«Wir müssen es nicht kompliziert machen!»
Ich will genauer wissen, wie er zu Jesus gefunden hat und wie er mit dem Heiligen Geist lebt. An Silvester treffe ich Mike, Leiter der Jugendbewegung Soul Survivor, zum Gespräch in der VIP-Lounge der Explo 15. Eine Tortur für ihn. Nicht wegen des Interviewtermins, sondern wegen der allgegenwärtigen Schokolade, die er über alles liebt, aber bloss nicht essen darf. Diabetes.
Abnehmen, hat der Arzt angeordnet. Und so widersteht Mike der süssen Versuchung. Seinem Humor und seiner Komik kann das jedoch nichts anhaben. Nur schon seine Erscheinung − Trainerhosen, Fussballtrikot, farbige Schuhe – ist etwas Besonderes. Die ersten beiden Fragen stellt Mike voller Humor und Ironie gleich selber in den Raum und beantwortet sie auch. Er sei nun schon lange auf der Welt, trotzdem würden ihn die Leute fortwährend fragen, was eigentlich seine grösste Gabe sei. «Demut», ist die Antwort. Es sei schwierig, demütig zu bleiben, wenn man so begabt und mit so vielen Fähigkeiten gesegnet sei wie er. Die andere Frage, die immer wieder auftauche, sei die nach seinem guten Aussehen. Auch er frage sich oft, wie er damit umgehen könne, christlicher Diener und Sexsymbol gleichzeitig zu sein. Aber er könne ja nichts dafür, schliesslich habe er sich nicht selber erschaffen. Für mich steht jetzt schon eines fest: Der ironische Humor ist ganz bestimmt eine grosse Gabe des britischen Schwergewichts! Doch nun will ich mich auch noch ernsthafteren Themen zuwenden.
Mike, du wirkst nicht wie ein typischer Brite. Woher kommst du eigentlich?
Mike Pilavachi: Meine Eltern kamen als Immigranten aus Zypern
nach England. Sie waren nicht religiös und hassten alles, was mit
Religion zu tun hatte. Ich wuchs als Atheist auf. Mit 14 Jahren schrieb
ich in der Schule einen Vortrag mit dem Titel: «Warum ich kein Christ
bin!» Zwei Jahre später bin ich dann Christ geworden. Während meiner
Kindheit und Jugendzeit war ich oft sehr unglücklich. Mein Vater war ein
grober Mann. Ich hatte immer dieses innere Gefühl, dass es im Leben
mehr geben muss, als ich bisher erlebt habe. Doch das Christentum habe
ich zuerst abgelehnt, ohne zu wissen, was ich genau daran ablehne.
Warum bist du trotzdem Christ geworden?
Zwei Lehrer in meiner Schule waren Christen. Ich bombardierte sie oft
mit Glaubensfragen und realisierte immer mehr, dass es im Christentum
nicht um Religion, sondern um eine persönliche Beziehung zu Jesus geht.
Gott zog mich immer mehr zu sich. Einer jener Lehrer gab mir das Buch
«Der christliche Glaube» von John Stott. Hinten drin war ein Gebet, das
ich dann nach reiflicher Überlegung eines Tages auf den Knien betete.
Danach fühlte sich nichts anders an, ausser, dass ich wusste, dass alles
anders war.
Wie bist du dann tiefer in diese Beziehung zu Gott hineingewachsen?
Ich habe vom Heiligen Geist und den Geistesgaben gehört und dann
begonnen, Gott immer wieder darum zu bitten, dass ich mit seinem Geist
erfüllt werde. Doch nichts geschah. So ging ich zu dem Ehepaar, das
unseren Hauskreis leitete, und bat sie, für mich zu beten. Sie wussten
eigentlich gar nicht, was zu tun war, und ebenso wenig wusste ich es.
Wir sassen dann einfach im Zimmer, beteten und warteten still.
Plötzlich, nach etwa einer Stunde, kam der Heilige Geist über mich – es
war wie eine unglaublich tiefe und erfrischende Begegnung mit Jesus, und
da war die innere Gewissheit: Jesus ist in mir und mit mir!
