Kommentar

Neues Jahr – Neuanfang?

Eine neue Seite aufschlagen – wer möchte das nicht? Kommt Zeit, kommt Rat, sagte das Sprichwort. Das neue Jahr ist da, Schulden und Sackgassen aber nicht verschwunden. Was schenkt Gott?
Neujahr

Die Währungsunion, als Errungenschaft gepriesen, weil sie Europa gut aussehen liess und Vieles vereinfachte, hat sich als Zwangsjacke erwiesen. Die anhaltende Zitterpartie des Euro ist der Zahltag für die Verschuldung: Länder leben lange über die Verhältnisse und weil sie im Währungsraum nicht mehr abwerten können (geringere Kaufkraft als Strafe, tiefere Löhne als Chance im internationalen Wettbewerb), ziehen sie den Euro insgesamt in die Tiefe.

In der Sackgasse stecken Länder auch aus anderen Gründen. Italiens Ministerpräsident, der diesen Namen nicht verdient, weil er statt dem Staate sich selbst dient, bleibt im Amt. «Der alte Kontinent ächzt und stöhnt, von Aufbruchstimmung, Dynamik und Zukunftsglaube keine Spur», schreibt der NZZ-Chefredaktor zum Silvester. Es gelte nun abzuspecken und masszuhalten. «Eine passive, am Tropf staatlicher Zuwendung hängende und zunehmend egoistisch und rücksichtslos agierende Gesellschaft vermag die Zukunft nicht mehr günstig zu beeinflussen; sie degeneriert und fällt im globalen Wettbewerb entscheidend zurück.»

Von verantwortungsloser Selbstgefälligkeit, wie sie Cavaliere Silvio hemmungslos verkörpert, sprechen nicht nur die Schuldenberge des Kontinents, sondern auch seine zunehmende Überalterung: Ich lebe mein Leben; sollen die Kinder des Andern mein Wohlbefinden im Alter finanzieren.

Säkulare Gesellschaften tendieren dazu, die Religionsfreiheit als Freiheit von Religion zu praktizieren, die Gebote des Schöpfers zu verachten und zu vergessen und selbstbezogen zu leben. Es scheint – nicht nur am Jahreswechsel darf darüber nachgedacht werden –, dass ihnen bei so praktizierter Freiheit der gesunde Menschenverstand abhanden kommt. Als wäre dieser auf einen Mahnfinger angewiesen, ein Korrektiv, über das er nicht verfügen kann. Wer Schulden macht, verliert die Handlungsfähigkeit; das gilt nicht nur in der Wirtschaft. Wer gedankenlos Schulden macht, verliert das Gewissen.

In den USA nehmen Christen politisch Einfluss, indem sie mit den Geboten Gottes argumentieren – Exzesse und die tiefe Krise haben sie damit allerdings nicht verhindert. Im säkularen Europa verfällt durch Skandale die moralische Autorität der katholischen Kirche; Protestanten (durch zeitgeistige, bibelferne, abgehobene Theologie ohne Profil) und Orthodoxe (sowjet-geschädigt, auf Traditionen fixiert, oft nationalistisch borniert) machen seit langem keine gute Figur. Evangelikale werden in der Regel ignoriert, belächelt oder diffamiert.

Säkulare Anspruchs-Gesellschaften, die den religiösen Kompass hinter sich gelassen haben, verlieren das Augenmass für das, was das Leben ausmacht. Sie begeben sich unter das Diktat der Märkte, die nur Risiken und Renditen kennen, deren profitorientierte Logik ohne Erbarmen ist.

Raum für Neues?

Das Jahr ist jung. Wo ist Raum für Neues? Schafft Gott Neues? Qualitativ Neues – jenseits des Machbaren – Wunder. Der Schöpfer kann es tun, jederzeit. Er hat Jesus Christus von den Toten auferweckt und schafft in ihm die neue Welt. Sie will sich in der alten abzeichnen.

Die Frage ist allerdings, ob derart Neues bei uns im Westen geschehen darf, ob der Horizont unserer Erwartungen es zulässt. Haben wir uns mit dem Stolz, ein Höchstmass an Freiheit realisiert zu haben und diesseits-fixiertem Anspruchsdenken nicht eher eingemauert?

Wenn Gott daran geht, Dinge neu zu ordnen, redet die Bibel von Zuwendung, von «Heimsuchung», die weh tut, aber zum Heil führt. Als Jesus in die Stadt der Städte einzog, ging er seiner Kreuzigung entgegen. Er weinte über Jerusalem und sagte: «Wenn doch an diesem Tag auch du erkenntest, was zum Frieden führt. Jetzt aber bleibt es vor deinen Augen verborgen… Feinde werden keinen Stein auf dem andern lassen, weil du die Zeit der Zuwendung nicht erkannt hast» (Die Bibel, Lukas, Kapitel 19, Verse 41-44).

Kommt Zeit, kommt Rat, sagte das Sprichwort. Was wenn der gesunde Menschenverstand im Ausgang ist? Ohne das Eingestehen von Schuld und Umkehr geht es nicht. Das tut weh. Das neue Jahr ist Zeit, umzukehren, auf Gott zu hören – neu hinzuhören – und sein Eingreifen zu erbitten. Zeit, daraufhin zu handeln und glaubensvoll Risiken einzugehen. Auch und gerade in Europa.

Datum: 01.01.2011

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