Hinwil bis Andelfingen

Der „Bibelbelt“ im Kanton Zürich

Als „Bibelgürtel im Kleinformat“ – analog zu den frommen Gebieten im mittleren Westen der USA – bezeichnet Matthias Herren, Redaktor des Zürcher Kirchenboten, die Bezirke von Hinwil bis Andelfingen im Zürcher Oberland. Es gebe dort überdurchschnittlich viele Freikirchler und auch „Fromme“ in der reformierten Landeskirche.
ZürcherOberland

Es sei schon ungewöhnlich, wenn vor der Probe des Kirchenchors eine Andacht gehalten werde – wie in Bäretswil – oder wenn sich ein Mal wöchentlich über Mittag an der Sekundarschule ein Dutzend Schüler zum Bibellesen und zum Gebet träfen – wie in Gossau, meint Matthias Herren im Editorial des Kirchenboten. Teile der reformierten Kirche im Zürcher Oberland seien von einer Frömmigkeit geprägt, wie man sie sonst nur in freikirchlichen Kreisen kenne. Die Leute wünschten freikirchliche Formen in der Kirche wie Haus- und Gebetskreise oder Lobpreis-Gottesdienste. Dies sei zwar positiv, könne allerdings dazu führen, dass sich Leute, die lieber eine traditionellere Kirche hätten, aus dem kirchlichen Leben zurückzögen.

Einen „Bibelgürtel im Kleinformat“ bietet laut dem Kirchenboten rein statistisch der Bezirk Hinwil. 3.45 Prozent der Bevölkerung gehörten dort zu einer Freikirche, fast doppelt so viele wie im kantonalen Durchschnitt. Auch das Abstimmungsverhalten sei dort konservativer. So habe die EDU an den letzten Nationalratswahlen in diesem Bezirk am meisten Stimmen erhalten. Auch Abstimmungen zur Liberalisierung der Abtreibung oder für die Anerkennung homosexueller Partnerschaften stiessen hier am meisten auf Widerstand. Herren vergisst aber auch nicht zu erwähnen, dass mit 10.3 Prozent der Anteil der Konfessionslosen gerade in Hinwil drei Mal so hoch sei wie im Kantonsdurchschnitt.

Durch die geografische Abgeschiedenheit von Zürich sowie die Opposition gegen die „Zürcher Herren“ habe sich im Zürcher Oberland über die Jahrhunderte eine Vielfalt von religiösen Gemeinschaften gebildet, schreibt dazu Armin Sierszyn, Pfarrer in Bauma und Professor für Kirchengeschichte an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH). Schon vor 800 Jahre habe man hier nach „spirituellen Alternativen zur offiziellen Kirche“ gesucht. Später hätten erweckliche Persönlichkeiten wie Felix Manz, Jakob Böhme oder auch die Herrnhuter Brüder im Oberland gewirkt. Im 19. Jahrhundert sei es zu einem „Wieder)aufbruch der Täuferbewegung gekommen. Speziell sei, dass sich im Oberland das erweckliche Christentum mit modernem Unternehmertum verbunden habe.

Das Dossier schliesst mit einem Beitrag über die Kirchenszene von Wetzikon, wo auf Allianzebene zum Beispiel der „Sonntag der verfolgten Christen“ von drei Freikirchen gemeinsam mit der Landeskirche begangen werde. Das gegenseitige Verständnis der Pfarrer und Prediger füreinander sei dort besonders ausgeprägt. Der Prediger der FCG, Friedhelm Zwahlen, wird mit den Worten zitiert, er sehe Unterschiede lediglich im Stil. „Inhaltlich unterscheiden wir uns kaum.“ Es seien auch Bestrebungen im Gang, dass sich die im Moment noch abseits stehende grosse FEG wieder an den Allianzaktivitäten beteiligen werde, bestätigte gegenüber dem Kirchenbote deren Prediger Karl Albietz, ehemaliger Direktor der Pilgermission St. Chrischona.

Datum: 14.01.2004
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet.ch

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