Kommentar

Ein heilsamer Schock?

Da vergeht sich ein Pädophiler an mehreren Kindern, und der «Blick» wie der «Tages-Anzeiger» nehmen dafür die ganze Freikirchen-Landschaft in Sippenhaft. Die Opfer waren kaum ein Thema, und zu Wort kommt primär ein Sektenexperte: «Viele Evangelikale können sich nicht vorstellen, dass Leute ihres Glaubens massivst sündigen können. Für Freikirchler können Freikirchler nicht pädophil sein. Ein ICFler ist für ein Mitglied der Christlichen Gemeinde Volketswil automatisch rechtgläubig und ein guter Mensch. Ich hoffe, dass dieser Fall in der Freikirchenszene ein heilsamer Schock ist?» ? «Dümmer gehts nimmer!», war meine erste, genervte Reaktion. Es würde wohl kaum die ganze Schule als Pädophilie fördernde Institution an den Pranger gestellt, falls mal wieder ein Lehrer wegen solcher Vergehen verhaftet würde! Mittlerweile habe ich mehrmals darüber geschlafen. Wie der Sektenexperte Georg Otto Schmid zu seinen Aussagen kommt, möchte ich mir noch persönlich erklären lassen. In meiner Wahrnehmung wird in Freikirchen wohl überdurchschnittlich häufig Raum geschaffen, um auch über Schattenseiten des menschlichen Lebens zu reden. Und gerade was die zerstörerischen Aspekte menschlicher Sexualität anbelangt, geht es dabei nicht einfach um die böse Welt «da draussen», sondern es wird zunehmend sehr offen über die Realitäten in unseren Kirchen gesprochen. Journalisten spekulierten darüber, ob Mitglieder der am Rande betroffenen Freikirche von den Neigungen des Pädophilen wussten. Und suggerierten, dass sie sich damit automatisch mitschuldig gemacht hätten. Klar ist, dass praktizierende Pädophile in hohem Mass rückfallgefährdet sind und es wirklich problematisch ist, ihnen aus Barmherzigkeit heraus im kirchlichen Umfeld eine zweite Chance geben zu wollen. Ebenso klar ist auch, dass die Grenzen von pädophilen Neigungen hin zu illegalem Bilderkonsum bis zum Missbrauch fliessend sind. Der jetzt moralisierende Journalist wird vielleicht beim privaten Pornographiekonsum auch nicht allzu genau darauf achten, ob bei allen Darstellerinnen auf seinem Bildschirm die legale Altersgrenze beachtet wurde. Und zu Beginn der Feriensaison könnte er auch darüber schreiben, dass in den asiatischen Sex-Destinationen massenhaft Knaben und Mädchen zu finden sind, die nicht das legale Alter haben! Da können wir uns nun Georg Otto Schmid zu Herzen nehmen, denn die Situation könnte tatsächlich für Christen ein heilsamer Schock sein. Doppelmoral ist nämlich auch bei uns weit verbreitet. Manche schreien so laut nach mehr Moral in der Gesellschaft, weil sie selber mit den zerstörerischen Kräften in ihrem Leben nicht zurechtkommen. Wir haben aber als Leib Jesu eine grosse Chance: Wir können entdecken und vermitteln, wie die Verbindung von «Gnade und Wahrheit» gerade im Bereich der sexuellen Zerbrochenheit Menschen in die Freiheit führen kann. Machen wir uns gemeinsam auf den Weg! Der Autor ist Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) Mehr zum Thema:
Wilf Gasser, Präsident der Schweizerischen Evangelischen Allianz
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