Halbierte Hilfe – ganzer Segen?

Entwicklungshilfe als Politikum

Eine von SVP-Politikern angekündigte Initiative sorgt für Diskussionsstoff: Entwicklungshilfe sollen in Zukunft nur noch solche Staaten erhalten, die in anderen Fragen (zum Beispiel bei der Wiederaufnahme abgewiesener Asylbewerber) kooperieren. Mit ihrem Ansatz steht die Schweizer Partei nicht allein. Die Frage ist: Trifft sie damit den Kern der Sache? Oder agiert sie hauptsächlich populistisch? Ein Kommentar von Hauke Burgarth.
Entwicklungshilfe von Pepsi bezüglich Wasserversorgung in Indien
Hauke Burgarth

Mit der Gründung der OECD (Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) entstand 1961 auch der Begriff der «Entwicklungshilfe». Heute spricht man in der Politik zwar hauptsächlich von Entwicklungszusammenarbeit, doch Basis ist immer noch ein Transfer von Finanzen, Geräten und Know-how aus den industrialisierten Geberländern in Entwicklungsländer.

Hilfe war immer auch politisch motiviert

Die Idee, zusammen mit der Hilfe auch politischen Einfluss zu nehmen oder mindestens Beziehungen zu stärken, war dabei von Anfang an stark ausgeprägt. Man befand sich in der Zeit des Kalten Krieges und in Afrika waren 1960 gerade erst 17 (!) Staaten unabhängig geworden und damit auf der Suche nach einer neuen nationalen Identität. Gleichzeitig beherrschten zahlreiche Stellvertreterkriege das politische Leben. Klar, dass z. B. die DDR sich in sozialistischen Staaten wie Angola, Mosambik und Äthiopien engagierte. Die humanitäre Hilfe reichte dabei von der Berufsausbildung über Gesundheitsentwicklung bis hin zur Militärberatung. Westdeutschland, die Schweiz und die übrigen westlichen Länder handelten nicht anders. Auch sie engagierten sich eher in Staaten, die ihnen politisch näher lagen oder – nach dem Motto: «der Feind meines Feindes ist mein Freund» – in strategisch wichtigen Entwicklungsländern, selbst wenn es sich dabei um Unrechtsregimes handelte.

Missionaren in Afrika wird ja immer wieder vorgeworfen, dass sie in Wirklichkeit gar nicht helfen, sondern nur missionieren wollen. Doch dasselbe gilt für die politische Entwicklungshilfe. Auch sie hat Nebenziele – und manchmal wird gar die eigentliche Hilfe zur Nebensache.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Viel ist bei der Entwicklungshilfe verkehrt gemacht worden. Falsche Abhängigkeiten wurden geschaffen, Diktaturen an der Macht gehalten, manche Hilfe kam nie bei den Hilfsbedürftigen an. Doch trotz dieser Fehler hat die politisch konkurrierende Entwicklungshilfe so etwas wie ein globales Bewusstsein geschaffen. Und sie hat Hilfe freigesetzt, die Menschenleben gerettet und Umstände verändert hat. Ohne dabei Missstände schönzureden, ist ein gewisser Pragmatismus hier sinnvoll. Selbst wenn jemand nicht aus reiner Nächstenliebe unterwegs ist, kann er durchaus Menschen helfen.

Kritik bringt (auch) Verbesserung

Manche politischen Entscheidungen oder Initiativen haben im Laufe der Zeit zu wichtigen kreativen Veränderungen geführt. Dies galt und gilt gerade für finanziell knappere Zeiten. Während der Ölkrise in den 70er Jahren wurden etliche Projekte gestrichen, die sich eigentlich schon lange überlebt hatten, doch sie waren ja einmal bewilligt worden, also lief das Geld weiter …

Zurück zur aktuellen Situation: Genau so ein (positiver) Ansatz kann auch die Initiative der SVP sein. Wenn es darum geht, nachhaltig zu helfen, ergebnisorientiert zu arbeiten, die Frage der Menschenrechte in den Empfängerländern auf die Tagesordnung zu setzen, dann kann diese Kritik echte Verbesserungen bewirken.

Allein, mir fehlt der Glaube …

Es sieht allerdings ganz so aus, als ob hier scheinbar sinnvolle Argumente vorgeschoben werden, um in erster Linie Geld zu sparen. Dieselben Politiker der Industrienationen, die sich daran stören, dass Entwicklungsländer hinter ihren Erwartungen zurückbleiben, hatten noch nie ein Problem damit, dass auch Entwicklungshilfe praktisch immer hinter den Erwartungen bzw. sogar Versprechungen zurückgeblieben ist: 0,7 Prozent des Bruttoinlandprodukts wollen die meisten in die Entwicklungszusammenarbeit investieren – und tun es nicht. So wird mit stammtischtauglichen Vorwürfen, dass der grösste Teil der Hilfsgelder «in dubiosen Kanälen» versande (so SVP-Nationalrat Sebastian Frehner) den Ärmsten der Armen die Hilfe abgestellt.

Wer nicht gibt, beraubt sich selbst

Die Bibel beleuchtet noch einen ganz anderen Zusammenhang. Sie macht klar, dass auch und gerade der Gebende gesegnet wird. Bei halbherzigen, egoistisch motivierten Kürzungsgedanken fällt dieser Segen weg. «Ich möchte, dass ihr euer Essen mit den Hungrigen teilt und heimatlose Menschen gastfreundlich aufnehmt. Wenn ihr einen Nackten seht, dann kleidet ihn ein. Verleugnet euer eigenes Fleisch und Blut nicht. Wenn du so handelst, wird dein Licht aufleuchten wie die Morgenröte. Deine Heilung wird schnelle Fortschritte machen. Deine Gerechtigkeit geht dir dann voraus und die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach. Dann wirst du rufen und der Herr wird antworten …» (Jesaja 58,7-9).

Datum: 06.08.2014
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet

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