Herausforderung Islam: Was tun?

Dem Islamismus ins Auge sehen: Bassam Tibi, Andreas Maurer und Heinz Gstrein (von links) am EVP-Fokustag in Zürich.
Sich nicht abspeisen lassen, sondern vertieft diskutieren: Christine Schirrmacher.
Waches Interesse im ETH-Hörsaal.
Pointierte Antworten auf sorgenvolle Fragen: Das Podium mit den Referenten.
Das Aufkommen der Islamisten hautnah erlebt: Heinz Gstrein.

Islamisten verstellen den Blick auf die Mehrheit der Muslime im Westen, die den Geboten Allahs nachzuleben suchen, ohne für die Islamisierung Europas zu kämpfen. Der Anteil der Muslime an der Bevölkerung wächst auch in der Schweiz weiter; in Deutschland steht die Integration der jungen Türken in Frage. Die EVP Schweiz brachte an einer Tagung in Zürich zahlreiche Facetten der Islam-Problematik zur Sprache.

Der EVP-Fokustag zum Thema „Herausforderung Islam“ am Samstag zog mit vier ausgewiesenen Referenten 270 Personen an. Er bot neben zahlreichen Beobachtungen zur vielschichtigen Realität des Islam und der hiesigen Befindlichkeit viele Anregungen, wie Schweizer mit Muslimen umgehen können.

„Neuer Totalitarismus“

Der Politikwissenschaftler und prominente Reform-Muslim Bassam Tibi arbeitete in Zürich die Unterschiede zwischen Islam und Islamismus („der neue Totalitarismus“) heraus. Er schätzte die Zahl der Islamisten in Europa auf eine Million (bei 23 Millionen Muslimen); ihre Netzwerke befänden sich hier, da sie in der Heimat verfolgt würden. Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen: Islamische Reiche dominierten Eurasien vom 8.-17. Jahrhundert; die Religion solle wieder diese Weltgeltung erhalten.

Zivilgesellschaft und Religionsfreiheit

Laut Tibi kann die islamische Lebensform in Europa nicht integriert werden. Frankreich konzentriere sich darauf, Kultfragen zu regeln. Europa müsse Forderungen an die Muslime stellen, aber sich auch mit ihnen auseinandersetzen und ihre im Rahmen der europäischen Ordnung gestellte Forderungen ernstnehmen, sagte Tibi, der aus Syrien stammt. „Wenn eine Religion Regeln enthält, welche der Zivilgesellschaft widersprechen, dann kann sie diese Regeln nicht im Namen der Religionsfreiheit zulassen.“ Tibi machte im Vortrag deutlich, dass er wegen seiner Reformforderungen von Muslimen ausgegrenzt und bedroht worden ist.

Profil zeigen, Unterschiede festhalten

Der Theologe und Islamspezialist Andreas Maurer schilderte Erfahrungen mit Muslimen in der Schweiz und gab Einblicke in ihr Milieu. Ein islamischer Geistlicher habe im Gespräch das Verbot der Abkehr vom Islam unter Androhung der Todesstrafe problemlos mit der Religionsfreiheit vereinbaren können. Maurer forderte dazu auf, christliches Profil zu zeigen. Wer Gemeinsamkeiten zwischen Christentum und Islam anerkenne, ohne Widersprüche und Unterschiede zu verleugnen und zu verschweigen, gewinne gegenüber Muslimen an Glaubwürdigkeit, sagte Maurer. Viele Muslime sähen das Christentum als kraftlose Religion.

Streitpunkt Frauenrechte

Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher skizzierte die Herausforderungen, welche islamische Zuwanderer für Staat, Gesellschaft und Kirche in Europa darstellen. Heute lebten Christen und Muslime so eng und so ungeplant zusammen wie noch nie zuvor. Die Ängste und die Ratlosigkeit seien gross. Wenn führende deutsche Muslime erklärten, auf die Scharia nicht verzichten zu können, müsse die Diskussion um die Rechte der Frauen erst recht geführt werden, sagte Schirrmacher. Der Dialog scheitere an der Standpunktlosigkeit der Einheimischen.

Scharia – zuerst im Familienrecht

Die Islamisten versuchen, die Scharia vorerst im Familienrecht geltend zu machen. Ihnen sei mit Argumenten entschlossen entgegenzutreten, riet die Autorin eines Buchs über die Scharia. Es gehe darum, „die Muslime auf unsere Seite zu ziehen, die bereit sind, auf unsere Seite zu treten“. Einen doppelten Rechtsstandard – bei der Stellung der Frau etwa oder der Anerkennung der Vielehe – dürfe es nicht geben. Nur eine Verständigung auf eine gemeinsame Rechts- und Werteordnung werde den Erhalt der europäischen Nationen garantieren.

Kernbotschaft auch politisch

Der Orientalist Heinz Gstrein schilderte als Zeitzeuge brillant und kenntnisreich, wie sich die islamische Welt im späten 20. Jahrhundert veränderte. 1985 wurde er aus Ägypten ausgewiesen. Anders als Bassam Tibi glaubt Gstrein nicht, dass Islam und Islamismus zu trennen sind. Denn die Aufrichtung eines politischen Reichs gehöre zur Kernbotschaft des Islam. Er wolle – im Gegensatz zu Jesus Christus – ein Reich von dieser Welt, und im Namen Allahs sei gleich zu Beginn Gewalt geübt worden, um Macht zu erlangen. „Keine andere Weltanschauung unterliegt einer so grossen Spannung von hoffnungsvoller Christentumsnähe und fanatischer Christenfeindschaft, zwischen globalem totalitärem Herrschaftsanspruch und tiefster Innerlichkeit, wie der Islam.“

„Bessere Christen werden“

Vor den Workshops beantworteten die vier Referenten Fragen. Maurer meinte, die Begegnung mit Muslimen auf Augenhöhe sei derzeit noch möglich; die Zeit sei zu nutzen. Laut Schirrmacher finden sich Muslime der dritten Generation in deutschen Grossstädten zwischen allen Stühlen, was sie für Radikalisierung anfällig werden lasse. „Und wir machen uns keine Gedanken über die vierte Generation“. Der Islam, so Gstrein auf eine Frage, sollte aber Christen herausfordern, bessere Christen zu werden.

Laut Bassam Tibi brauchen die Europäer Selbstwert, um den weltanschaulichen Kampf gewinnen zu können; ihre Werte sollten in einer (europäischen, nicht deutschen!) Leitkultur Geltung finden. In der islamischen Welt trauten sich Christen kaum, ihren über tausendjährigen Zweitklassstatus als Dhimmi (Schutzbefohlene) zur Sprache zu bringen und gleiche Rechte zu fordern.

Interview mit Bassam Tibi: «Die Islamisten waren in Europa bisher erfolgreich»

Links zum Thema.
FT_Islam_Referat_Tibi.pdf [491 K]
FT_Islam_Referat_Maurer.pdf [378 K]
FT_Islam_Referat_Schirrmacher.pdf [2.1 M]
FT_Islam_Referat_Gstrein.pdf [2.9 M]
FT_Islam_Fokusgruppe_Kopftuchverbot.pdf [95 K]
Vorträge Tibi, Maurer und Schirrmacher und Podium als Podcasts

Datum: 28.01.2009
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch

Publireportage
Werbung
Livenet Service
Werbung