Während eines Fests von Theologiestudenten im Seminar beim Grossmünster in Zürich fällt der Name Bullinger. Eine jüngere Studentin kann sich darauf keinen Reim machen; sie fragt, in welchem Semester er studiere. „Der ist schon lange gestorben“, bekommt sie zu hören, „du stehst auf seiner Grabplatte!“ Die Geschichte hat sich so zugetragen – nicht zufällig. Zwar amtete Bullinger 1531-75 als Leiter der Zürcher Kirche, länger als jeder Andere. Zwar wurden die Schriften des Reformators in seiner Zeit europaweit mehr gelesen als die von Huldrych Zwingli, aber in der Folge verschwand Bullinger im Schatten seines Vorgängers und Calvins, der mehr Angriffsflächen abgab. Denn Zwingli empfahl sich wegen seines Todes auf dem Schlachtfeld eher als Held und identitätsstiftende Gestalt der Schweizer Reformierten; das trutzige Denkmal mit Bibel und Schwert bei der Wasserkirche zeugt davon. Doch Heinrich Bullinger war viel mehr als ein blosser Nachfolger. Er hat als Kirchenleiter und Theologe, Publizist und Historiker, Seelsorger und Gastgeber wesentlichen Anteil am Erstarken der Reformation. (Zwei Ausstellungen im Grossmünster und in der Zentralbibliothek verdeutlichen derzeit diese Leistung.) Dass die heftig angefochtene Bewegung in der Schweiz überlebte, Christen in ganz Europa verband und Gemeinwesen wie Zürich tiefgreifend prägte, hat mit Bullingers aufbauendem, sorgfältig vermittelndem, unermüdlichem Wirken zu tun. Zugleich ist Bullinger als geistlicher Autor, als Vater im Glauben neu zu entdecken – für heute. Das jedenfalls meint Siegfried F. Müller. Der Pfarrer und Heilpädagoge (72) hat sich über zwanzig Jahre in Bullingers Schriften vertieft und einzelne selbst übersetzt und herausgegeben, so die ‚Summa christenlichen Glaubens’ von 1556. Die Werke des Reformators sind zum grössten Teil nicht als Bücher greifbar (eine siebenbändige Ausgabe soll bis 2005 erscheinen). Umso mehr freut sich Müller, dass Texte Bullingers zum christlichen Glauben, von seinem Team elektronisch erfasst, nun auch auf CD zu haben sind . Ohne Dinge wie die Verurteilung der Täufer auszublenden (nicht wegen ihres persönlichen Glaubens, sondern wegen ihrer gesellschaftlichen „absonderung“ = Unsolidarität), hält sich der rüstige Bullinger-Freak an die lehrhaft-erbaulichen Werke des Schriftstellers. Das Bemühen des Kirchenleiters, als Lehrer seiner Zeit einen gesunden Glauben, ein beständiges, klares und begründetes Vertrauen auf den Gott der Bibel zu vermitteln, ist auch heute aktuell. Bullinger gewann die Grundlage für sein enormes Werk als Teenager, als er während seines Magisterstudiums in Deutschland Luther und die Kirchenväter las und von der Tradition auf die Bibel zurückgriff. Dort fand er Jesus – und auf ihn wollte er hören, ihm gehorchen, von ihm Leben empfangen und es den Menschen seiner Zeit weitergeben. Sein ganzes Leben lang. Siegfried F. Müller ist überzeugt, dass Bullingers Wahlspruch heute genauso gilt: „Christus allein ist zu hören“. Livenet bringt eine Reihe mit Texten Bullingers, die seinen Glauben und seine Persönlichkeit zeigen. Am Montag: ein Brief Bullingers, des Vaters, an seinen Sohn Heinrich, der im Studium in Wittenberg zu viel Geld braucht und zum Lutheraner umgebogen werden soll… Das Bullinger-Jubiläum auf Livenet: Frühe Reife, enormes Werk: Menschen als Partner Gottes: Der geistliche Erzieher: „Vielleicht aktueller, als uns lieb ist“: Bei Bullinger anknüpfen: Umfassende Webseite der Zürcher Landeskirche über Bullinger: Das Bullinger-Jubiläum im Aargau: Die Bullinger-Ausstellung im Grossmünster läuft bis zum 17. Oktober 2004. Die Zentralbibliothek Zürich (Zähringerplatz 6) erinnert mit einer eigenen Ausstellung an die pionierhafte publizistische Tätigkeit von Heinrich Bullinger.
Nicht Held und Märtyrer wie Zwingli…
…sondern umsichtiger Lehrer und Berater
Bullinger für jeden Tag
Gesunder, klar begründeter Glaube
Die Mitte: auf Christus hören
Bullingers Biografie
Die Modernität Bullingers
Glauben als Vertrauen auf Gott
Stop! Bullinger über Anstössiges
Der Reformator und die Reformierten heute
Wolfgang Huber über die evangelischen Kirchen heute
www.der-nachfolger.ch
www.bullinger500.ch
Öffnungszeiten: Mo-Do 10-18, Fr-Sa 10-20, So 12-18 Uhr. Eintritt frei.
Öffnungszeiten (Katalogsaal): Mo-Fr 8-20, Sa 8-16 Uhr. Eintritt frei.
Öffentliche Führung am Mittwoch, 18. August, 18 Uhr.
Datum: 17.07.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch