Philipp Hadorn

«Gott hatte die Hand im Spiel»

Einen Richtungswechsel zu einer klar gewerkschaftlichen, klar christlichen und klar sozialen Politik fordert der neu gewählte Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn. Der 44-jährige Gewerkschaftssekretär aus Gerlafingen erklärt, warum ihm die Bibel manche Antwort für eine konsequente linke Politik gibt.
Philipp Hadorn

Herr Hadorn, wie haben Ihre drei Teenager am 23. Oktober auf Ihre Wahl in den Nationalrat reagiert?
Philipp Hadorn: Sie haben sich riesig gefreut. Der Älteste betreut meine Website. Bevor er zurück in die RS fuhr, hat er noch den Dank auf die Website geschaltet. Der 17-Jährige interessiert sich recht stark für die Politik und hat richtig mitgefiebert. Und der 15-Jährige fand es einfach «cool», dass sein «alter Vater» gewählt wurde.

Welche Reaktion hat Sie besonders gefreut?
Hervorstechend war für mich schon der Anruf einer 93-jährigen Frau aus unserer EMK-Gemeinde. Sie erreichte mich auf dem Natel im Wahllokal und gratulierte mir ganz herzlich. Sie sagte, sie habe die ganze Zeit dafür gebetet, dass es richtig herauskommt.

Sie lagen nur 22 und 28 Stimmen vor ihren stärksten Konkurrenten. Hatte da Gott die Hand im Spiel?
Für mich ist das ganz klar. Ich fuhr ja meine Kampagne mit dem Slogan «Klar gewerkschaftlich, klar christlich, klar sozial». Ich war schon mit diesem Profil in die Politik eingestiegen. Ich wusste eine ganze Schar von Betern hinter mir. Von daher sehe ich hinter meiner Wahl klar Gottes Führung – wie schon bei meinem ganzen politischen Weg.

Was bedeutet Ihnen die Bibel?
Sie ist meine Richtschnur. Sie hilft mir beim Versuch, Sachfragen richtig zu beurteilen. Damit will ich gar nicht behaupten, dass ich immer richtig entscheide. Aber mit dem Wirken des Heiligen Geistes rechne ich konkret!

Gemäss Wahlwerbung streben Sie einen «Richtungswechsel» an. In welche Richtung?
Ich will einen Richtungswechsel zu einer klar gewerkschaftlichen, christlichen und sozialen Politik. Mit «klar gewerkschaftlich» meine ich sichere Arbeitsplätze, faire Löhne und Arbeitsbedingungen. Unter «klar christlich» verstehe ich vor allem den Schutz der unantastbaren Würde eines jeden Menschen in jeder Lebenssituation. Und «klar sozial» meint die Sicherung der Sozialwerke, eine gerechte Steuerpolitik, den Zugang zu Bildung, ÖV und bezahlbarem Gesundheitssystem.

Wofür würden Sie in nächster Zeit auf die Strasse gehen?
Die gewerkschaftliche Bewegung hat eine lange Tradition, für ihre Anliegen auf die Strasse zu gehen. Kundgebungen können durchaus zielführend sein. Ich ging ja am Christustag auch schon für Jesus auf die Strasse. Aber auch für die AHV oder gegen Sozialabbau habe ich schon demonstriert. Vielleicht könnte die Zeit bald reif sein, um für gerechte Mindestlöhne und Lohnbeschränkungen auf die Strasse zu gehen.

Den Bürgerlichen werden Sie als Politiker wohl zu links und den Linken zu fromm sein. Was heisst das für Sie?
Ich bin mir dessen sehr bewusst und auch gespannt, was auf mich zukommt. Ich will als Politiker einfach weiterhin authentisch sein und das leben, was ich als richtig erachte. Ich hoffe, dass ich auf beiden Seiten Vorurteile abbauen kann. 

Wie wurden Sie politisiert?
Das war als Elfjähriger, als ich in die Kanti in Solothurn ging. Da bin ich der «Überparteilichen Bewegung gegen Atomkraftwerke» beigetreten. Daneben war ich in unserer Gemeinde und in der Bibelgruppe schon sehr aktiv. Aus meinem Glauben heraus beschäftigten mich soziale Themen und deren politische Umsetzung schon früh. Gesellschaftliche Fragen wurden auch am Familientisch diskutiert. Meine Eltern waren FDP-Mitglieder, aber eher passive.

