Riehen und St. Gallen

Erster «Marsch des Lebens für Israel»

Am 5. Mai war der jüdische Holocaustgedenktag, Jom HaSchoa. Zu diesem Anlass fanden in St. Gallen und Riehen (Basel) Gedenkmärsche unter dem Titel «Marsch des Lebens für Israel» statt. Ziel war, an das Verbrechen des Holocaust zu erinnern und gleichzeitig ein Statement gegen wieder aufflammenden Antisemitismus zu setzen. Suzanne Ruh berichtet von der Aktion in St. Gallen.
«Marsch des Lebens für Israel» in St.Gallen
Viele Teilnehmer verpflichteten sich dazu, gegenüber Antisemitismus nicht mehr zu schweigen.

Gut 120 Personen aus allen Altersgruppen versammelten sich auf der Kreuzbleiche, dem Startplatz des Marsches, und liefen zusammen durch die belebte Fussgängerzone St. Gallens. In der Hinterlauben (auch als Judengasse bekannt) schwiegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zwei Minuten, um an begangenes Unrecht am jüdischen Volk zu erinnern. Über den Grüningerplatz erreichten sie den Gallusplatz, wo eine Gedenkveranstaltung stattfand.

Jüdische Touristen aus Israel blieben stehen und erfreuten sich an dieser Solidarität mit ihrem Land. Aber auch andere liessen sich «für die gute Sache» gewinnen, so ein Mann, der spontan seine Pläne änderte und sich der Veranstaltung bis zum Schluss anschloss.

Bei Antisemitismus nicht mehr schweigen

Ein zentraler Bestandteil auf dem Gallusplatz war das gemeinsame Lesen einer Bitte um Vergebung für den Verrat, den Christinnen und Christen dem jüdischen Volk seit nahezu 2'000 Jahren angetan haben. Anschliessend kamen viele auf die Bühne, um ein Bekenntnis zu unterzeichnen, das den jüdischen Mitbürgern der Stadt St. Gallen zusammen mit einer Kollekte übergeben werden soll. Jung und Alt, insgesamt 111 Personen, verpflichteten sich dazu, gegenüber dem Antisemitismus nicht mehr zu schweigen.

Der gemeinsame Abschluss im Kirchgemeindehaus St. Mangen wurde gekrönt durch ein Konzert der Violinistin Barbara Hürlimann und der Pianistin Julia Levitin. Beim gemeinsamen Singen des bekannten Liedes «Hevenu Shalom Alechem» (Wir wollen Frieden für alle) schmolzen Publikum und Musikerinnen zusammen.

Jesus lieben und gleichzeitig gegen sein Volk sein?

Organisiert wurde der erste St. Galler «Marsch des Lebens für Israel» durch das Messianisch Christliche Center (MCS) St. Gallen. «Als Christen brauchen wir ein Umdenken, denn es kann nicht sein, dass wir Jesus lieben und gleichzeitig gegen sein Volk sind. Wie können wir ein Volk, welches Gott angenommen hat, ablehnen?», erklärte Walter Bachmann, Pastor der Gemeinde. «Deshalb wollten wir uns an die weltweite Bewegung des 'Marschs des Lebens' anschliessen und so Versöhnung mit dem jüdischen Volk suchen.»

Am 19. Juni findet auf dem Bundesplatz eine weitere Solidaritätskundgebung für Israel statt ().

Die Bewegung «Marsch des Lebens» ist eine Initiative von Jobst und Charlotte Bittner und den TOS Diensten aus Tübingen in Deutschland. Gemeinsam mit Nachkommen deutscher Wehrmachts-, Polizei- und SS-Mitglieder veranstalten sie Gedenk- und Versöhnungsmärsche an Orten des Holocaust in ganz Europa. Seit dem Beginn der Bewegung im Jahr 2007 haben Märsche in 14 Nationen und über 300 Städten stattgefunden, in Zusammenarbeit mit Christen der unterschiedlichsten Kirchen und Denominationen sowie vieler jüdischer Gemeinschaften. Im Jahr 2011 und 2015 wurde der «Marsch des Lebens» von der israelischen Knesset für sein besonderes Engagement für Holocaustüberlebende ausgezeichnet.  

Zur Webseite:
Gemeinsam auf dem Bundesplatz in Bern - Israeltag

Zum Thema:
Ungarischer Jude: «Gott litt mit jedem, der in Auschwitz war»
Mission oder Dialog?: Streitfrage Judenmission 
Kommentar: Was wir aus dem Holocaust lernen sollten 

Datum: 10.05.2016
Autor: Florian Wüthrich / Suzanne Ruh
Quelle: Livenet

Werbung
Livenet Service
Werbung