Im wunderschönen Monat Mai Im wunderschönen Monat Mai, Heinrich Heine, 1797–1856, spricht so manchem aus der Seele, der in diesen Tagen zum Traualtar schreitet. Im Mai zu heiraten ist der Traum vieler Paare, denn er ist der Liebes- und Hochzeitsmonat schlechthin. Und doch sind die Begriffe «Sehnen» und «Verlangen», die der Dichter kunstvoll in Verse kleidet, heute anders besetzt als noch vor 200 Jahren. Die gesellschaftliche Etikette prägte damals das Verhältnis von Verliebten und gestand selbst Ehepaaren in der Öffentlichkeit nur einen züchtigen Handkuss zu. Heute sehen die Geschlechter ihr Verhältnis weitaus pragmatischer. Was noch zu Heines Zeiten üblich war, Treueschwüre per Brief und mitunter langes Warten auf die Ehe, ist einer funktionaleren Sicht von Partnerschaft gewichen. Wer dieser Tage bereits vor der Ehe zusammenleben will, kann das meist ungestört tun. Und wer gar die Eltern fragt, ob er die Tochter ehelichen darf, macht sich damit unter Umständen ein wenig lächerlich. Die «Ehe ohne Trauschein» hat viele Namen: Konkubinat, wilde Ehe, Ehe ohne Alltag, Ehe auf Probe oder Partnerschaft mit Retourschein. Sie tritt in unterschiedlichen Formen auf: als Jugendkonkubinat, Protestkonkubinat oder als Pensionierungskonkubinat. Es scheint banal zu betonen, dass sich die Wertvorstellungen unserer Gesellschaft radikal geändert haben. Die Adelung des «Ich» und damit der Selbstverwirklichung und des Strebens nach persönlichem Glück ist die massgebende Bezugsgrösse in nahezu allen Lebensbereichen geworden. Das leistet einer gewissen Bindungsangst unter Jugendlichen Vorschub. «Gut ist, was ich denke, was mir gut tut.» Das gilt auch für den Begriff «Liebe», der allenthalben als Grundlage für eine Partnerschaft gleich welcher Art proklamiert wird. Bernhard Kuhl von der Biblischen Seelsorge und Lebensberatung in Mücke spricht von einem «reduktionistischen Liebesbegriff»: «Liebe beinhaltet heute nicht mehr die Erfüllung einer vorgegebenen Lebensordnung, sondern kann von jedem Einzelnen subjektiv und unverbindlich definiert werden. Liebe wird geradezu zur Auflösung des Gesetzes im Sinne der Ordnung gebraucht. Wer einen anderen liebt, tut ihm nicht weh, mutet ihm keine schwierigen Herausforderungen und Wachstumsprozesse mit ihren Schmerzen zu, lautet der Kurzschluss.» Kein Wunder also, dass viele oft schon bei den kleinsten Unebenheiten auf der gemeinsamen Lebensstrasse die nächste Ausfahrt nehmen. Diese egozentrische und hedonistische Haltung bringt es mit sich, dass sich Kritik an der Lebensführung Dritter verbietet. Jeder ist sein eigener Herr, glaubt man. Das gilt natürlich auch für den Sexualbereich, in dem es weit freizügiger zugeht als noch vor wenigen Jahrzehnten. Wer mag schon in Zeiten, in denen selbst eine «Homoehe» möglich ist, ein Paar kritisieren, das «normal» zusammenlebt – ob mit oder ohne Trauschein? Doch die sexuelle Freiheit, die manche immer noch als Errungenschaft feiern, hat eine belastende Kehrseite: Die Überbetonung des Sexuellen. Sexualberater Klaus Buddeberg aus Zürich erklärt das so: «Was früher die Angst vor der Sexualität war, ist heute die Angst vor dem sexuellen Versagen.» Nicht selten spielt gerade der Sex bei der Partnerwahl eine grosse Rolle. Viele wollen einen möglichen Ehepartner erst einmal ausprobieren, ohne allzu viel Verantwortung übernehmen zu müssen. Wer, so heisst es dann, wolle schliesslich die Katze im Sack kaufen? Etliche Partnerschaften scheitern so an überhöhten Erwartungen