Wie ging es dann weiter?
Ich war 17 und als Baby-Christ tat ich die verrücktesten Dinge: Ich
kaufte mir Hunderte von «One Way Jesus»-Aufklebern und brachte sie
überall an: an Autos, Strassenlaternen, Hauswänden. Dann wartete ich,
beobachtete die Reaktion der Leute und hoffte, dass sie sofort auf die
Knie fallen und sich bekehren würden. Ich hatte zu der Zeit mehr
Leidenschaft als Verstand! Aber vor allem hatte ich ein unglaubliches
Bedürfnis, Gott besser kennenzulernen. Ich las in der Bibel, so oft ich
konnte, und besuchte jedes Gebetstreffen, das sich finden liess. Oft
sass ich für Stunden auf dem Bett und sagte einfach nur zu Gott: «Ich
liebe dich. Du bist mein Vater. Ich liebe dich!» Zwar dachte ich, dass
das Gott irgendwann langweilen muss, aber die Worte sprudelten einfach
aus mir heraus. Mehr und mehr lernte ich, in Gottes Gegenwart zu sein
und in Zungen zu beten, und als Folge davon auch wieder mit klarem
Verstand.
Wie hast du deine Berufung entdeckt?
Jesus kennenzulernen, war für mich total einschneidend und folgenschwer.
Von da an wollte ich ihm mit allem, was ich hatte und war, dienen. Doch
vorerst, weil sich nichts anderes zeigte, ging ich auf die Universität
und arbeitete dann acht Jahre als Buchhalter. Es war eine Qual, aber sie
führte mich zu dem Punkt, an dem ich mich einfach Gott überlassen und
sagen konnte: «Herr, ich will dich einfach lieben, und das soll mir
genügen.» Rückblickend war jene Zeit eine «Wüstenerfahrung», die Gott
verwendet hat, um mich in die Tiefe zu führen und auf das, was kommen
sollte, vorzubereiten. Dann gingen auf einmal die Türen auf. In der St.
Andrew's Church in Chorleywood, in der man offen war für das Wirken und
die Gaben des Geistes, fand ich meine geistliche Heimat und entdeckte
mein Herz für junge Menschen. Man berief mich als vollzeitlicher
Jugendarbeiter, und in den folgenden Jahren entstand aus diesem lokalen
Kontext Schritt für Schritt die Soul-Survivor-Bewegung.
Der Heilige Geist scheint für dein Glaubensleben entscheidend zu sein. Warum ist er so wichtig?
Die Hauptaufgabe des Heiligen Geistes ist es, uns Jesus zu offenbaren. Der Heilige Geist ist auf Christus fokussiert. Im Johannesevangelium, Kapitel 16, Vers 14 steht,
dass der Geist Jesus verherrlicht, ihn ehrt und gross macht. Er macht
die Liebe des Vater-Gottes und Jesus, den Sohn und den Retter, für uns
zu einer realen Erfahrung. Eine echte Ausgiessung des Geistes hat zur
Folge, dass wir mehr auf Jesus ausgerichtet sind. Wenn ich die Bibel
lese, bitte ich deshalb den Geist, dass er mir beim Verstehen hilft und
ich Jesus deutlicher sehe − was ich auch immer wieder erlebe. Der
Heilige Geist bringt uns Jesus nahe. Und umgekehrt! Im Epheserbrief, Kapitel 1, Vers 3 steht,
dass wir in Christus gesegnet sind mit allen geistlichen Gaben. Der
Geist kommt von Christus und weist uns zurück auf Christus. Jemand
fragte mich mal: «Hast du den Geist oder hast du nur Jesus?» Was für
eine Frage! Der Geist ist eine Gabe von Christus. Es gibt kein Pfingsten
ohne Golgatha. Als Jesus am Kreuz hängend von einem Speer durchbohrt
wurde, floss aus seinem Körper Blut, das sinnbildlich für die Vergebung
der Sünde, und Wasser, das für die Ausgiessung des Geistes steht. Nie
dürfen wir das Werk des Geistes vom Werk von Jesus trennen. Darum: Wenn
du mehr vom Geist erfüllt werden willst, jage Jesus nach, mit allem was
du bist und hast!
