Kommentar

Christen predigen Feindesliebe – nicht Hass

Die Erschiessung von fast 80 norwegischen Jugendlichen und der Anschlag in Oslo, einer der für gewaltlose Politik und Friedensbemühungen bekannten Hauptstadt, erschüttern. Welchen Bezug hat der Täter, der seine Verbrechen über lange Zeit plante, zum Christentum?
Die Attentate erschüttern die Herzen der Norweger.

Der Massenmörder Anders Breivik agierte offenbar im Wahn, er müsse in der Spur der Krieger, die einst gegen islamische Invasoren ins Feld zogen, für die einheimische Kultur kämpfen. Der Titel seiner Kampfschrift «2083. A European Declaration of Independence», die er kurz vor seinen Verbrechen ins Internet stellte, nimmt Bezug auf die letzte Belagerung Wiens durch die Türken 1683.

Breivik wollte sich als Kreuzritter sehen, der der Islamisierung Europas wehrt: «Nicht alle Kulturen sind gleichwertig. Einige Kulturen sind besser als andere, einige sind unsere Freunde, einige unsere Feinde.» Zum Protest gegen die multikulturelle Offenheit der politischen Linken seines Landes wählte er Sprengstoff und Kugeln. Laut einer Zeitung schrieb Breivik zu einem von ihm erstellten Internetvideo: «Bevor wir unseren Kreuzzug beginnen können, müssen wir unsere Pflicht tun, indem wir den kulturellen Marxismus dezimieren.»

Norwegen ist von christlichen Einflüssen geprägt wie wenig andere Staaten. Die kalte Grausamkeit, mit welcher der Täter seine Opfer auf der Ferieninsel exekutierte, erschreckt darum umso mehr. Sie kann in keiner Weise christlich begründet werden. Jesus predigte Gewaltlosigkeit und Feindesliebe. Durch die Jahrhunderte haben Christen Bedrängnis und Verfolgung vonseiten Andersgläubiger als ihr Geschick angenommen.

800 Jahre nach den Kreuzzügen halten sich die christlichen Kirchen an das gewaltlose Vorbild von Jesus; dies dürfte Breivik frustriert haben. Die protestantische Kirche, in der er sich als Teenager taufen liess, sei «heute ein Witz», schrieb er später in einem Internetforum. «Priester marschieren in Jeans für Palästina und die Kirchen sehen aus wie kleine Shopping-Center.» Zunehmend liess er sich von anti-islamischen US-Bloggern inspirieren. Vor 2006 war BreivikMitglied der rechtspopulistischen Fortschrittspartei; in jenem Jahr trat er in eine Freimaurerloge ein.

Mit einem kruden Mix von Ideen und in selbstgerechtem Wahn hat Breivik die offene norwegische Gesellschaft geschockt und erschüttert. Europa steht vor der Frage, wie der Vereinsamung von jungen Menschen, der Unsicherheit wegen Immigration und der Gewaltinspiration durch Internetseiten gewehrt werden kann.

Zum Thema:
Stellungnahme der Deutschen Evangelischen Allianz
Stellungnahme der Schweizerischen Evangelischen Allianz (Siehe Anhang)

Datum: 26.07.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

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