an den Sex. Und solche vorehelichen Trennungserfahrungen senken wiederum, bewusst oder unbewusst, die Barrieren für eine spätere Scheidung. Das Rollenverständnis von Mann und Frau hat sich ebenfalls grundlegend gewandelt. Das klassische Bild vom Mann als Ernährer der Familie ist heute selten geworden. Frauen sind mindestens so gut ausgebildet wie Männer. Viele wollen zunächst einmal ihr eigenes Geld verdienen und Karriere machen, obwohl sie nicht grundsätzlich ausschliessen, später eine Familie zu gründen. «Dabei jonglieren Frauen zwischen vier sich gegenseitig ausschliessenden Leitbildern», so Bernhard Kuhl. «Dem Familienideal, Karriereideal, Unabhängigkeitsideal und dem Mutterideal.» Nur eins davon ist möglich! Überhaupt ist die Vorstellung der Ehe ohne Trauschein als rechtsfreier Raum ein Märchen. Wer sie mit der Absicht eingeht, in einer Bindung ohne rechtliche oder finanzielle Konsequenzen leben zu können, belügt sich selbst. In unsere schier überregulierte Gesetzes-Gesellschaft ist auch das Konkubinat eingeschlossen. Einschlägige Ratgeber werben zwar für diese Form der Partnerschaft als «clevere Alternative» zur Ehe, die steuerliche Vorteile bringe. Sie mahnen aber gleichzeitig die Interessenten, Vereinbarungen über Unterhaltsansprüche wegen gemeinsamer Kinder oder gemeinsamer Konten im Falle der Trennung schriftlich zu fixieren. Ein Internetratgeber zieht das Fazit: «Wer, aus welchen Gründen auch immer, die Institution Ehe ablehnt, sollte trotzdem mit seinem Partner nicht einfach so zusammenleben. Das deutsche Recht ist frei und kennt viele Möglichkeiten, die Partnerschaft individuell zu regeln und dabei zielgerichtet das auszuschliessen, was bei der Ehe abgelehnt wird.»
Mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa zehn Jahren, so sagt man, erreichen gesellschaftliche Trends auch christliche Gemeinden. Und so schlagen sich auch immer mehr Gemeindeleiter mit dem Problem der Ehe ohne Trauschein herum. Sowohl das Jugendkonkubinat als auch die Quasi-Ehe unter Rentnern kommen in christlichen Kreisen vor. Selbst wenn sie von verschiedener Art und Motivation sind: Sie stellen Gemeinden vor eine grosse Herausforderung. Der frühere Bundesdirektor der Baptisten in Deutschland, Pastor Eckhard Schaefer, sprach sich bereits für eine kirchliche «Seniorenehe» aus, wenn durch eine offizielle Ehe eine «unerträgliche soziale Notlage» zu befürchten sei. Denn: Heiraten verwitwete Pensionäre, droht ihnen die Kürzung der Rentenansprüche. Unter Jugendlichen sieht Siegbert Lehmpfuhl von der christlichen Ehe- und Familienberatung «Team.F» vor allem eine grosse Unsicherheit in der Frage der Partnerwahl. Er sieht das Problem darin, dass der Wert der Ehe selbst unter Christen zu wenig erklärt werde. Verurteilungen, so Lehmpfuhl, seien jedenfalls fehl am Platze. Gemeinden sollten sich viel mehr Hilfsstrategien zurechtlegen, um Jugendlichen in dieser wichtigen Frage zu helfen. Dahinter steckt nicht mehr und nicht weniger als ein gesellschaftliches Projekt für gesunde Beziehungen und Familien, gegen Bindungsangst, für die Achtung der personalen Würde des Menschen und für eine neue Sicht auf Jesus Christus, als Stifter von Partnerschaften, die ein ganzes Leben lang halten. Autor: Manuel Liesenfeld
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.Viele Namen
Nächste Ausfahrt
Erst mal probieren
Karriere machen
Kein rechtsfreier Raum
Grosse Herausforderung
Wert der Ehe
Datum: 24.05.2005
Quelle: Chrischona Magazin