Was rätst du jemandem konkret, der mehr vom Heiligen Geist bevollmächtigt werden möchte?
Ganz einfach: Bitte darum! Jesus sagt im Lukasevangelium, Kapitel 11,Vers 9 bis 13:
«Wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da
anklopft, dem wird aufgetan [...] wie viel mehr wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!» Warte nicht auf ein
spezielles Erlebnis. Vertraue einfach fest darauf, dass Gott der «Wie
viel mehr»-Vater ist. Du brauchst keine überirdischen Gefühle. Aber du
wirst es an den Resultaten merken: Als ich Gott innig um mehr von seinem
Geist gebeten hatte, merkte ich, wie das Bibellesen lebendiger wurde
und ich plötzlich vieles verstand. Mein Dienst ging einfacher. Gott tat
und tut bis heute Dinge, die ich gar nicht erwartet habe.
Was bedeutet für dich die Aufforderung in Epheser, Kapitel 5, Vers 18: «Lasst euch fortwährend vom Heiligen Geist erfüllen»?
Im Kontext heisst es dort, dass wir einander mit Psalmen, Lobgesängen
und geistlichen Lieder ermuntern sollen, damit sich der Heilige Geist
gerne bei uns ausbreitet. In unseren Herzen soll Musik sein zum Lob
Gottes. Also übe ich mich im Lobpreis und Dank, vertiefe mich ins Wort
Gottes, und – ganz wichtig − ich bleibe nicht allein, sondern pflege
Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern. Ich habe das Privileg, mit engen
Freunden zu arbeiten. Wir dienen gemeinsam Jesus, ermutigen einander
täglich, trösten uns und teilen unser Leben. Das ist auch das Werk des
Heiligen Geistes, dass wir zusammen unterwegs sein und uns am «Erfolg»
des anderen freuen können! Gibt es für dich sonst noch etwas, was für
ein geisterfülltes Leben absolut wesentlich ist? Unsere Bevollmächtigung
mit dem Heiligen Geist – die Bibel redet auch von «Salbung» − geht Hand
in Hand mit Gehorsam. Darum gilt: Tun, was Jesus uns sagt! Gehorsam ist
nichts Schweres, es ist etwas Befreiendes, etwas Wunderbares! Manchmal
bedeutet Gehorsam in einer bestimmten Situation ein gewisses Risiko.
Doch wenn ich das Risiko nicht eingehe, wenn ich nicht bereit bin,
herauszutreten und allenfalls zu versagen, kann ich keine Wunder
erleben. Jesus sagte zu seinen Leuten im Johannesevangelium, Kapitel 15, Vers 15:
«Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch aufgetragen habe.»
Ich möchte ein Freund von Jesus sein! Nichts weiter! Darum geht es. Das
ist die Grundlage von allem. Jesus nahe sein, auf ihn hören und tun, was
er sagt – und zuschauen, wie der Heilige Geist es bestätigt.
So könnte man es sagen. Geisterfülltes Leben bedeutet Leben aus der Freundschaft mit Jesus heraus, das durch den Gehorsam zum Vater bestimmt ist. Geisterfülltes Leben ist ein Sich-Einlassen auf den Vater, so, wie es Jesus von sich sagte (Johannesevangelium, Kapitel 5, Vers 19): «Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht.» Oder wie er es im Johannesevangelium, Kapitel 4, Vers 34 den verdutzten Jüngern erklärte: «Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen.» Wir müssen es nicht kompliziert machen! Geisterfüllt leben bedeutet im Kern, den Willen des Vaters zu tun.
Mike Pilavachi, geboren 1958, ist Gründer und Leiter von Soul Survivor, einer Bewegung, die junge Menschen zur Nachfolge von Jesus ermutigt, anleitet und aussendet. Mike Pilavachi ist Pastor der Kirche Soul Survivor Watford, ordinierter Diakon der anglikanischen Kirche, Buchautor, internationaler Redner und Single aus Berufung.
Zum Thema:
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Datum: 12.07.2016
Autor: Samuel Müller
Quelle: Amen-Magazin