„Geheiligt werde mein Popstar“

Geheiligt werde mein Popstar
Diana
Paris Hilton
Robbie Williams
Musizieren für den unvergänglichen Star: Jesus Christus.
Jesus Superstar

Sie werden angehimmelt und leidenschaftlich geliebt, sind Fantasie-Freunde, Wunsch-Geliebte, Ersatzheilige: Stars.

Niemand wird ihn wohl so schnell vergessen, den 31. August 1997, der Tag, an dem Diana starb. Und kaum jemand, der sich nicht daran erinnert, wo er gerade war, als ihn die Nachricht vom Tod der englischen Prinzessin ereilte.

Binnen weniger Stunden schwappte eine nie gesehene Schockwelle über die ganze Welt. Tagelang pilgerten Hunderttausende zum Buckingham-Palast, um ihrer „Herzensprinzessin“ die letzte Aufwartung zu machen. Landsleute fielen sich mit wildfremden Touristen in die Arme und brachen in Tränen aus, als hätten sie soeben ihre beste Freundin verloren. Und sogar viele der sonst so distanzierten Journalisten mussten bei der Fernseh-Übertragung der Beerdigung gegen ihre Rührung ankämpfen.

Was passierte da gerade? Wieso litten so viele Menschen so sehr wegen einer Frau, die sie gar nicht kannten? Oder vielleicht doch? Dianas Leben war – dank Presse- und Fernsehen – zu einem Teil unseres Lebens geworden. In ihrem öffentlich zu Schau gestellten Leid nach der Scheidung spiegelte sich das Leid Millionen ebenfalls Geschiedener. Ihre Stärke, ihr Licht hatte Millionen triste Leben für wenige Jahre erhellt. Und nun war dieses Licht, wie eine „Candle in the wind“, wie eine Kerze im Wind, erloschen.

Mediengeschöpf Star

Das was wir damals miterlebten, waren die hysterischen Auswüchse eines Phänomens, das Psychologen „Star-Anhimmelungssyndrom“ nennen; eine Marotte der modernen Gesellschaft, die sich für die einen auf einen harmlosem Unterhaltungswert beschränkt und die sich bei anderen zur gefährlichen Besessenheit, dem „Stalking“, auswachsen kann.

Die Sehnsucht nach dem Star als Freund und Vorbild durchzieht mittlerweile sämtliche Alters- und Gesellschaftsschichten. Was den Teenagern Jeanette Biedermann ist, ist der Frau in reiferen Jahren ein André Rieu und dem Professor der Philosoph Jacques Derrida. Idole gibt es mittlerweile für alle Lebenslagen und Vorlieben. Selbst der Papst ist ein Star mit doppelseitigem Poster in der „Bravo“, was der „Bild am Sonntag“-Chefredakteur Claus Strunz kürzlich mit spitzen Worten kommentierte: „Ich würde sagen, Benedikt muss aufpassen, dass er am Ende seiner Amtszeit nicht mehr Groupies als Gläubige hat.“

Die Medienmaschinerie liefert derweil fleissig und immer schneller: Sie ist es, die den Star kreiert, seinen Stern aufgehen oder verlöschen lässt. Sie macht ihn zum Halbgott oder lässt ihn nach Belieben fallen wie eine heisse Kartoffel.

Was suchen wir?

Was suchen Menschen eigentlich in Stars? Wieso tapezieren Teenager ihr Zimmer mit Bildern von Paris Hilton oder Silbermond und was treibt 60-jährige Frauen in einen Roland Kaiser-Fanclub?

Identität. Viele Fans suchen in den Attributen, die sie ihrem Star zurechnen, ihre eigene Identität. Für sie liefern die Schönen und Reichen, die ihnen Zeitschriften, Internet und Fernsehen rund um die Uhr ins Wohnzimmer liefert, die ideale Fläche für die Projektion ihrer Träume: von Schönheit, Stärke, Liebe und Ruhm. Bis zu einem gewissen Grad ein normales Bedürfnis, sucht sich doch jeder Mensch im Laufe seines Lebens starke Menschen aus, an denen er selbst reifen und denen er nacheifern kann. Die Psychologin Lynn McCutcheon jedenfalls sieht daher erst einmal nichts Negatives darin, einen Star zu verehren, solange es im Rahmen bleibt: „Wer von uns hat noch nicht versucht, zu singen, zu tanzen, zu rennen oder zu schauspielern? Es ist doch sehr vernünftig, andere zu bewundern, die diese Dinge besser können als wir.“ Aber schnell wird das Vorbild – das oft im Ganzen gar nicht so vorbildlich ist - zum Fixpunkt, an dem das Leben ausgerichtet wird.

