Lebendige Entscheidungen
Es reizt mich als Psychiater und Christ zu dieser Aussage Stellung zu nehmen und darüber mit Ihnen nachzudenken.
Und als erstes gleich ein Hinweis, lesen Sie nicht:
- Wähle den Weg, der Dich fröhlicher macht oder
- Wähle die Entscheidung, die Dir am besten gefällt oder
- Wähle das, was deiner Neigung entspricht oder
- Wähle die Richtung, die Du gerade gehen willst
Nein: Entscheide Dich für das, was Dich lebendiger macht.
Also eine Aufforderung darüber nachzudenken, was mich eigentlich lebendiger macht.
Schauen wir in die Bibel
Da fallen mir die Propheten und Stammväter ein: «ich kann nicht» (Die Bibel, 2. Mose, Kapitel 3, Vers 11); «ich habe keine Stimme» (2. Mose 4,1); «ich bin zu jung» (Jeremia 1,7)
Wir kennen sie alle, diese Aussagen aus dem Alten Testament. Lieber bleib ich beim Althergebrachten, lieber sieche ich weiter vor mich hin, halblebendig und halbtot. Und diese Menschen musste Gott mit manch sanftem Schupser lebendiger machen, die fingen an zu leben, die hatten eine Aufgabe, die ihr Leben war. «Leben», das manchmal tödlich war, aber lebendig.
Und gehen wir in die heiligen Orte der Gegenwart: Hollywood lebt von den Helden, die eine Aufgabe hatten, die in ihr lebendig wurden. Seien Sie ehrlich: Wer möchte nicht gerne wie Mel Gibson als Mose in «Braveheart» sein Volk zur Freiheit führen? Wer möchte nicht gerne eine Aufgabe haben, die jede Faser unseres Lebens durchdringt wie ein Nelson Mandela und «alt und lebenssatt» in die neue Welt gehen?
Und wir kennen unsere Suche nach der richtigen Entscheidung, die uns lebendig machen soll: nach der richtigen Berufsentscheidung, nach dem/der richtigen PartnerIn. Wie oft haben sie Vliese ausgelegt? Wie oft haben sie keine Antwort erhalten? Und wie oft haben wir von Geschwistern gehört: «Gott hat mir gezeigt…». Sind wir die einzigen, denen Gott seinen Willen nicht offenbart? Will er uns nicht lebendiger machen?
Ich selbst reagiere auf diese Aussage, Gott habe es offenbart, mit Unbehagen. Allzu oft erlebe ich «Gottes Willen» bei meinen KlientInnen als die Wunscherfüllung des eigenes Egos.
Ja sicher, Verliebtsein macht anfangs lebendig, aber leider ist Verliebtsein auch eine Psychose, die normalerweise wieder verschwindet, und wenn die Hormone sich wieder eingependelt haben, dann wird die Lebendigkeit schmerzlich vermisst.
Unterschätzen wir nicht die Beziehung zu unserer/m PartnerIn. Sie macht lebendig und kann uns gleichzeitig gefangen nehmen und lähmen. In den schwierigen Zeiten unseres Lebens und gerade an dessen Ende werden unsere Kinder und unser/e PartnerIn da sein, nicht unsere Freunde und Freundinnen. Deshalb gilt es, diese Beziehungen zuallererst zu pflegen.
Andererseits kann eine Partnerschaft eben auch lähmen, tiefe Furchen (Psalm 129,3) auf unserem Rücken hinterlassen. Manch Bruder und manche Schwester wurde erst nach einer Trennung wieder lebendig. Und möge uns Gott vor aller Überheblichkeit bewahren und uns zu denken geben, dass Gott uns bis jetzt davor bewahrt hat, weil wir diesen Schritt nicht verkraftet hätten. In meiner Praxis muss ich des öfteren den Tod der «Eheperson» diagnostizieren und dies einige Zeit bevor «der Tod uns scheiden» sollte.
Ich schmunzle über den armen Jakob, als er beschloss wegzuziehen. Das Einfachste war wohl die Verhandlung mit Laban. Lea und Rahel zu überzeugen?
