politischen, juristischen oder kriminellen Aktivitäten handelten. Nur 28 Prozent der Artikel bezogen sich bei der Behandlung des Themas Religion ausschliesslich auf Glauben und Werte.

Bemerkenswerterweise handelte die Berichterstattung über den Islam vorwiegend von Verbrechen und Gewalt, und ein Drittel aller Artikel über die katholische Kirche bezog sich auf Verbrechen. Ein Nachruf für einen Priester im “Boston Globe” vom 14. Februar enthielt zum Beispiel viele Details über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche, obwohl der Priester nichts mit dieser Sache zu tun hatte.

“Die Berichterstattung über Katholiken und den Islam war in allen Zeitungen tendenziös,” sagte Curt Smith, Dozent für das Fach Englisch, einer der Leiter der Studie. “Wenn einer von einem anderen Planeten käme, müsste er denken, alle Moslems wären Terroristen und alle Katholiken pädophile Priester.”

Eine Ursache der Probleme liege darin, dass nur eine Handvoll Universitätsprogramme Journalisten auf das Thema Religion vorbereiten. Das stellt Mark Schneider fest, der einen achtwöchigen Sommerkurs über Religionsjournalismus an der Northwestern University gibt, und er fügt hinzu, viele Journalisten empfänden eine “Abneigung” gegen Glaubensdinge.

Ungerechtfertigter Spott

Die Kritik an der Berichterstattung durch die Medien über Religion bekam von unerwarteter Seite Unterstützung. Ein Artikel von Nicholas Kristof, Verfasser von Editorials für die “New York Times”, bemerkt, dass die überregionalen Nachrichtenmedien die religiös und politisch konservativen Evangelikalen durch den Filter der Bildungselite des Nordostens sehen: “Liberale Kritiker scheinen manchmal nicht nur voller Empörung über politische Entscheidungen zu sein, hinter denen evangelikale Einstellungen stehen -- das wäre in Ordnung -- , sondern sie spotten auch über konservatives Christentum überhaupt. Solcher Spott über religiösen Glauben ist unverzeihlich.”

Er fügte hinzu: “Liberale zeigen manchmal mehr Wissbegierde, was die Religion von Afghanistan als was diejenige von Alabama angeht, und mehr Interesse am Lesen der Upanishaden (des indischen Bramahnismus aus dem 8. bis 6. Jahrhundert vor Christus) als am Lesen der Bibel.”

Voreingenommenheit der BBC

Am 19. April sei in einer BBC-Sendung über den heiligen Paulus, die für Mai geplant war, die Behauptung aufgestellt worden, ein epileptischer Anfall oder ein aussergewöhnlicher Blitzstrahl könnte die Bekehrung des Apostels auf der Strasse nach Damaskus verursacht haben.

Vilayanur Ramachandran, ein Nervenspezialist, erzählte dem Publikum, Patienten, die Anfälle erlitten, hätten oft intensive mystische Erfahrungen wie der heilige Paulus. Eine bizarrere Theorie, die von John Derr, einem amerikanischen Erdbebenexperten, vorgebracht wurde, lautet, der helige Paulus sei möglicherweise von einem Strahl elektromagnetischer Energie, ähnlich einem Kugelblitz, die von einem Erdbeben ausgelöst worden sei, getroffen worden.

Die von Underwood beobachtete politische Schlagseite bei der Berichterstattung über religiöse Angelegenheiten ist auch im Vereinigten Königreich anzutreffen, wie dies eine Reporterin des “Independent” am 1. März anschaulich machte: Die Journalistin Elaine Storkey war in einem ungenannten Fernsehatelier während der Inthronisation (der feierlichen Besteigung des Bischofsstuhls) des neuen anglikanischen Erzbischofs von Canterbury, Rowan Williams, anwesend. Nach Storkeys Worten war es “ein trauriges Erlebnis”, da der eigentliche Sinn der Zeremonie durch Bilder von Anti-Kriegsprotestlern, Nachrichteneinblendungen von den Vereinten Nationen und von einer auf einen gedankenverlorenen Tony Blair fixierten Kameraeinstellung ganz in den Hintergrund gedrängt worden sei.

Die TV-Gastgeber hätten ständig wiederholt, dass Williams auf Grund seiner Ansichten über Frauen als Bischöfinnen und über homosexuelle Priester umstritten sei. Das Schlusswort der TV-Sendung war: “Hiermit verlassen wir die Feier der Inthronisation von Rowan Williams, dem 104. Erzbischof von Canterbury, der besonders für seine Opposition gegen Tony Blair in der Frage des Irak bekannt ist und innerhalb der Kirche als Liberaler gilt.”

Wohl könnten die Kirchen und religiösen Denominationen auch viel dazu tun, die Art ihrer Kommunikation zu verbessern. Aber die Medienschaffenden könnten ebenfalls ihr Gewissen ein wenig überprüfen.

Datum: 20.10.2003
Quelle: Zenit

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