Extrem bedenklich ist die Starverehrung dann, wenn Fans den Kontakt zu sich und ihrem eigenen Leben verlieren und sich nur noch über ihren Star identifizieren. Michael Rappe, Dozent für Poptheorie der an der Universität Kassel, skizziert diese extremste Form der Starverehrung wie folgt: „Der Fan sieht sich nur noch im Kontext seines Idols. Das reicht bis zur Namensänderung oder chirurgischen Eingriffen.“

Orientierung. In einer Welt des Pluralismus, in der alles gleich gültig ist und in der sich alle Werte zu einem unkenntlichen Grau vermischt haben, fühlen sich immer mehr Menschen überfordert, wenn es um die Ausrichtung ihres Lebens geht. Was die Sachlage nicht gerade erleichtert ist die Tatsache, dass Staat und Kirchen, die über viele Jahrhunderte Orientierung boten, heute kaum noch Vertrauen entgegen gebracht wird. Jeder Zweite gibt in Umfragen an, die Kirchen hätten auf die ihn bewegenden Fragen keine Antworten mehr. Da haben die Stars von heute schon mehr zu bieten. Das zumindest glaubt der Fan. Seine Logik ist zwingend: Wer reich und berühmt ist, muss doch schliesslich wissen, wo es im Leben lang geht und kann sicher auch anderen den Weg nach oben weisen. Die vielen Abstürze, Drogenexzesse und kaputten Beziehungen der Superstars werden bei derartigen Überlegungen gerne ausgeblendet. Und auch, dass Geld und Ruhm kein Garant für glückliches Leben sind.

Beziehung. Weil viele moderne Ehen und Familien ein immer kürzeres Verfallsdatum aufweisen, wird der Star wird schnell zum Ersatz für reale zwischenmenschliche Beziehungen. Der Fan macht ihn zu einem Teil seines persönlichen Lebens, er wird Freund, Berater, Tröster, Vorbild – wenn auch nur in der Fantasie. Fanclubs werden häufig zum regelrechten Familienersatz. In den Treffen mit anderen Fans erleben Menschen eine Gemeinschaft, die ihr Leben bereichert. Matthias Rappe allerdings fühlt sich bei so manchem Formen an die Verehrung Heiliger in südeuropäischen Ländern erinnert: „Fangemeinden erinnern in ihrer Struktur zuweilen an Orden oder Bünde, die Stars nicht selten wie säkulare Ersatzheilige benutzen.“

Erlösung. Wissenschaftler wissen längst, dass Stars für viele Menschen als „Ersatzgötter“ fungieren. Kein Wunder: Das spirituelle Vakuum der Moderne hat anfällig gemacht für pseudoreligiöse Botschaften. Götzen werden eben gebraucht in einer Welt ohne Gott. Der Journalist Matthias Mattussek, selbst bekennender Mick Jagger-Fan, schrieb dazu im Magazin „Spiegel Kultur“: „Die Tröstung durch Religionen in früheren Zeiten bestand ja darin, dass sie dem Einzelnen das Gefühl der Einzigartigkeit vor Gott gab. Nun ist die Religion aus dem Alltag verschwunden und mit ihr das Gefühl des Angesprochenseins. Das Göttliche fehlt. Doch es hat einen Mangel hinterlassen, der nach Befriedigung sucht. Die Kirchen sind leer, aber in unzähligen Haushalten gibt es Altäre für Robbie Williams und Schreine für Britney Spears.“

Einer, der sich der religiösen Attribute seines Status durchaus bewusst ist, ist der britische Fussball-Star David Beckham. Nach Beobachtungen des Sozialwissenschaftlers Carlton Brick inszeniert Beckham sich in den Medien bewusst als Heilsbringer: So liess sich er nach dem Feldverweis bei der WM 1998 mit Christusbart und dem Wort „Erlösung“ abbilden. Seinen dritten Sohn nannte er Cruz (spanisch für „Kreuz“) und im Wachsfigurenkabinett liess er sich mit seiner Frau Victoria als Jesus und Maria modellieren.

Jesus Christ – Superstar!

Bevor das Wort „Idol“ seine heutige durchaus positive Bedeutung als Vorbild bekam, bezeichnete es in der römischen Antike und im auch später im christlichen Kontext ein Götzen- oder auch Scheinbild. Was den tatsächlichen Sachverhalt bei näherer Betrachtung wohl am besten beschreibt. Wer will schon ernsthaft leugnen, dass man von Menschen, die häufig selbst nicht wissen, wer sie sind, kaum mehr als eine schlechte Vorlage für das eigene Leben erwarten kann? Matthias Mattussek: „Es ist das Zeitalter der ewigen Götzendämmerung, in der wir unglücklich aufgeklärt zu den bunt bemalten Lampions hinaufschauen, die wir selbst aufgehängt haben, und uns für eine Weile einbilden, sie seien die Sonne und vertrieben uns die Angst vor Einsamkeit und Nacht.“

Identität, Orientierung, Beziehung, Erlösung – all das gehört eigentlich zum Angebot der Kirchen. „Jesus Christ Superstar“ ist eben nicht nur der Titel eines Musicals, sondern in der Tat ihr grösstes Kapital. Er ist der wahre Stern, der gerne im Herzen und im Leben eines jeden Menschen aufleuchten will (Die Bibel, 2. Korinther 4,6). Diese Wahrheit auf neuen Wegen heutigen Zeitgenossen wieder zugänglich zu machen, das ist wohl die grösste Herausforderung an die Kirchen in den kommenden Jahrzehnten.

Die 18-jährige Sabrina jedenfalls, Besucherin des katholischen Weltjugendtags im vergangenen Sommer, sucht ihren Stern nicht mehr im Pophimmel. „Sterne, die nur mal so aufflackern“ nennt sie ihre Idole von früher. Sie wollte mehr, den Stern für die Ewigkeit, einen, der ihre persönliche Sinnfrage erhellt. Und sie hat ihn gefunden: „Mein Stern ist Jesus“, sagt sie heute und weiss: Jesus, das ist einer, der nie mehr aus den Charts stürzt.

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Datum: 15.09.2006
Autor: Sabine Müller
Quelle: Neues Leben

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