Sagen Sie mal Ihrer Frau, dass Sie wegziehen wollen, dass die neue Gegend Sie wohl nicht mit Freundlichkeit empfangen wird und Sie eigentlich überhaupt keine Vorteile sehen und der einzige Grund für das Wegziehen Ihre Schuldgefühle gegenüber Ihrem Bruder sind. Aber dass Sie den Eindruck haben, dass es die lebendigere Entscheidung ist.
Wohl dem, dessen Frau Sie dafür küsst und sagt: «Schatz, super, ich steh hinter deiner Entscheidung.» Oft erleben wir erst in der Rückschau Gottes liebevolle Hand über uns. Aber vorher fühlten wir uns bezüglich einer Entscheidung ziemlich alleine gelassen.
Die Psychologie zur Entscheidungsfindung?
Wenn Sie vor einer Entscheidung stehen, dann können Sie beten oder sie können, wenn Sie etwas von Psychologie gelesen haben, das Vierfelderschema aufmachen: kurzfristige Vorteile gegen kurzfristige Nachteile gegen langfristige Nachteile und langfristige Vorteile. Ziel ist es, die Argumente zu sammeln und sich möglichst auf die langfristigen Vorteile zu konzentrieren. Das funktioniert!
Aber macht alleine Erfolg lebendiger? Die moderne Verhaltensökonomie weisst noch einen anderen Weg; sie sagt: Hören Sie auf Ihr Herz. Das macht vielleicht nicht reicher und angesehener, aber lebendiger.
Dazu ein Gedankenexperiment: Überlegen Sie einmal, was Sie in den vergangenen 12 Monaten lebendig gemacht hat. Waren es nicht die Entscheidungen, die wagemutig waren, die nicht dreifach abgesichert waren? War es nicht manch spontaner Entschluss? War es nicht dieses: «Das ist zwar vollkommen daneben, aber ich wage es.»
Konkret: Was macht Sie lebendig? Ist es nicht die Schönheit Ihres/Ihrer Partners/in, auch wenn er/sie nicht dem Ideal Ihrer Umgebung entspricht? Ist es der Gedanke an einen schönen Urlaub? Ist es der Wunsch, jemand bestimmtes zu besuchen? Ist es der Wunsch nach vier Wochen Mission in Kanada oder ein Kibbuzaufenthalt? Dann machen Sie es!
Was lässt Sie eigentlich sterben? Welche Beziehung raubt Ihnen ihre Lebendigkeit? Welcher Anbetungsstil, welches geistliche Vorgabe tötet Sie?
Der Sechser im Lotto
Am Ende Deines Lebens wirst Du traurig sein über die Chancen, die Du nie ergriffen hast.
Dazu eine jüdische Weisheit:
Ein Jude betete jeden Tag zu Gott, dass er doch endlich im Lotto gewinne. 30 Jahre wiederholte er das Gebet täglich. Aber nichts geschah. Jedoch kam nach diesen 30 Jahren plötzlich ein Donnern und Blitzen vom Himmel, und aus dieser Donnerwolke ertönte die Stimme Gottes zu dem Juden: «Kauf Dir endlich ein Los, damit Du gewinnen kannst.»
Haben Sie sich Ihr Los gekauft? Haben Sie sich aufgemacht, haben Sie sich in Bewegung gesetzt? Oder beten Sie noch um Lebendigkeit? Trauen Sie Gott zu, dass er schon «stopp» sagt, wenn Sie das falsche Los kaufen!
Dem Weg zur Entscheidung zur Lebendigkeit gehen mindestens drei Schritte voraus. Dazu gehören die Erkenntnis, dass sich etwas ändern soll und die innere Entscheidung dazu. Dazu gehört auch die Ankündigung und das Planen für das neue Leben.
Die Entscheidung ist vielleicht das Leichteste von allem. Das Dranbleiben, das Durchhalten trotz Probleme, trotz Schwierigkeiten, das wird unsere Schule des Lebens sein. Das wird uns zu lebendigen Menschen machen, das wird uns lebendig, lebensfroh und lebenssatt machen.
Werden wir lebendig!
Mini-Buch zum Thema:
Entscheiden. Impulse für die richtige Wahl
Datum: 14.05.2012
Autor: Christian Schäfer
Quelle: PERSPEKTIVE