Kinderarmut bekämpfen

Damit alle Kinder Pläne schmieden können

Das Wohl des Kinds muss im Handeln des Staats Vorrang erhalten. Am Caritas-Forum «Arme Kinder» hat die Psychologin Heidi Simoni eine kinder- und familiengerechte Politik gefordert.
«Jedes zehnte Kind armutsgefährdet.»

Laut Simoni, Leiterin des Marie Meierhofer Instituts für das Kind, sind «menschenwürdige, nachhaltig günstige Lebens- und Entwicklungsbedingungen für alle Kinder» zu schaffen. Dafür müssten die Kinderrechte als Massstab genommen werden, die Bedürfnisse der Eltern und Betreuungspersonen berücksichtigt, die Qualität von Schulen und ausserfamiliärer Betreuung verbessert und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet werden, wie Simoni am Caritas-Forum vom 27. Januar 2012 in Bern sagte.

Wenn Armut bedeute, dass man keine Pläne mehr schmieden könne, dann sei dies schädigend, sagte die Psychologin. Selbstverwirklichungserfolg sei für das Kind zentral, Ohnmacht hingegen könne depressiv machen. Simoni erwähnte den prekären Status und schwierige Lebensbedingungen von zugewanderten Kindern.

In den Städten mehr gefährdete Kinder

Jacqueline Fehr, Präsidentin von Kinderschutz Schweiz, forderte einen Plan zur Armutsbekämpfung. «In den Städten ist jedes 10. Kind armutsgefährdet – und das im reichsten Land der Welt.» Insgesamt 260‘000 Kinder seien von Armut betroffen. Notwendig sei eine Zielsetzung wie in der Verkehrspolitik, wo der Ausbau der Infrastruktur bis zu einem bestimmten Jahr definiert werde, betonte die SP-Nationalrätin. «Der Bund muss hier die Führungsrolle übernehmen, denn er hat die Kinderkonvention unterschrieben.»

Widerstand im Parlament gebe es wegen des «Kulturkampfs» um Familien- und Frauenbilder. Zudem werde im föderalistischen Staat die «heisse Kartoffel» von Bund zu Kanton zu Gemeinde weitergereicht. Der Steuerwettbewerb habe Auswirkungen auf die Sozialpolitik.

Den Teufelskreis durchbrechen

Walter Schmid, Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und Direktor der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern, nahm Fehrs Einschätzung auf und sprach von einem «zehnjährigen parlamentarischen Trauerspiel». Vor den 250 Teilnehmenden des Caritas-Forums wandte er sich gegen die Vorstellung, Armut sei vererbbar. Besser spreche man von Verfestigung der Armut.

Um den «Teufelskreis der Armut von Kindern und Jugendlichen wenigstens punktuell aufzubrechen», setzt Schmid auf mögliche Veränderungen und Perspektiven: «Je eher wir in der Lage sind, Jugendlichen Perspektiven zu eröffnen, umso eher wird es ihnen gelingen, aus der Armut herauszufinden… Armut überwinden heisst Ausbruch aus einer Welt ohne Wahl.»

Der Staat handelt – und könnte mehr tun

Was der Staat für die Familien tut, legte in Bern Martin Kaiser vom Bundesamt für Sozialversicherungen dar. Zu den Instrumenten des Bundes gehören Alimente, die Verbilligung der Krankenkassenprämien, steuerliche Besserstellung von Familie und Familienzulagen. Der Bund unterstütze zudem familienfreundliche Projekte und setze Impulse für ausserfamiliäre Betreuungsplätze.

Der Staat neige dazu, eher zu spät zu handeln, kritisierte Carlo Knöpfel, Inland-Leiter von Caritas Schweiz. Das Armutsrisiko würde verkleinert, wenn man früher etwas unternähme. Im Namen des katholischen Hilfswerks forderte er Ergänzungsleistungen für Familien, eine Besteuerungsbefreiung des Existenzminimums und die Zahlungsbefreiung der Kinder von den Krankenkassenprämien. Mit dem Wink auf den Zaunpfahl «Verdingkinder» warnte er allerdings davor, die gesellschaftliche Verantwortung zu hoch anzusetzen und Eltern aus der Verantwortung zu entlassen.

Datum: 31.01.2012
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet / Kipa

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