Warum sind Sie als bekennender Christ dann nicht der EDU oder der EVP beigetreten?
Die Wahl der richtigen Partei stand schon mit 20 in meinem Gebetstagebuch. Das rot-grüne Spektrum hatte früh meine Sympathien. Dessen Einsatz für die Umwelt und soziale Gerechtigkeit überzeugten mich. Natürlich gab es auch dort Haltungen, die mir weniger passten. Eine EVP existierte in Solothurn noch nicht. Bei der EDU war mir die Schnittmenge klar zu klein, vor allem beim Verständnis, wie man mit Fremden und sozial Schwachen umgeht. Als wir 1995 nach Gerlafingen zogen, bekam ich einen Flyer mit Beitrittserklärung der SP. Nach Gebet schrieb ich dem SP-Präsidenten: «Als engagierter Christ möchte ich die Gesellschaft    positiv beeinflussen.» Prompt folgte die Antwort: Es freue ihn, wenn der christlich-soziale Flügel seiner Sektion gestärkt werde. Darauf bin ich mit 30 der SP beigetreten und kurz darauf als SP-Gemeinderat gewählt worden.

Keine Zweifel als evangelikaler Christ in einer linken Partei?
Warum auch? Gerade zu sozialen und ökologischen Fragen finde ich im Evangelium einen ganzen Strauss von klaren Antworten, die mir in bürgerlichen Parteien oft zu kurz kommen.

«Bibelleser wählen links» hiess es in der «NZZ am Sonntag» zu einer aktuellen amerikanischen Studie. Ist das wirklich so?
In der Schweiz scheint mir die Realität eher so, dass Bibelleser bürgerlich stimmen und wählen – noch. Für mich enthält der NZZ-Titel eine gewisse Logik. Christus lehrt uns viel darüber, wie wir mit Fremden, mit Ungerechtigkeit, mit Unterdrückung und mit der Schöpfung umgehen sollen. Die Linke gibt Antworten darauf.

Die SP steht voll hinter der Abtreibung oder der Homosexualität. Kaum biblische Positionen.
Ich habe persönlich zu beiden Themen meine klare Haltung. Doch mir liegt auch daran, dass Diskriminierungen jeglicher Art vermieden werden und dass der Respekt vor Andersdenkenden gewahrt bleibt – auf beiden Seiten.

Sollen Abtreibungen weiterhin durch die Grundversicherung bezahlt werden?
Ich bin im Dilemma. Ungeborene abzutreiben steht uns Menschen aus meiner Sicht nicht zu. Damit wird das schwächste Glied bestraft. Ob wir den Lebensschutz aber über die Finanzen steuern wollen, ist für mich noch offen.

Wie pflegen Sie Ihre persönliche Gottesbeziehung?
Durch das Gebet, das Bibellesen und die aktive Teilnahme am Leben unserer EMK-Gemeinde und letztlich durch die Bereitschaft, mich vom Heiligen Geist leiten zu lassen.

Was hat Ihren Glauben am meisten gestärkt?
In meiner Ausbildungsbiografie habe ich ein paar Mal Prüfungen nicht bestanden. Von Gott hätte ich jeweils gerne Antworten auf das Scheitern bekommen. Ich habe aber von Gott einfach die Zusage bekommen «Du bist in meiner Hand!». Und er hat mir stets ein «Go on!» gegeben. Dadurch wurde ich schon früh so tief in Gott verwurzelt, dass ich getrost auch anderen «Stürmen» ausgesetzt werden konnte und kann.

Ihre EMK-Gemeinde gratuliert Ihnen auf der Homepage zur Wahl und wünscht Ihnen ausdrücklich Gottes Segen. Was bedeutet Ihnen Gottes Segen?
Sehr viel! Gottes Segen bringt zum Ausdruck, dass Gott immer zu mir steht, was auch passiert. Ich freue mich auch sehr, dass mich meine Gemeinde in einem Gottesdienst für meine neue Aufgabe besonders segnen wird. Auf Gebet und Begleitung von Geschwistern werde ich in Zukunft noch mehr angewiesen sein. Das ist mir sehr wertvoll.

Webseite:
Philipp Hadorn
ideaschweiz

Datum: 10.11.2011
Autor: Andrea Vonlanthen
Quelle: Idea Spektrum Schweiz

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