Nach evangelischem Vorbild

Orthodoxe Diakonie erlebt Aufschwung

Frauen, die als «Diakonissen» ihr Leben und Wirken der Kirche und allen ihrer bedürftigen Mitmenschen weihen, schienen lang eine typisch evangelische Errungenschaft – und Vergangenheit – zu sein. Nun gibt es Neugründungen in Iran und in Afrika.
Orthodoxe Christen in Afrika

Die evangelische Diakonie hat ihre Zentren im deutschen Kaiserswerth, Riehen bei Basel, im Zürcher Neumünster oder Nidelbad. Nach dem Vorbild in frühchristlichen Gemeinden wollen sie diesen dienen und in Gemeinschaft ehelos leben. Da die Diakonissen vorrangig in der Krankenpflege tätig waren – und sind – kamen sie über das 1897 erbaute «Schweizer Spital» im südtürkischen Urfa mit «Sarkavaguhis» zusammen, Diakoninnen der Armenischen Orthodoxen Kirche. Ihr Stand war allerdings schon am Aussterben.

Armenische Diakonie hielt dem Genozid stand

Das Beispiel der evangelischen Diakonissen ermutigte die armenischen Diakonissen aber, in der Christenheit nicht allein zu stehen, im bald folgenden türkischen Genozid durchzuhalten und für dessen Waisen eine Zuflucht in Libanon zu schaffen. Armenische Diakonissen stellen seitdem überall dort ihren «Mann», wo Christen verfolgt oder zumindest bedrängt werden. So steht in der Islamischen Republik Iran seit Ende 2017 die Diakonin Ani-Kristi Manvelian, eine ausgebildete Anästhesistin, im Dienst der Gemeinde von Teheran.

Diakonissen im Kongo...

Wenig später hat in Kongos Bergbaustadt Kolwezi der griechisch-orthodoxe «Patriarch von Alexandria und ganz Afrika» Theodoros II. drei schwarze Katechetinnen zu Diakoninnen geweiht. Durch Handauflegung – wie das auch bei den evangelischen Diakonissen erfolgt. Als er jetzt Anfang März Afrikas grösste einheimische christliche Kirche in Äthiopien besuchte, bat ihn sein Amtsbruder in Addis Abeba, Abuna Matias, bei der Einführung des Frauendiakonats in seiner Kirche zu helfen.

... und in Äthiopien

Die äthiopische Orthodoxie gehört wie die armenische zur Familie der altorientalischen Kirchen. Sie hatte schon einmal in den 1950er Jahren einen Vorstoss in Richtung Diakonissentum unternommen, damals bei der Orthodoxen Kirche von Griechenland. Diese stand in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter starkem evangelikal-pietistischem Einfluss. Seine Aktionsbasis war die Theologenbruderschaft «Zoi» (Leben), die sich um eine Neubelebung der in äusserlichem Formalismus erstarrten Orthodoxie bemühte.

Hochschule für Diakonissen

Aus ihren Reihen kam der bedeutende Reformerzbischof Spyridon Vlachos von Athen. Anfang der 1950er Jahre gründete er zu Hagia Varvara in der Nähe der griechischen Hauptstadt eine Hochschule für Diakonissen. Dort wurden neben Griechinnen schon viele Äthiopierinnen ausgebildet. Nach der Schliessung dieser Ausbildungsstätte durch ultra-orthodoxe Kreise wurde sie 30 Jahre lang als Müllabladeplatz und Zufluchtsort für Drogenkranke missbraucht, bis 2003 ihre Renovierung als kirchliches Gästehaus erfolgte.

Auferstehung des evangelischen Geistes

Doch auch der evangelische Geist von Hagia Varvara sollte seine Auferstehung erleben. Weniger in Griechenland denn als gesamtorthodoxes Anliegen. Denn 1951/52 hatte an der Diakonissenschule der später führende orthodoxe Theologe Evangelos Theodorou seine erste Lehrtätigkeit aufgenommen und war davon entscheidend geprägt worden. Er wurde zu einem Hauptvertreter der «evangelischen Schule» in der orthodoxen Theologie und unermüdlicher Verfechter des Diakonissentums. Ehe er seine Augen 2018 als 97-Jähriger schloss, durfte er noch erleben, wie sein vom Evangelium geprägter Alleingang in Iran und Afrika die ersten Früchte trug.

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Datum: 11.03.2019
Autor: Heinz Gstrein
Quelle: Livenet

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