Neue Verfassung

Türkei konsultiert erstmals Christen

Erstmals hat die Türkei offiziell Vertreter ihrer nicht-muslimischen Minderheiten nach ihren Wünschen für die geplante neue Verfassung gefragt. Auch beginnt Ankara mit der Rückgabe von einst beschlagnahmten, christlichen Gebäuden.
Tuerkische Flagge

Der griechisch-orthodoxe Patriarch Bartholomaios I. sowie Vertreter der syrisch-orthodoxen Kirche präsentierten kürzlich ihre Vorschläge vor dem verfassungsgebenden Parlamentsausschuss in Ankara. Bartholomaios I. sprach von einem historischen Ereignis: «Eine neue Türkei wird geboren», zitierte ihn der türkische Nachrichtensender NTV.

Der Ausschuss zur Einigung auf eine neue Verfassung ist ein All-Parteien-Gremium des Parlaments. Es wurde im Oktober 2011 gegründet und soll Vorschläge zur neuen Verfassung aus allen Bereichen der Gesellschaft sammeln. Der Text soll bis Jahresende stehen und das derzeitige Grundgesetz der Türkei ablösen, das 1982 unter Militärherrschaft in Kraft getreten war.

Geld für Pastoren gefordert

Rund 99% der Türken sind Muslime. Die Türkei ist eine säkulare Republik, in der alle Bürger nach dem Gesetz gleich sind. Im Alltag sind aber religiöse Minderheiten benachteiligt, etwa in der Frage des Immobilienerwerbs, auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Ausbildung von Geistlichen. Die Verbesserung der rechtlichen Lage von Christen und Juden gehört zu den Hauptforderungen der EU an den Beitrittsbewerber Türkei.

Bartholomaios I. forderte im Ausschuss ein Recht für Christen auf Ausbildung ihres geistlichen Nachwuchses sowie eine Wiedereröffnung des seit 1971 geschlossenen Priesterseminars Chalki auf der Insel Heybeliada bei Istanbul. Zudem sollten christliche Geistliche ähnlich wie die muslimischen Geistlichen in der Türkei künftig vom Staat bezahlt werden.

Probleme werden angesprochen

Für die syrisch-orthodoxen Christen forderte der Anwalt Rudi Sümer in seiner Rede vor dem Ausschuss zudem eine förmliche Anerkennung der rund 10’000 syrisch-orthodoxen Christen als Minderheit. Bislang sind in der Türkei als nicht-muslimische Minderheiten nur Juden, Armenier und orthodoxe Griechen anerkannt.

Zu den Forderungen der Christen gehört auch ein Ende von Diskriminierungen im gesellschaftlichen und beruflichen Leben. So sollen abwertende Textpassagen über Christen aus Schulbüchern gestrichen werden. Bei einem Treffen mit EU-Minister Egemen Bagis hatten Christen und Juden in der vergangenen Woche auch eine Benachteiligung bei der Anstellung im öffentlichen Dienst beklagt. Bagis räumte Probleme in der Vergangenheit ein. Zugleich forderte er Juden und Christen auf, sich um Ämter im Staatsdienst zu bewerben.

Immobilien zurück an Besitzer

Der türkische Staat beginnt nun auch mit der Rückgabe von beschlagnahmten Immobilien an nicht-muslimische Minderheiten im Land. Als erste Einrichtung soll eine griechisch-orthodoxe Stiftung ein Schulgebäude in Istanbul zurückerhalten, das 1974 dem türkischen Finanzamt zugeschlagen worden war. Die Rückgabe soll innerhalb von zwei Monaten abgeschlossen sein. Die Regierung hatte die rechtliche Grundlage dafür im vergangenen Jahr geschaffen.

Bei dem Erlass vom vergangenen August ging es um die «Erklärung von 1936». Damals mussten die nicht-muslimischen Stiftungen ihren Besitz auflisten. Einige dieser mehreren tausend Immobilien wurden in den folgenden Jahren und Jahrzehnten vom Staat eingezogen und teilweise verkauft. Der Erlass sieht eine rasche Rückgabe von Immobilien oder aber die Entschädigung zum Marktwert vor, falls die Häuser oder Grundstücke inzwischen an Dritte verkauft wurden. Vertreter von Christen und Juden in der Türkei hatten den Erlass als wichtigen Fortschritt begrüsst.

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Susanne Geske: «Ich will keine Rache» (Buch)
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Datum: 23.02.2012
Quelle: Kipa

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