John Wesley und die Methodisten - Prototyp einer Freikirche

John Wesley und George Whitefield gelten als die frühesten Strassenprediger der neueren Kirchengeschichte. Ihre eindrückliche Predigt führte zahlreiche Menschen in die persönliche Sündenerkenntniss und zum Empfang der Vergebung. Stark war die Bewegung aber auch in der weiteren Begleitung der Glaubenden und in Fragen der Organisation. Das G12-Modell hat in der methodistischen Bewegung seinen Ursprung.


John Wesley

Die neue Gemeinschaft der Methodisten wächst von Tag zu Tag. Während George Whitefield zweifellos der begabtere Prediger ist, fehlt ihm doch jedes Organisationstalent. So schafft er es nicht, die Bekehrten zu sammeln. Ganz anders John Wesley. Er fasst seine Anhänger und später auch die von Whitefield Gewonnenen in kleinen Gruppen, den so genannten "Klassen" von nur zwölf Personen zusammen. Jede "Klasse" hat ihren Leiter, und diese Leiter müssen jedes Glied ihrer Klasse wöchentlich einmal besuchen, sie lehren und ermahnen, wenn nötig auch trösten und ihnen helfen. Alle Klassenleiter treffen sich ebenfalls einmal wöchentlich bei dem Prediger und erstatten ihm genauen Bericht. Jedes Mitglied der Methodisten erhält eine Art Ausweis, der alle Vierteljahre zu erneuern ist. Aber dieser Ausweis wird nur an solche Mitglieder erneut ausgegeben, die sich aktiv am Leben der Gemeinde beteiligen. Wer nachlässig wird oder sich in irgendeiner Weise nicht bewährt, bekommt den Ausweis nicht und scheidet damit automatisch aus der Gemeinschaft der Methodisten aus.

Alles Aktivmitglieder

So erhält John Wesley die Gewähr, dass ausschliesslich aktive und begeisterte Gemeinden entstehen. Passive Mitglieder gibt es schlechthin nicht. Die Laien werden wie die Theologen ebenfalls zum Predigtdienst herangezogen. Wem es dazu an "Gaben" fehlt, der betätigt sich als Helfer in der Gemeinde, als Krankenpfleger, als Jugenddiakon oder als Lehrer der Kinder. Praktisch hat jedermann und jedefrau ein Amt, und alle üben dieses Amt verbindlich und sorgfältig aus. Besonders bemerkenswert ist die Spendierfreudigkeit der Methodisten, die ihre Prediger aus eigenen Mitteln bezahlen und dazu noch Andachtsräume und Kapellen stiften. Trotz dieser verhältnismässig schweren Bedingungen steigt ihre Zahl rapide an. 1770 sind es dreissigtausend, 1780 schon vierzigtausend, und beim Tode John Wesleys im Jahre 1791 nicht weniger als hundertzwanzigtausend. Wie gesagt, Aktivmitglieder!

Gemeinsame Überzeugungen

Freilich bleiben die Methodisten keine einheitliche Gemeinschaft. Schon zwischen Wesley und Whitefield kommt es zu lehrmässigen Differenzen, später spalten sich einige Gruppen ab, aber die Grundzüge der verschiedenen Gruppierungen sind alle gleich: Das "Ja" zur persönlichen Bekehrung, gelebter Glaube und grosse Aktivität in der Gemeinde. Übrigens bleiben die Methodisten zunächst Glieder der anglikanischen Kirche. Erst als man ihnen den Zugang zu den Sakramenten verwehrt und die Staatskirche sie immer heftiger angreift, werden sie zu selbständigen Religionsgemeinschaften und damit zu Freikirchen.

Bis nach Nordamerika

Als Freikirche spielen sie auch in Amerika bald eine gewichtige Rolle. Hier wirkt vor allem der Prediger Francis Asbury, der die methodistische Bischofskirche Amerikas aufbaut und Tausende und Abertausende von Anhängern sammelt, die sich bald in viele hundert Gemeinden gliedern. Gegenwärtig stellt der Methodismus mit neunzehn Untergruppen und insgesamt neun Millionen Mitgliedern die zweitgrösste freikirchliche Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten. Wohlgemerkt: Neun Millionen aktive Mitglieder, die nicht, wie in den Landeskirchen Europas, in ihre Kirche "hineingeboren" wurden, sondern sich freiwillig zum Beitritt entschieden haben und ihre Überzeugung täglich neu bewähren müssen.

Wirkungen auf die Staatskirche

Dem Beispiel John Wesleys und George Whitefields folgen andere Prediger. Durch ganz England geht eine mächtige Erweckungsbewegung, die sich schliesslich auch auf die anglikanische Staatskirche befruchtend auswirkt.

Datum: 10.02.2005
Autor: Fritz Imhof

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