Sexueller Missbrauch in der Kirche

Sexueller Missbrauch

Die katholische Kirche sollte beim Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch durch Geistliche den Erkenntnissen der Wissenschaft Rechnung tragen. Bei der Diskussion über strenge Strafen, über Wege von Therapie, Aufklärung und Vorbeugung oder geeignete Tests für Priesteramtskandidaten müssten berücksichtigt werden.

Das geht aus einer von der Päpstlichen Akademie für das Leben veröffentlichten neuen Studie "Sexueller Missbrauch und die katholische Kirche "Wissenschaftliche und rechtliche Perspektiven" hervor. Auf 220 Seiten fasst das Buch die Ergebnisse einer Experten-Tagung über sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester und Ordensleute zusammen.

Wissenschaft statt kirchliche Antwort

Pädophilie sei ein schreckliches Thema, zu dem die Öffentlichkeit klare Lösungen verlange. Aber man müsse dieses Problem wissenschaftlich angehen, betonen die Herausgeber des Buches, unter ihnen der Kölner Chefarzt, Psychiater und Theologe Manfred Lütz, der die Tagung mit vorbereitet hatte. Es gehe in der Studie nicht um eine kirchliche Antwort zu dem Thema, sondern um wissenschaftliches Grundlagenmaterial, das die Akademie dem Vatikan hiermit zur Verfügung stelle.

Jede verantwortliche Antwort der Kirche in dieser Frage und jede rechtliche Entscheidung müsse die Ergebnisse der Wissenschaft berücksichtigen. "Die Hilfe der Wissenschaft ist hier unverzichtbar", betonte Lütz auch angesichts harter Reaktionen der Öffentlichkeit bereits gegenüber dem Verdacht auf Pädophilie.

Sexueller Missbrauch von Kindern durch Geistliche sei etwas besonders Schreckliches für die Kirche selbst. Allerdings sei Gott für die Kirche auch ein Gott der Gnade und der Vergebung. Es bleibe zu prüfen, wie die Kirche mit reuigen Tätern umgehe - ohne dass junge Leute erneut einem Risiko ausgesetzt würden.

4.450 Priester in 50 Jahren 11.000 Kinder

Rund 11.000 Kinder sind nach einem Bericht des US-Nachrichtensenders CNN mutmasslich in den vergangenen 50 Jahren in den USA von etwa 4.450 katholischen Priestern missbraucht worden. Diese Zahlen ergäben sich aus Kirchenbericht.

Wie CNN im Vorfeld berichtete, waren 78 Prozent der Opfer zum Zeitpunkt des mutmasslichen Missbrauchs zwischen 11 und 17 Jahren alt. 16 Prozent seien zwischen 8 und 10 Jahren alt und 6 Prozent 7 Jahre und jünger gewesen. Mehr als die Hälfte der betroffenen Priester sei eines Vorfalls beschuldigt worden, 25 Prozent wegen zwei oder drei Vorfällen, 13 Prozent wegen vier bis neun und drei Prozent wegen zehn oder mehr.

Ernst der Situation nicht erkannt

Die 147 Geistlichen, gegen die zehn oder mehr Beschuldigungen erhoben worden seien, machten sich nach CNN-Angaben gegenüber 3.000 der 11.000 Opfer schuldig. In dem Kirchenbericht werde auch deutlich gemacht, dass das Ausmass des Skandals auf die Haltung von Bischöfen, die Ernsthaftigkeit der Situation zu verstehen, den Wunsch nach Vertuschung und die Nutzung "von unqualifizierten Therapiezentren" für Missbrauchspriester zurückzuführen sei.

Die von der Bischofskonferenz eingesetzte Kommission zur Aufarbeitung des Skandals hatte von allen Diözesen Statistiken über Missbrauchsfälle sowie über den Umgang mit Tätern und Opfern verlangt.

Nach Bekanntwerden der Vorkommnisse traten mehrere Bischöfe zurück, Dutzende Priester wurden ihrer Ämter enthoben. Nach gerichtlich verfügten oder aussergerichtlich erzielten Einigungen mit Opfern wurden umgerechnet bereits Hunderte von Millionensummen Franken an Entschädigungen gezahlt. Hunderte Fälle stehen noch zur Verhandlung an.

Von katholischer Seite wird zwar immer betont, dass es keinen Zusammenhang zwischen Zölibat (plichtgemasse Ehelosigkeit aus religösen Gründen) und sexuellem Missbrauch gebe. Man sollte aber auch hier die Sache überdenken.

Quelle: Kipa/Livenet

Datum: 25.02.2004

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