Einsiedeln zelebriert erstmals neues Miteinander junger Christen
Thomas Fässler: Dass ein religiöser Anlass von jungen Christen aus verschiedenen kirchlichen Traditionen von Grund auf gemeinsam organisiert und geprägt wurde, ist tatsächlich etwas Neues, und zwar nicht nur für Einsiedeln, sondern, soweit ich dies sehe, weit darüber hinaus. Allerdings ist der Austausch zwischen christlichen Konfessionen oder gar zwischen verschiedenen Religionen in Einsiedeln schon lange Tradition; bereits im 18. Jahrhundert bestanden beispielsweise enge Freundschaften zwischen Einsiedler Mönchen und reformierten Zürcher Theologen.
Warum wurde Einsiedeln als Austragungsort gewählt?
Die Initiative für diesen Anlass kam von jungen Mönchen des
Klosters. Nachdem ein Vorbereitungsteam zusammengestellt worden war,
diskutierten wir allerdings intensiv über die Standortfrage. Dabei
wurden auch Alternativen zu Einsiedeln angeschaut. Für diesen Ort
sprach, dass ein Kloster für viele eine «neutrale Zone» und deshalb
einen guten Austragungsort für einen interkonfessionellen Anlass
darstellt. Auch fasziniert die Tatsache, dass hier seit Jahrhunderten Menschen
jener Sehnsucht nachgehen, welche die Teilnehmer miteinander verbindet,
nämlich der Glaube an Gott. Ungleich schneller einig waren wir uns bei
der Suche nach einem Datum: Der Bettag mit seinem ökumenischen
Hintergrund bot sich nämlich hierfür geradezu an.
Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Die Initialzündung kam am nationalen, katholischen Weltjugendtag in Freiburg anfangs Mai 2015.
Am selben Wochenende fand auch in Biel ein grosser religiöser Anlass
für junge Christen mit vor allem freikirchlichem Hintergrund statt. Das
beschäftigte mich: Wie können junge Menschen, denen der Glaube wichtig
ist, parallel nebeneinander drei Tage lang Gott ins Zentrum stellen,
sich also desselben Mittelpunkts im Leben besinnen, ohne dabei aber
gross miteinander in Berührung zu kommen? Schliesslich brauchte es aber noch das Reformationsjahr 2017.
Für mich war dabei klar: Wir können dieses Gedenkjahr nicht begehen,
ohne nun einen Schritt weiterzugehen, indem wir jungen gläubigen Leuten
ermöglichen, miteinander in Kontakt zu kommen, sich voneinander
inspirieren zu lassen. Dafür wollte ich eine Plattform schaffen. Dazu musste natürlich als
erstes ein Vorbereitungsteam von Gleichgesinnten zusammengestellt
werden. Hier war es ganz spannend, wer schliesslich über wen mit ins
Boot stieg. Viele von uns kannten sich vorher nicht; inzwischen
verbindet uns aber eine schöne Freundschaft.
Auf der Internetseite werden «alle jungen Leiterinnen und Leiter»
eingeladen. Wer ist damit gemeint? Was ist mit den «unter 20-Jährigen»?
Anfänglich befürchteten wir, dass bei so vielen involvierten
Kirchen und Gemeinschaften unsere Kapazitäten bald überstiegen sein
würden. Deshalb haben wir die Werbung vor allem auf jene fokussiert,
die dort, wo sie kirchlich zu Hause sind, eine Leitungsaufgabe in der
Jugendarbeit wahrnehmen. Mit den am Anlass gemachten Erfahrungen sollten sie quasi als
Multiplikatoren dienen, um das neue Miteinander unter jungen Christen zu
fördern und zu prägen. Freilich waren schon immer auch Interessierte
willkommen, die keine offizielle Funktion wahrnehmen oder etwas jünger
sind.
Wie viele Leute erwarten Sie?
Für den ersten Anlass dieser Art rechnen wir mit gut Hundert
Teilnehmern; so viel Anmeldungen haben wir nun, zehn Tage davor, schon
fast. Falls es sogar noch mehr werden, freuen wir uns natürlich darüber.
Anmeldungen nehmen wir immer noch gerne entgegen.
Ist es ein öffentlicher Anlass – zum Beispiel der Fackelmarsch, Gottesdienst und Gebetsnacht?
Die Klosterkirche ist immer für alle offen. Für andere
Programmpunkte wie Workshops und Plenumsveranstaltungen braucht es
allerdings eine Anmeldung.
Was ist das Ziel dieses überkonfessionellen Treffens?
Der Anlass will nicht eine Konferenz sein, in der
Diskussionen über die nächsten Schritte auf dem Weg zur Einheit unter
den Christen im Zentrum stehen. Vielmehr sollen das Gebet und der
Lobpreis Gottes sowie die Wege, wie wir ihm in unserem Alltag Raum
schaffen können, im Mittelpunkt stehen. Dabei werden wir viel
Gemeinsames entdecken, aber auch viel Neues voneinander lernen können.
Angesagt ist ein «feierliches Mittagessen». Was ist das?
Bei unseren Vorbereitungen diskutierten wir auch darüber,
wie die Frage eines gemeinsamen Abendmahls angegangen werden soll. Uns
war dabei klar, dass wir noch nicht so weit sind und dies auch
anerkennen sollen. So kamen wir auf die Idee, stattdessen ein
feierliches Mittagessen, quasi ein Agape-Mahl als Ausdruck der
Verbundenheit und Gemeinschaft, ins Programm zu nehmen.
Was ist das Gemeinsame und was das Trennende zwischen den Teilnehmern?
Das Gemeinsame ist der Glaube an den einen Gott. Wie wir uns
aber ihm nähern, wie wir ein Leben nach seinem Willen führen, darin
unterscheiden wir uns in manchem.
Ist vorgesehen, dass der Einsiedler Anlass eine Fortsetzung findet?
Wir liessen diese Frage bewusst offen. Vorerst freuen wir uns einfach mal auf dieses Wochenende.
*Katholische Kirche, reformierte Kirche, Campus für Christus, Schweizerische Evangelische Allianz, die Gemeinschaft Jahu in Biel, die christliche Bewegung von Berufstätigen, Studierenden, Mittelschülerinnen und Mittelschülern VGB.
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Datum: 11.09.2018
Autor: Georges Scherrer
Quelle: kath.ch